Fall 2004-051N
Bern
Verfahrensgeschichte | ||
---|---|---|
2004 | 2004-051N | Das Bundesgericht heisst die Berufung des Angeklagten gut und weist die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück |
Juristische Suchbegriffe | |
---|---|
Tathandlung / Objektiver Tatbestand | Herabsetzung oder Diskriminierung (Abs. 4 Hälfte 1) |
Schutzobjekt | Ethnie |
Spezialfragen zum Tatbestand | keine |
Stichwörter | |
---|---|
Tätergruppen | Politische Akteure |
Opfergruppen | Ausländer / verschiedene Ethnien |
Tatmittel | Schrift; Elektronische Kommunikation |
Gesellschaftliches Umfeld | Internet (ohne Soziale Medien) |
Ideologie | Keine Angaben zur Ideologie |
Der Angeklagte veröffentlichte als Präsident der Freiheits-Partei (FPS) im April 2001 auf der parteieigenen Website eine Medieninformation mit folgendem Inhalt: „Die Freiheits-Partei weist darauf hin, dass u.a. die Einwanderer (so genannte Flüchtlinge) aus dem Kosovo einen unverhältnismässig hohen Anteil an der zunehmenden Gewaltbereitschaft und Kriminalität in der Schweiz haben. Darum verlangt die FPS die Rückschaffung sämtlicher Einwanderer aus dem Kosovo innert der ursprünglich verfügten Frist. Es hat sich mittlerweile zur ständigen Praxis ermittelt (recte: entwickelt), dass aufgenommene Asylanten die Schweiz nie mehr verlassen und nach einer 12-jährigen Aufenthaltsdauer in unserem Land die praktisch bedingungslose Einbürgerung verlangen können. Die FPS will keine neuen Schweizer, die eine kriminelle Vergangenheit aufweisen.“ Die 1. Instanz sprach den Angeklagten im Mai 2003 wegen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 2`000.-. Die zweite Instanz bestätigte im November desselben Jahres dieses Urteil. Der Angeklagte erhob gegen diesen Entscheid eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde beim Bundesgericht.
Das Bundesgericht hält fest, dass die fragliche Mitteilung nicht als Herabsetzung oder Diskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB erscheint, da sie nicht die Bevölkerungsgruppe der Kosovo-Albaner als solche angreift und sie nicht als minderwertig darstellt. Das Bundesgericht heisst die Berufung des Angeklagten gut und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Der Angeklagte veröffentlichte als Präsident der Freiheits-Partei (FPS) im April 2001 auf der parteieigenen Website eine Medieninformation mit folgendem Inhalt: „Die Freiheits-Partei weist darauf hin, dass u.a. die Einwanderer (so genannte Flüchtlinge) aus dem Kosovo einen unverhältnismässig hohen Anteil an der zunehmenden Gewaltbereitschaft und Kriminalität in der Schweiz haben. Darum verlangt die FPS die Rückschaffung sämtlicher Einwanderer aus dem Kosovo innert der ursprünglich verfügten Frist. Es hat sich mittlerweile zur ständigen Praxis ermittelt (recte: entwickelt), dass aufgenommene Asylanten die Schweiz nie mehr verlassen und nach einer 12-jährigen Aufenthaltsdauer in unserem Land die praktisch bedingungslose Einbürgerung verlangen können. Die FPS will keine neuen Schweizer, die eine kriminelle Vergangenheit aufweisen.“
Das Bundesgericht hält fest, dass bei der Auslegung von Art. 261bis StGB der Meinungsäusserungsfreiheit Rechnung zu tragen ist und Äusserungen zu politischen Fragen und Problemen des öffentlichen Lebens ein besonderer Stellenwert zukommt. Daher gelten insbesondere bei der Beschränkung von politischen Äusserungen strenge Anforderungen. Laut Bundesgericht sind Aussagen im Rahmen von politischen Debatten nicht immer strikt an ihrem Wortlaut zu messen, da in diesen Auseinandersetzungen gewisse Vereinfachungen und Übertreibungen üblich sind. Dabei darf die Meinungsäusserungsfreiheit das Anliegen der Bekämpfung der Rassendiskriminierung seiner Substanz nicht berauben. Laut Bundesgericht muss es in einer Demokratie jedoch möglich sein, am Verhalten einzelner Bevölkerungsgruppen Kritik zu üben. Eine Herabsetzung oder Diskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB ist daher im Rahmen von politischen Debatten nicht leichthin zu bejahen. So ist der Tatbestand jedenfalls nicht bereits dann erfüllt, wenn über eine von dieser Norm geschützte Gruppe etwas Unvorteilhaftes geäussert wird, solange die Kritik insgesamt sachlich bleibt und sich auf objektive Gründe stützt. Das Bundesgericht hält fest, dass Äusserungen im Rahmen der politischen Auseinandersetzung dabei nicht zu eng auszulegen sind, sondern immer in ihrem Gesamtzusammenhang gewürdigt werden müssen.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz wird laut Bundesgericht in der Mitteilung des Angeklagten weder gesagt noch angedeutet, dass alle Kosovo-Albaner gewaltbereit oder kriminell seien. Folglich fragt sich einzig, ob die Behauptung, dass die Einwanderer aus dem Kosovo einen unverhältnismässig hohen Anteil an der zunehmenden Gewaltbereitschaft und Kriminalität in der Schweiz haben und die daran anschliessende Forderung nach Rückschaffung dieser Einwanderer innert der ursprünglich verfügten Frist je für sich allein oder in ihrer Verknüpfung eine Herabsetzung oder Diskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB darstellt.
Laut Bundesgericht rückt die Behauptung, unter anderem Einwanderer aus dem Kosovo seien in der Schweiz überdurchschnittlich oft gewaltbereit und kriminell, die damit angesprochene Bevölkerungsgruppe in ein ungünstiges Licht. Das Bundesgericht hält jedoch fest, dass Kosovo-Albaner dadurch nicht generell als minderwertig dargestellt werden, zumal der Zusatz „unter anderem“ andeute, dass auch andere Ethnien in der Schweiz in erhöhtem Mass gewaltbereit und kriminell seien. Überdies lässt sich die vom Angeklagten aufgestellte Behauptung auf objektive Grundlagen stützen. Das Bundesgericht nennt etwa die regelmässigen Berichte über die innere Sicherheit des Bundesamts für Polizei, wo davon die Rede ist, dass die Schweiz von den Aktivitäten krimineller ethnischer Albaner stark betroffen sei und diese namentlich den Heroinhandel beherrschten.
Die in der Mitteilung des Angeklagten ebenfalls erhobene Forderung, die Einwanderer aus dem Kosovo seien innert der ursprünglich verfügten Frist zurückzuschaffen, bezieht sich laut Bundesgericht auf die Ausübung des den Asylbehörden zustehenden Ermessens. Dem Durchschnittsleser wird dadurch nicht der Eindruck vermittelt, Kosovo-Albaner seien nach Auffassung des Angeklagten als Menschen zweiter Klasse zu betrachten.
Zuletzt prüft das Bundesgericht, ob die Forderung nach fristgerechter Rückschaffung gerade dadurch eine „rassistische Spitze“ erhält, dass sie mit dem behaupteten überdurchschnittlichen Anteil der Einwanderer aus dem Kosovo an der Kriminalität in der Schweiz begründet wird. Gemäss dem Bundesgericht erscheint der ins Feld geführte erhöhte Anteil der Kosovo-Albaner an der Kriminalität in der Schweiz kaum als durchschlagendes Argument für deren Rückschaffung innert der ursprünglich beschlossenen Fristen. Laut Bundesgericht erscheint die fragliche Mitteilung im Gesamtzusammenhang trotzdem nicht unsachlich, da im Rahmen von politischen Debatten gewisse Vereinfachungen üblich sind. Im eigentlichen Mittelpunkt der Mitteilung steht laut Bundesgericht die Kritik am Entscheid des Bundesrates, Personen aus dem Kosovo weiterhin die vorläufige Aufnahme zu gewähren und die Kritik an der Ausländerpolitik des Bundes insgesamt.
Zusammenfassend hält das Bundesgericht fest, dass die fragliche Mitteilung nicht als Herabsetzung oder Diskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB erscheint, da sie nicht die Bevölkerungsgruppe der Kosovo-Albaner als solche angreift und sie nicht als minderwertig hinstellt.
Das Bundesgericht heisst die Berufung des Angeklagten gut und weist die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück