Fall 2005-058N

Pro-Palästina, Antizionismus und Antisemitismus

Schweiz

Verfahrensgeschichte
2005 2005-058N Der Untersuchungsrichter erklärt den Beschuldigte der mehrfachen Rassendiskriminierung (Art. 261bis Abs. 1, 3 und 4 StGB) schuldig.
Juristische Suchbegriffe
Tathandlung / Objektiver Tatbestand Aufruf zu Hass und Diskriminierung (Abs. 1);
Organisation von Propagandaaktionen (Abs. 3);
Herabsetzung oder Diskriminierung (Abs. 4 Hälfte 1)
Schutzobjekt Rasse;
Religion
Spezialfragen zum Tatbestand keine
Stichwörter
Tätergruppen Kollektive Akteure;
Privatpersonen
Opfergruppen Juden
Tatmittel Schrift;
Elektronische Kommunikation
Gesellschaftliches Umfeld Medien (inkl. Internet)
Ideologie Antisemitismus

Kurzfassung

Als Präsident einer Pro-Palästina Organisation, habe der Beschuldigte mehrere Berichte veröffentlicht, indem er antisemitische Aussage geäussert habe, z.B. «Streik Ahmad Yassin in GAZA CITY nach Fajr Gebet von Zionisten-Sauen ermordet» sowie "... Min. drei Zionisten-Bastarde wurden äusserst sauber erlegt.", und Juden als «Zionisten-Bastarde» und «Schweine» bezeichnet habe. Der Untersuchungsrichter erklärt den Beschuldigte wegen der mehrfachen Pornografie, des Vergehens gegen das Waffengesetz, der Übertretung des Waffengesetzes sowie der mehrfachen Rassendiskriminierung (Art. 261bis Abs. 1, 3 und 4 StGB) schuldig.

Sachverhalt

Der Angeschuldigte habe mehrfache Rassendiskriminierung begangen.
1) Er betrieb unter der Internetadresse X. eine Website, auf welcher er immer wieder aus der Sicht der Palästinenser über die aktuelle Lage und Zwischenfälle im Konflikt zwischen Palästinensern und Israel berichtete.
2) Der Angeschuldigte publizierte auf der fraglichen Website ein Bild mit der Schlagzeile: «Streik Ahmad Yassin in GAZA CITY nach Fajr Gebet von Zionisten-Sauen ermordet». Unterhalb des unter Ziff. 4 erwähnten Bildes zitierte der Angeschuldigte einen TV-Moderatoren wie folgt: „Damit haben die dreckigen Schweine eine neue Linie überschritten. Sie werden ihr widerliches Blut und ihre nach verbranntem Schweinefleisch stinkenden Hautfetzen überall auf der WeIt zusammenkratzen können», liess ein TV-Moderator der arabischen Welt wohl entsprechend der Gefühlshaltung aller Muslime verlauten!". Dieses Zitat steht in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ermordung des Streik Ahmad Yassin durch Israel.
3) Der Angeschuldigte nahm auf der genannten Website auf einen Vorfall vom 26.09.2003 bezug und berichtete über das Attentat eines Palästinensers auf jüdische Siedler. In der Schlagzeile wie auch im Text darunter schreibt der Angeschuldigte, dass zwei illegale jüdische Siedler erlegt worden seien.
4) Im Zusammengang mit einem Terroranschlag in Taba vom 08.10.2004 publizierte der Angeschuldigte auf der fraglichen Website das folgende Spruchband: „Explosion in Taba, Hilton in die Luft gesprengt, viele Zionisten-Schweine in kleine, handliche, Stücke zerlegt min. 35 Tote, 250 Verletzte...“.
5) In mehrere Berichten bezeichnete der Angeschuldigte Juden als «zionistische Bastarde».
6) Des weiteren schrieb er in seinem letzten Bericht : "... Min. drei Zionisten-Bastarde wurden äusserst sauber erlegt.".
7) Auch in anderen Berichten verwendete der Angeschuldigte den Begriff «erlegt» im Zusammenhang mit der Tötung von Juden.

Rechtliche Erwägungen

Gemäss Art. 261bis Abs. 1 StGB wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft.
Gemäss Art. 261bis Abs. 3 StGB wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt.
Gemäss Art. 261bis Abs. 4 StGB wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht.
1) Indem der Angeschuldigte seine Texte auf der genannten Website publizierte, stellte er sie einem breiten Publikum zur Verfügung. Die Texte konnten durch eine unbestimmte Zahl von Personen wahrgenommen werden und sind daher öffentlich im Sinne von Art. 261bis StGB.
In den Texten ist vom „Zionisten-Staat“ und „Judenstaat“ die Rede, womit offensichtlich Israel gemeint ist. Der Angeschuldigte spricht abwechselnd von „Zionisten“, „Israel» und „Juden“. Für den Leser entsteht dadurch der Eindruck, dass diese Begriffe als Synonyme verwendet werden.
Zionismus stellt eine politische Bewegung dar und ist deshalb vom Schutzbereich des Art. 261bis StGB nicht erfasst. Israel wird als Staat ebenfalls nicht durch Art. 261 bis StGB geschützt. Bei der Gruppe der „Juden“ handelt es sich jedoch um eine religiöse Gruppe, welche vom Schutzbereich des Art. 261bis StGB erfasst ist.
2) Indem der Angeschuldigte schreibt, der Sheikh sei von „Zionisten-Sauen“ ermordet worden, verglich er Juden mit Sauen und verweigerte ihnen die Gleichberechtigung als menschliche Wesen, was gemäss herrschender Lehre eine Verletzung der Menschenwürde darstellt. Die folgende Aussage bezieht sich daher - entsprechend den vorstehenden Ausführungen eindeutig auf Juden. Es wird suggeriert, dass Juden wie Schweine stinken würden und sie überall auf der Welt getötet werden sollen. Dadurch wird ihre Qualität als Mensch herabgesetzt und es wird ihnen das Recht auf Leben abgesprochen. Gemäss herrschender Lehre liegt eine Verletzung der Menschenwürde vor, wenn Personen als Tiere bezeichnet werden, die man benutzen oder allenfalls vernichten kann.
3) Der Begriff „erlegen“ wird im Normalgebrauch für das Töten von Tieren verwendet. Der Angeschuldigte setzte durch diese Äusserung Juden ein weiteres Mal mit Tieren gleich und verletzt sie damit in ihrer Menschenwürde. Durch die Formulierung „äusserst sauber erlegt“ in der Schlagzeile des Berichtes bringt der Angeschuldigte seine Billigung dieser Tat zum Ausdruck. Er spricht den Juden damit das Recht auf Leben ab, was ebenfalls als Verletzung der Menschenwürde zu qualifizieren ist.
4) Auch hier bezeichnet der Angeschuldigte die Zionisten - und entsprechend den Ausführungen die Juden - als Schweine. Schon allein dadurch verletzt er Juden in ihrer Menschenwürde. Er schreibt zudem «in kleine handliche Stücke zerlegt». Er setzt Juden Tieren gleich, spricht ihnen also das Menschsein und verletzt sie dadurch in ihrer Menschenwürde.
5) Dadurch degradiert er sie zu Menschen minderer Qualität und verletzt ihre Menschenwürde.
6) Indem der Angeschuldigte «erlegt» anstatt «getötet» oder «ermordet» verwendet, vergleicht er Juden erneut mit Tieren und verletzt sie dadurch in ihrer Menschenwürde. Durch die Formulierung: "äusserst sauber erlegt», heisst er die Tat gut.
7) Dies stellt mithin einen weiteren Vergleich mit Tieren dar, wodurch die Juden in ihrer Menschenwürde verletzt.

Entscheid

Der Untersuchungsrichter erklärt den Beschuldigte wegen der mehrfachen Pornografie, des Vergehens gegen das Waffengesetz, der Übertretung des Waffengesetzes sowie der mehrfachen Rassendiskriminierung (Art. 261bis Abs. 1, 3 und 4 StGB) schuldig. Der Beschuldigte wird zu einem Monat Gefängnis und CHF 200.- Busse verurteilt. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird bedingt aufgeschoben; die Probezeit beträgt 2 Jahre.