Caso 2007-048N
Lucerna
Cronistoria della procedura | ||
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2007 | 2007-048N | Das Bundesgericht weis die staatsrechtliche Beschwerde ab und heisst die Nichtigkeitsbeschwerde teilweise gut. |
Criteri di ricerca giuridici | |
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Autorità/Istanza | Tribunale federale |
Atto / Fattispecie oggettiva | Discredito o discriminazione (4° comma 1ª metà) |
Oggetto della protezione | Razza |
Domande specifiche sulla fattispecie | Bene giuridico protetto; Pubblicamente (in pubblico) |
Parole chiave | |
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Autori | Persone private |
Vittime | Stranieri / altri gruppi etnici |
Mezzi utilizzati | Vie di fatto |
Contesto sociale | Luoghi pubblici |
Ideologia | Estremismo di destra |
Der Angeklagte verübte zusammen mit einem Mittäter drei tätliche Angriffe auf Ausländer. Die beiden Täter verprügelten und verletzten jeweils kurz nach Mitternacht drei verschiedene Personen (zwei Tamilen und einen Mann aus dem ehemaligen Jugoslawien). Dabei verwendeten sie mit Stahlkappen verstärkte Schuhe und den Gehstock eines Opfers.
Die 1. Instanz sprach den Angeklagten der einfachen qualifizierten Körperverletzung unter Verwendung eines gefährlichen Gegenstandes (Art. 123 Ziff. 2 StGB), des vollendeten Versuchs der schweren Körperverletzung (Art. 122 i.V.m. Art. 22 StGB) und der schweren Körperverletzung (Art. 122 Abs. 3 StGB) schuldig und verurteilte ihn wegen diesen Taten und wegen Widerhandlung gegen das Waffengesetz (Erwerb eines Springmessers) zu drei Jahren Zuchthaus.
Die 2. Instanz sprach den Angeklagten der mehrfachen versuchten schweren Körperverletzung (Art. 122 i.V.m. 22 Abs. 1 StGB), der schweren Körperverletzung (Art. 122 Abs. 3 StGB), der mehrfachen Rassendiskriminierung (Art. 261bis Abs. 4 StGB) sowie der mehrfachen Widerhandlung gegen das Waffengesetz (Art. 33 Abs. 1 lit. a WG) schuldig und verurteilte ihn zu 3½ Jahren Zuchthaus.
Daraufhin gelangte der Angeklagte mit einer staatsrechtlichen Beschwerde und einer eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht.
Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde teilweise gut, soweit der Schuldspruch der mehrfachen Rassendiskriminierung im Sinn von Art. 261bis Abs. 4 StGB betroffen ist.
Nach Besuchen in einer Bar schlug der Angeklagte mit einem Freund (Beurteilung siehe EKR-Datenbank 2006-58) an drei Abenden je einen Ausländer zusammen.
Beim ersten Opfer handelte es sich um einen Tamilen, durch den sich der Angeklagte im Bus provoziert fühlte. Vor allem aus fremdenfeindlichen Motiven fassten die beiden Männer den Entschluss, den Ausländer zusammenzuschlagen. Unter anderem warf der Angeklagte den Beschwerdeführer durch die Gegend und beide traten mit ihren Stahlkappen verstärkten Schuhen auf ihn ein, indem sie ihm beispielsweise auch ins Gesicht traten. Erst als sich ein Auto näherte, liessen sie vom Opfer ab.
Beim zweiten Fall fühlten sich der Angeklagte und sein Mittäter (siehe EKR-Datenbank 2006-58) wieder durch die Anwesenheit eines Ausländers im Bus provoziert. Deshalb kamen sie überein, vor allem aus fremdenfeindlichen Motiven, den Tamilen zu «verhauen». Sie verfolgten das Opfer und begannen, auf dieses einzutreten. Der Angeklagte befand sich in einem regelrechten Blutrausch und liess an dem Opfer seine aufgestauten Aggressionen aus, indem er, zusammen mit seinem Freund, mit Stahlkappen verstärkten Schuhen auf das Opfer eintrat und es so an Rücken, Bauch, Rippen, Kopf und Gesicht verletzte.
Beim dritten Zwischenfall wählten der Angeklagte und der Mittäter (siehe EKR-Datenbank 2006-58) zufällig ein Opfer im Bus aus und beschlossen, dieses vor allem aus fremdenfeindlichen Motiven zu «verhauen». Beim Opfer handelte es sich um einen leicht gehbehinderten Ausländer. Um weniger leicht erkennbar zu sein, kehrten sie das Innenfutter ihrer Jacke nach aussen. Der Angeklagte warf das Opfer zu Boden und trat mit den Stahlkappen verstärkten Schuhen mehrmals gegen den Kopf des Opfers. Auch als dieses bereits bewusstlos am Boden lag, traten die Beiden noch weiter gegen den Kopf des Opfers. Das Opfer erlitt dabei unter anderem eine Gehirnerschütterung, eine Schädelfraktur, eine Jochbeinfraktur und eine Nasenbeinfraktur.
Bei allen drei Überfällen trugen die zwei Angeklagten Kleidung, welche typischerweise in rechtsradikalen Kreisen getragen wird. Bei den beiden wurde zudem diverses Material mit eindeutig rechtsradikalem Inhalt sichergestellt. Der Angeklagte und sein Freund (siehe EKR-Datenbank 2006-58) machten keinen Hehl daraus, dass sie zum Tatzeitpunkt rechtsradikal gewesen seien. Weiter wurde beim Angeklagten bei einer Hausdurchsuchung ein Springmesser mit integriertem Feuerzeug sichergestellt.
Der Beschwerdeführer beanstandet mit der staatsrechtlichen Beschwerde, dass die Vorinstanz willkürlich Öffentlichkeit bejaht habe.
Das Bundesgericht stellt fest, dass Öffentlichkeit im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB schon dann gegeben sei, wenn die konkrete Möglichkeit einer Wahrnehmung des Vorfalls durch unbeteiligte Dritte bestehe. Dies sei auch durch den Beschwerdeführer nicht beanstandet worden. Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde des Angeklagten ab.
Auf die vom Angeklagten eingereichte eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde reagierte das Bundesgericht wie folgt.
Das höchste Gericht stellt zunächst fest, dass Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB unter anderem bezwecke, die angeborene Würde und Gleichheit aller Menschen zu schützen. Daher erscheinen als Herabsetzung oder Diskriminierung alle Verhaltensweisen, durch welche den Angehörigen einer Bevölkerungsgruppe aufgrund ihrer Rasse, Ethnie oder Religion die Gleichwertigkeit als menschliche Wesen oder die Gleichberechtigung in Bezug auf die Menschenrechte abgesprochen oder zumindest in Frage gestellt werde. (E.8.2)
Ein weiteres Tatbestandsmerkmal, das für die Erfüllung von Art. 261bis StGB notwendig sei, sei die Voraussetzung der Öffentlichkeit. Öffentlich seien Äusserungen oder Verhaltensweisen dann, wenn sie von unbestimmt vielen Personen oder von einem grösseren, nicht durch persönliche Beziehungen zusammenhängenden Personenkreis wahrgenommen werden können. Das Bundesgericht hält fest, dass es von einem weiteren Begriff der Öffentlichkeit ausgehe, wonach Äusserungen und Verhaltensweisen öffentlich seien, die nicht im privaten Rahmen erfolgen. Privat seien Äusserungen und Verhaltensweisen im Familien- und Freundeskreis. (E.8.3)
Als weiteren Punkt stellt das Bundesgericht klar, dass eine Äusserung oder eine Verhaltensweise den Tatbestand nur dann erfüllen könne, wenn diese vom unbefangenen durchschnittlichen Dritten aufgrund der gesamten konkreten Umstände als rassendiskriminierender Akt erkannt werde. Weiter stellt es fest, dass Äusserungen mehrdeutig sein können. Massgebend sei gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts der Sinn, welchen ihr der unbefangene durchschnittliche Dritte unter den gesamten konkreten Umständen beilege. Also erfülle eine Äusserung in der Öffentlichkeit den Tatbestand der Rassendiskriminierung im Sinn von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 1 StGB dann, wenn sie von einem unbefangenen durchschnittlichen Dritten unter den gesamten konkreten Umständen in einem rassendiskriminierenden Sinne verstanden werde und der Beschuldigte eine Interpretation seiner Äusserung in diesem Sinne in Kauf genommen habe. Weiter sei zu beachten, dass Äusserungen nicht nur verbal, sondern auch non-verbal getätigt werden können. Tätlichkeiten im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 1 StGB seien kommunikative Gebärden mit Körperkontakt. (E.8.4)
Für die Definition des Ausdruckes «in anderer Weise» greift das höchste Gericht auf die Entstehungsgeschichte von Art. 261bis StGB zurück. Dabei kommt es zum Schluss, dass aus den Gesetzesmaterialien nicht zu schliessen sei, was unter der Generalklausel «in anderer Weise» zu verstehen sei. Deswegen bedient sich das Gericht der Ergebnisse aus der Lehre. Auch hier sind die Ausführungen relativ spärlich, es seien kaum Anwendungsfälle zu finden. Daraus schliesst das Bundesgericht, dass aufgrund der Generalklausel die gesetzliche Aufzählung der Tatmittel nur einen beispielhaften Charakter erhalte, so dass eine Einschränkung hinfällig sei. Aus diesem Grund könne die Herabsetzung und Diskriminierung auf jede denkbare Weise erfolgen. (E.8.6)
Eine Herabsetzung oder Diskriminierung in einer gegen die Menschenwürde verstossende Weise könne auch mittels einer Gewalttätigkeit manifestiert beziehungsweise kommuniziert werden. Eine Gewalttätigkeit könne unter Umständen auch die Einschätzung der Minderwertigkeit des Opfers zum Ausdruck bringen und den objektiven Erklärungswert haben, dass das Opfer kein vollwertiger Mensch sei. Daher kommt das Gericht zum Schluss, dass eine öffentlich verübte Gewalttätigkeit neben dem objektiven Tatbestand etwa der Körperverletzung (Art. 122 f. StGB) auch den objektiven Tatbestand der Rassendiskriminierung im Sinn von Art. 261bis Abs. 4 Hälft 1 StGB erfülle, wenn durch die Gewalttätigkeit für den unbefangenen durchschnittlichen Dritten klar erkennbar das Opfer wegen seiner Rasse, Ethnie oder Religion als minderwertig hingestellt werde, wenn mit anderen Worten die Gewalttätigkeit für den unbefangenen durchschnittlichen Dritten klar erkennbar zum Ausdruck bringt und somit den Erklärungswert hat, dass das Opfer wegen seiner Rasse, Ethnie oder Religion kein vollwertiger Mensch sei. Ob eine Körperverletzung für einen unbefangenen durchschnittlichen Dritten klar erkennbar als rassendiskriminierender Akt erscheint, beurteile sich aufgrund der gesamten Umstände des konkreten Falles. Von Bedeutung seien dann vor allem die in der Person des Beschuldigten und in der Person des Opfers liegenden Umstände sowie die Tatumstände als solches. (E. 8.8)
Das Bundesgericht hält fest, dass eine in der Öffentlichkeit begangene Gewalttätigkeit, etwa eine schwere Körperverletzung, auch den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 1 StGB erfüllen könne, wenn diese nicht von verbalen rassistischen Äusserungen begleitet werden. Massgebend seien vielmehr die gesamten Umstände des Einzelfalles.
Weiter stellt das Gericht fest, dass solche Tätlichkeiten und Gewalttätigkeiten nicht zwingend von rassistischen Kommentaren begleitet sein müssen. Es sei vielmehr entscheidend, ob die öffentlich verübte Gewalttätigkeit für einen unbefangenen durchschnittlichen Dritten aufgrund der gesamten Umstände des konkreten Falles klar erkennbar als rassistischer Akt erscheine.
Im konkreten Fall kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass ein unbefangener durchschnittlicher Dritter nicht wisse, dass Kleider der Marke «Lonsdale» wegen der darin enthaltenen Buchstabenfolge « nsda » (anklingend ans «NSDAP» für «Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei») offenbar von Rechtsradikalen gerne getragen werden. Der unbefangene durchschnittliche Dritte erkenne die in der genannten Marke enthaltene Buchstabenfolge nicht als Anspielung auf die «NSDAP». Weiter seien die beiden Aufnäher (mit dem Wort «Skinhead» und dem Abzeichen der «SS-Totenkopfverbände») indessen klein und schon aus wenigen Metern Entfernung nicht mehr zu identifizieren. Somit seien der Beschwerdeführer und sein Mittäter nach dem Gesamteindruck, den sie durch ihre Aufmachung vermittelten, für einen unbefangenen durchschnittlichen Dritten schon aus wenigen Metern Entfernung nicht mehr als «Neonazis» beziehungsweise als «Rechtsextreme» erkennbar.
Der Beschwerdeführer habe somit durch die inkriminierten Handlungen entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht auch den Tatbestand der Rassendiskriminierung im Sinn von Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB erfüllt. Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Punkt gut und hebt das angefochtene Urteil auf.
Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde teilweise gut, soweit der Schuldspruch der mehrfachen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB betroffen ist und hebt das angefochtene Urteil auf. Die Vorinstanz hat die Strafe neu zu bemessen.