TANGRAM 34 Bulletin della CFR Dicembre 2014 - page 52

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Humor, Satireund Ironie
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L’humour, la satire et l’ironie
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Umorismo, satirae ironia
RolledesHumors inderGesellschaft
Le rôlede l’humourdans la société
Il ruolodell’umorismonella società
TANGRAM 34
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12/2014
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Rohit Jain |Das Lachen über die «Anderen»: Anti-Political-Correctness als Hegemonie
die EKR bewusst provoziert hatte (Jain 2012).
In der ethnischen Comedy konnte sich die li-
berale oder bürgerlicheMitte imNamen von
Satire sowohl von rechten Scharfmachern als
auch gegen die angebliche
ZensurderpolitischKorrekten
abgrenzen. Der angeblich au-
thentische Sarrazinsche Ges-
tus gegen das Gutmenschen-
tum und das Establishment
wurde im Lachen auf eine
unverfängliche, ja spassvolle
Weise repetiert und inkorpo-
riert, ohnegerügt zuwerden:
«Endlich sagt es mal einer!»
In dieser Zelebrierung der
Opferperspektive durch die
Dominanzgesellschaft liegt
der ideologische Dreh der
Anti-Political-Correctness. Die
Beziehung der Dominanzge-
sellschaft gegenüber ihren
«Anderen», die in ethnischen
Comedys offensichtlich ver-
handelt wird, wird unsichtbar gegenüber der
offensichtlichen Gängelung des Volkes durch
diepolitischeoder intellektuelleKlasse.
Die ethnische Comedy hat sich also auf
populärkulturelle und unverfängliche Weise
in der Mitte der Gesellschaft verankert, was
die neue Rechte umdie SVP politisch seit den
frühen 1990er-Jahren vorangetrieben hat:
die liberale Legitimation rassistischen Spre-
chens und die gleichzeitige Delegitimation
vonRassismuskritik. Dass rassialisierterHumor
in der Comedy im Falle des Deutsch-Türken
Kaya Yanar gerade von einem Angehörigen
einerMinderheit selbst zelebriertwurde, legi-
timierte die Anti-Political-Correctness in der
Dominanzgesellschaft natürlich umso stärker.
Während Yanar in einem subkulturellen Zu-
sammenhang durchaus subversives Potenzial
hat,markiertenseineComedys–underselbst!–
im Gegensatz zum subtilen gesellschaftskriti-
schenMoralindesKabaretts – ineinemkarne-
valesken Spektakel sozialeKonventionenund
moralische Tabus über denHaufengeworfen,
damit das Publikum der kör-
perlichen Selbstkontrolle des
Alltags entkommen konnte.
InderVerteidigungvonexzes-
sivem Spass gegenüber mora-
lischen Bedenken inszenierte
der stereotype, brachiale Hu-
mor explizitoder implizit stets
den Bruch mit Political Cor-
rectness.Witzegegen Frauen,
Homosexuelle oder ethnische
Minderheiten erfüllten dieses
Bedürfnis nach Psychohygie-
ne und ermöglichten gleich-
zeitig, die Mitte der Gesell-
schaft als Publikumzubinden,
die sich im blinden Fleck des
spöttischen Fernsehblickes be-
fand. Die späten 1990er-Jahre
sahendemnacheineZunahme
der ethnischen Comedy: Rajiv Prasad in der
Schweiz (ab 1998), Ali G. in England (2000),
Stefan und Erkan (2002–2004) oder Kaya Ya-
nar in Deutschland (ab 2001) oder eben Frau
Mgubi sind nur einige Charaktere dieser eth-
nisch-humoristischen Landschaft Europas.
Ich argumentiere, dass diese Comedys,
ohne es allenfalls zu wollen, die Anti-PC-Po-
sitionen der Neuen Rechten in der Mitte der
Gesellschaft salonfähig gemacht haben. Die
Macher dieser Comedy, deren Fans und Ver-
fechter waren oft keine Rechtswähler – oft
geradenicht. Gerade im Fall vonViktors Spät-
programm, das im Jahr 2000 vonder EKRwe-
gen Verbreitung rassistischer Stereotype im
Fall der Figur Rajiv Prasadgerügtwurde, rich-
tete sich der Spott sowohl gegen die angeb-
lich humorlose Kritik der EKR als auch gegen
die SVP, deren Nationalrat ChristophMörgeli
Das grenzüberschrei-
tendeundutopische
Potenzial desHumors
wird sofort ins
Gegenteil verkehrt,
wenndieAmbivalenz
des Humors für die
politische Selbstver-
gewisserungder
Dominanzgesellschaft
genutztwird.
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