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Humor, Satireund Ironie
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L’humour, la satire et l’ironie
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Umorismo, satira e ironia
RolledesHumors inderGesellschaft
Le rôlede l’humourdans la société
Il ruolodell’umorismonella società
SemihYavsaner (aliasMüslüm) imGesprächmit Shpresa Jashari |Die humoristische ErziehungdesMenschen
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12/2014
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TANGRAM 34
Ja, das ist jawahrscheinlich auch die Kraft
der Komik, die oft unterschätzt wird. Es geht
um die Wertvorstellungen, die uns mitge-
geben wurden, unsere Identität, aufgrund
deren wir nachher auch andere ausgrenzen.
Ich versuche das alles auf dasWesentliche he-
runterzubrechen: Es gibt keineGrenzenmehr,
jeder erkennt sich darin wieder, es geht um
etwas Urmenschliches.
Dasheisst, auchLeuteohneMigrationshin-
tergrunderkennen sich inMüslümwieder?
Ja, genau. Klar agiere ichausdiesem Immi-
grantending heraus, aber auch der Schweizer
erkennt inMüslüm seine menschliche Seite –
und manchmal vielleicht auch die eigenen
Vorurteile.
Geben Sie sich anders, wenn Sie vor einem
«Schweizer» Publikum spielen als vor einem
«ausländischen»?
Ja. Ich habe letzthin zum Beispiel die
Bund-Essay-Preisverleihung moderiert, wohl
fast ausschliesslich vor Schweizer Publikum.
Und es kam eine Ironie ins Spiel, die bei den
Ausländern so nicht stattfindet. Irgendwie
verstehen sie es nochmal aus einem anderen
Blickwinkel, wahrscheinlich aufgrund der
existierenden Vorurteile. Das hat etwas von
einem befreienden Rausch. Auf der anderen
Seite, wenn ich jetzt ausschliesslich ausländi-
sches Publikumhabe, sagenwirmal irgendwo
ineinemTürkenclub, dannprobiere ich schon,
aus denHerzender Türken indiesem Land zu
sprechen.
Ihre Komik greift auf bestimmte stereo-
typeBilder undKlischeevorstellungen zurück.
Birgt das nicht dieGefahr, damit entsprechen-
de Vorurteile bei den Leuten zu verstärken,
statt sieabzubauen?
Ich denke, dass Süpervitamin überhaupt
nicht Klischee ist. Müslüm trägt zum Beispiel
einen pinkfarbenenAnzug, was nicht gerade
Semih Yavsaner ist 1979 in Bern geboren,
wohin seine Eltern Anfang der 1970er-Jahre
aus der Türkei migriertwaren. Praktisch über
Nacht errang er als Music-Comedian mit der
Figur des «Müslüm»Kultstatus.
Auf den ersten Blick das Klischee des un-
gehobelten, behaarten und aggressiven Ma-
cho-Türken erfüllend, verbreitet Müslüm je-
docheine Liebesphilosophie.
Herr Yavsaner, wie ernst nehmen Sie sich
selber?
Wenn du auf die Bühne willst, wenn du
Music-Comedy machen willst, dann darfst
du dich selbst ja nicht zu ernst nehmen. Du
musst selber über dich lachenkönnen, umdas
überhaupt zumachen. Es gibt ja dieses hart-
näckigeBild vomunnahbarenAusländer, vom
perfektenTürken,mit StolzundEhreund so –
und dann ist es, wie wenn ein Vorhang fällt:
DerTürke istaufeinmal liebundgibtauch sei-
ne Fehler zu.
Ihre Figur Müslümmacht sich auch lustig
über seineneigenen Stolz ...
Genau. Ich denke, wenn du dich selber
nicht mehr so ernst nimmst, wenn du mehr
das Kollektiv siehst und nicht nur dich selber,
dann kannst du andere ansteckenmit diesem
Gedanken.
Sie meinen, dass der Funke auf andere
überspringt und diese so auch eher über sich
selber lachen können?
Diehumoristische ErziehungdesMenschen
SemihYavsaner (aliasMüslüm) imGesprächmit Shpresa Jashari
©müslüm.ch