TANGRAM 34 Bulletin della CFR Dicembre 2014 - page 45

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Humor, Satireund Ironie
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L’humour, la satire et l’ironie
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Umorismo, satira e ironia
RolledesHumors inderGesellschaft
Le rôlede l’humourdans la société
Il ruolodell’umorismonella società
Shpresa Jashari imGesprächmit Urs Güney | Humormussman ernst nehmen
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12/2014
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TANGRAM 34
Worin unterscheidet sich die geschickte
Subversion der Stereotype vom platten rassis-
tischenWitz?
Lachen ist immer auch bewerten. Die
Frage ist nun, was durch die Lacheinladung
sanktioniertwerden soll. Lachenwir über An-
dersartigkeit als solche, werten wir diese als
läppisch und anormal ab. Bewerten wir mit
dem Lachen dagegen das Gerümpel in unse-
remKopf, dasuns einebestimmteEigenschaft
oder Handlungsweise als Normabweichung
ansehen lässt, ist dies eine feine Kritik am
Ordnungssystem.Natürlicher-
fordert Letzteres eine genau-
ere Reflexion der möglichen
Wahrnehmungen des Gegen-
übers und ein grösseres hu-
moristisches Talent.
Wo findet Komik in der
Migrationsgesellschaft statt?
Überall. Ausser vielleicht
in Gerichtssälen. Unernst ist ein Modus des
Sprechens, denman nicht nur in denMedien
und auf Kleinkunstbühnen findet, sondern
amMittagstisch, bei der Arbeit, inder Schule.
InformelleSituationen sind fürHumorprädes-
tiniert. Er ist aber auch ein reizvolles Mittel,
formelle Situationen zudurchbrechen.
Auf Youtube kann – imGegensatz zu Zei-
tungenund Fernsehen – jeder zum Produzen-
tenwerden. HabendieneuenMediendieKo-
mik verändert?
Durch diese Demokratisierung der Medi-
enproduktion finden Junge viel leichter Zu-
gang zurÖffentlichkeit. DieKanäle fungieren
als Übungsfeld und lassen Markttauglichkeit
erkennen. BabaUslender hatmit Rap-Produk-
tionen, die mit Stereotypen spielen, in der
Schweiz ein grosses Publikum gefunden. Teil
der Jugendkultur ist auch das Genre der Syn-
chronisationen: Dabei werden bekannte Sen-
dungen wie Pingu mit einem harten «Jugo-
Aber es besteht auch die Gefahr, dass Ste-
reotype reproduziert und verfestigtwerden?
Natürlich.
Blackfacing
,wieesdurchMinst-
rel Showsbekanntwurde, oderdie stereotype
ÜberzeichnungvonAusländern imFilmhaben
bestimmt diese Wirkung. Denselben Effekt
sehe ich, wenn auf einer Party nach einigen
Gin Tonics plötzlich alle in Balkansprech ver-
fallen. Das irritiertmich zuweilen. Parodieren
Angehörige der Ingroup, also der dargestell-
ten Gruppe, ein bestimmtes Verhalten, kann
dies aber auch eine inkludierende Wirkung
haben. Das ständige Swit-
chen zwischen verschiedenen
Normsystemen bietet ihnen ja
auch eineMengeMaterial für
Parodien. Letztlich ist es aber
eine Frage von Machtverhält-
nissen und Hierarchien, und
diese können auch entlang
anderer als kultureller Grenz-
linien verlaufen.
Wer darf inderMigrationsgesellschaftmit
wemworüber lachen?
Politisch korrekt wäre vielleicht folgen-
des Modell: Gesellschaftlich Schwache dür-
fen über sich selbst lachen und auch über die
gesellschaftlich Starken, Starke jedoch nicht
über Schwache. Dabei kommt es aber schlicht
auchaufdieQualität anundaufdieStossrich-
tung der Scherzenden. Humor kann durchaus
gemeinschaftsstiftend sein, er wird allerdings
oft auch verharmlost. Sicher ist es positiv,
wennaneinemTischgemeinsamgelachtwird.
Aberwer sitzteigentlichmitamTischundwer
nicht? Die konkrete Konstellation beeinflusst
dieKomik, die zumBestengegebenwird. Auf
dem Schulhof sieht man sehr deutlich, dass
Lachen auch Exklusion bedeutet. Erwachsene
organisierendas subtiler.
Der Scherz bietet
den Schutz,
hinter das Gesagte
wieder zurücktreten
zukönnen.
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