TANGRAM 34 Bulletin della CFR Dicembre 2014 - page 40

40
Humor, Satireund Ironie
|
L’humour, la satire et l’ironie
|
Umorismo, satirae ironia
RechtlicheGrenzen
Les limitesposéespar ledroit
I limiti posti dal diritto
TANGRAM 34
|
12/2014
| Doris Angst | Humor – für wen, gegenwen?
Schliesslich ging die EKR im Jahr 2000 ei-
ner gezielten Provokation auf den Leim, als
Nationalrat Christoph Mörgeli in einer Ko-
lumne forderte, sie solle anstatt sichmit ver-
meintlich antisemitischen Fasnachtsversen zu
befassen, besser den Satiriker Victor Giacob-
bo für die von ihm geschaffene Kunstfigur
des «Rajiv»
7
als geldgierigen und sexistischen
Asiaten «wegen fortgesetzter Beleidigung
indischer Mitmenschen vor
Gericht bringen». National-
rat Mörgeli gelang damit ein
Coup gegen seine beiden
politischen Feinde, denn die
Medien wollten umgehend
von der Kommission wissen,
wie sie den «Fall» beurteile,
und von Viktor Giacobbo, ob
er sichdenn in seiner künstle-
rischen Freiheit von Beamten
einschränken lasse.
8
Die Kommission gelang-
te zur Meinung, dass hier nicht
eine
Ethnie
in ausgrenzend-rassistischer Absicht verun-
glimpft werde, sondern Giacobbos satirisches
Personenkarussell von vielen weiteren über-
zeichneten Figuren besetzt sei, man denke
nur an die stark sexistisch karikierte Debbie
Mötteli und den Proleten Harry Hasler, ganz
zu schweigen von amtierenden Parteipräsi-
denten und Bundesräten. Dennoch schätzte
die EKR die Überzeichnung von «Rajiv» als
extrem ein – Menschen aus Indien könnten
sich durchaus von der Figur herabgewürdigt
fühlen. In der Folge, aber erst nachdem er
auchdieKommissionmit seiner Satire«aufge-
spiesst» hatte, liess Giacobbo «Rajiv» in leicht
gemässigter Form auftreten. Zu wenig, muss
man im Rückblick sagen, reflektierte die EKR
damals das angewandte
Blackfacing
, die kari-
kierende Darstellung einer schwarzen Person
durch eine Weisse, das in einen postkolonia-
lenKontext gehört. Dieswar 2013anders: Bir-
git SteineggersDarstellung von«FrauMgubi»
mit
Blackfacing
imSchweizerFernsehen inAn-
bei der in der Schweiz geführten Auseinan-
dersetzung um die Freiheit der Satire an sich.
Die EKR schilderte in ihrer Studie «Mehrheit
und muslimische Minderheit in der Schweiz»
2006 die öffentliche Debatte dazu und zi-
tierte unter anderem die Stellungnahme des
Schweizer Presserats. Dieser hielt fest, aus der
«Erklärungder PflichtenundRechteder Jour-
nalistinnenund Journalisten» sei einAnspruch
religiöser Gemeinschaften ab-
zuleiten, nicht in ihrer religiö-
senÜberzeugungverhöhnt zu
werden. Es gehöre aber auch
zur westlichen Medienethik,
dass sich alle Religionen und
deren Mitglieder Karikaturen
gefallen lassen müssten. Der
Schweizer Presserat sprach
sich für die künstlerische Frei-
heit der Kritik an mächtigen
Personen und Institutionen aus und führte
Beispiele heftiger Kritik auch an solchen des
Christentums an. DieGleichsetzung von Islam
und islamistischem Terrorismus sei hingegen
in ihrer Pauschalisierungdiskriminierend.
6
Politische Provokation
Als geschmacklos und fremdenfeindlich,
abernicht als strafrechtlich relevant, stuftedie
Staatsanwaltschaft Zürich 2011 ein Flugblatt
mit einem Politrätsel der Schweizer Demokra-
ten SD des Kantons Zürich ein. Auf die Frage,
genauer Feststellung«Es istauch für siebesser,
auf ihremKontinent zubleiben»wardasWort
«Neger» einzusetzen. Der Entscheidwar kon-
sistent mit der gerichtlichen Praxis, dass die
alleinige Verwendung der Bezeichnung «Ne-
ger» keine Rassendiskriminierung darstellt.
DieEKRwar allerdings derMeinung, dass hier
die rassistische Absicht klar gegeben war –
wurdedochdiesemBegriff «dieWeissen»und
ein «weisses Zürich» als positiverWert gegen-
übergestellt und das Ganze als politische Pro-
vokationundWahlpropaganda veröffentlicht.
Zuwenig,muss
man imRückblick
sagen, reflektierte
die EKRdamals
das angewandte
Blackfacing
.
1...,30,31,32,33,34,35,36,37,38,39 41,42,43,44,45,46,47,48,49,50,...118
Powered by FlippingBook