TANGRAM 34 Bulletin della CFR Dicembre 2014 - page 34

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Humor, Satireund Ironie
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L’humour, la satire et l’ironie
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Umorismo, satirae ironia
RechtlicheGrenzen
Les limitesposéespar ledroit
I limiti posti dal diritto
TANGRAM 34
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12/2014
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TarekNaguib
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Recht § einfach kompliziert · Rassismus, Sexismus, Ableism etc. in der Comedy
führen, zwischen den Völkern und Rassen-
oder Volksgruppen Verständnis, Duldsamkeit
und Freundschaft zu fördern» (Art. 7). Auch
die Frauenrechtskonvention CEDAW fordert
vonden Staaten,wirksameMassnahmen«zur
Beseitigung vonVorurteilen»gegenüber dem
«einen oder anderen Geschlecht» und gegen
die «stereotype Rollenverteilung von Frau
undMann» zuergreifen (Art. 5a). Ebenso ver-
pflichten sich die Vertragsstaaten der UNO-
Behindertenrechtskonvention (ICRPD) zu
sofortigen, wirksamen und geeignetenMass-
nahmen, «um Stereotype, Vorurteile (...) ge-
genüberMenschenmit Behinderungen (...) zu
bekämpfen» (Art. 8Abs. 1b).DieMassnahmen
sind«auf allenGebieten»und«inallenBerei-
chen des Lebens» zu treffen, «insbesondere
auf politischem, sozialem, wirtschaftlichem
undkulturellemGebiet» (Art. 3CEDAW).
Zentral ist, dass dieMassnahmenhegemo-
nialeDiskurseundDominanzadressieren (vgl.
Beitrag Jain). Eine rechtsstaatlich orientierte
und menschenrechtlich fundierte staatliche
Förderung einer kritischen Auseinanderset-
zung mit Satire ist da unentbehrlich, wo sie
Diskriminierung begünstigt. Dominanz- und
hegemonietheoretisch orientiert heisst dies:
Wo Comedy und Satire Vorurteile in den
Köpfen der Dominanzgesellschaft und gesell-
schaftliche Stereotype wiederholt, die diese
Vorurteile begünstigen, ist der Rechtsstaat
in der Pflicht. Dies gilt prinzipiell, das heisst
unabhängig davon, ob die «Comedy» oder
«Satire»hetzerischoder herabsetzend formu-
liert ist und damit auchVerbote verletzt oder
vielmehr im subtilenDeckmantel des Humors
daherkommt. Denn Diskriminierung bezeich-
net in den kritischen Rechts- und Sozialwis-
senschaften «Praxen von Stigmatisierungund
struktureller Ausgrenzung von gesellschaft-
licher Teilhabe» (s. Liebscher et al., 2012). Im
Kern bezeichnet der Forschungsstrang Diskri-
minierung als problematisch, weil sie gesell-
adressiert, das heisst zueiner strukturellenHi-
erarchisierung führt. Sowäre zuuntersuchen,
ob ein Stereotyp in der Satire sich über eine
Gruppe lustig macht, die in der Gesellschaft
eine dominante und eine stigmatisierte Posi-
tion einnimmt. So schreibt etwa der Mgubi-
Sketch von Birgit Steinegger über die rassisti-
sche Tradition des
Blackfacing
das rassistische
Narrativ der schwarzen Frauen als randstän-
dig und dümmlich fest. Damit zementiert
sie ein rassistisch-koloniales Stereotyp, das
für Schwarze, insbesondere schwarze Frau-
en, konkrete rassistische Diskriminierungen
sexistischer Prägung im Alltag fördern kann
unddie rassistische Stratifikationperpetuiert.
Eine formelle Sanktionierung allerdings wür-
de auch im Fall Steinegger einen unverhält-
nismässigen Eingriff in die Meinungsfreiheit
bedeuten. Allerdings verletzt der Beitrag das
Verbot der Diskriminierung insofern, als es
zur Hierarchisierung zwischen weissen und
schwarzen Menschen in der Gesellschaft bei-
trägt. Somit wäre es angebracht, im Rahmen
eines Verfahrens gegen derartige rassistische
Comedy vor der Ombudsstelle bzw. der UBI
einekritischeAnmerkunganzuführen, dieauf
das Risikoder Zementierung von rassistischen
Dominanzverhältnissenhinweist.
Die rechtlichgebotenePflicht,
vor diskriminierender Äusserung
zu schützen
Einerseits ist eine straf-, zivil- und polizei-
rechtliche Intervention gegen die Meinungs-
äusserungsfreiheit bei Satire, in welcher dis-
kriminierende Stereotype verwendetwerden,
regelmässig nicht begründet. Andererseits
gebieten es die Grund- undMenschenrechte,
dass Vorurteile, die zu Diskriminierung füh-
ren, bekämpft werden: Gemäss UNO-Antiras-
sismuskonvention ICERD verpflichten sich die
Vertragsstaaten, «unmittelbareundwirksame
Massnahmen (...) zu treffen, um Vorurteile
zu bekämpfen, die zu Rassendiskriminierung
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