TANGRAM 34 Bulletin della CFR Dicembre 2014 - page 32

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Humor, Satireund Ironie
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L’humour, la satire et l’ironie
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Umorismo, satirae ironia
RechtlicheGrenzen
Les limitesposéespar ledroit
I limiti posti dal diritto
TANGRAM 34
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12/2014
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TarekNaguib
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Recht § einfach kompliziert · Rassismus, Sexismus, Ableism etc. in der Comedy
Beschimpfung wegen ihrer Zugehörigkeit zu
einer besonderen Gruppe könnten genügen,
um behördliches Eingreifen zu rechtfertigen
(s. Vejdeland-Entscheidung). Dabei sind insbe-
sondere sensible Räume wie die Schulen für
Kinder und Jugendliche besonders zu schüt-
zen.
In diesem Sinne formulieren verschiede-
ne Straftatbestände im Strafgesetzbuch Ver-
bote der diskriminierenden Hetze (Art. 261
bis
StGB/171c MStG). Dazu zäh-
len neben der diskriminie-
renden Beschimpfung und
Herabsetzung (Abs. 4 Halb-
satz 1) einer oder mehrerer
individualisierter Personen
etwa der Aufruf zu Hass, der
Aufruf zur Diskriminierung
(Abs. 1), die Verbreitung ras-
sistischer Ideologien (Abs. 2)
gegenüber bestimmtenGrup-
pen von Menschen und die
Leugnung, Verharmlosung
und Rechtfertigung von Ge-
noziden (Abs. 4 Halbsatz 2)
(Naguib et al.: 2014). Dieudonné hat diese
Grenze zur Hetze regelmässig überschritten.
Sowohl die Darstellung der Gaskammern als
verständlicher Umgang mit den Juden als
auch die Erklärung, Juden seien als Banker
moderne Sklaventreiber, ist eine zutiefst an-
tisemitische und zugleich hetzerische Äusse-
rung. Eine strafrechtliche Verurteilung wäre
begründet und geboten, wenn er die Äusse-
rung inderSchweizgemachthätte.Dochauch
wenn sein Verhalten darauf schliessen lässt,
dass er immer wieder gewillt ist, diese Gren-
ze auszureizen, war die präventive Unterbin-
dung seiner Auftritte bis anhin unverhältnis-
mässig, wie etwa das Bundesgericht im Jahre
2010 entschieden hatte (Urteil 1C_312/2010
v. 8.12.2010). Sie ist nicht erforderlich, weil
mit der strafrechtlichen Sanktionierung ex
Meinungsflussesbedürfeneinerqualifizierten
Begründung:Diesemuss sachlichgebotenund
verhältnismässig sein, das heisst in Bezug auf
das angestrebte Ziel geeignet, erforderlich
und zumutbar sein (s.Müller/Schefer, 2008).
Das strafrechtlicheVerbot der
diskriminierendenHetze
Ein (insbesondere strafrechtlicher) Eingriff
aufgrund einer stereotypen bzw. diskriminie-
renden Äusserung ist aus menschenrechtli-
cher Perspektive erst zulässig,
wenn die Äusserung als «Ein-
treten für nationalen, rassi-
schen oder religiösen Hass,
durch das zu Diskriminierung,
Feindseligkeit oder Gewalt
aufgestacheltwird»zuqualifi-
zieren ist (Art. 20Abs. 2UNO-
Pakt II). DieHürden sindhoch:
«Jede Verbreitung von Ideen,
die sich auf die Überlegenheit
einer Rasse oder den Rassen-
hass gründen, jedes Aufrei-
zen zur Rassendiskriminierung
und jedeGewalttätigkeit oder
Aufreizung dazu gegen eine Rasse oder eine
Personengruppe anderer Hautfarbe oder
Volkszugehörigkeit» kann und soll als straf-
bare Handlung bezeichnet werden. Analog
dazudürfenauchanderweitigdiskriminieren-
deÄusserungen (Sexismus usw.) rechtlich erst
dann unterbunden werden, wenn durch sie
ein hetzerisches Klima gefördert bzw. wo zu
Hass aufgerufenwird, wo zuDiskriminierung
aufgerufen wird oder wo rassistische Ideolo-
gien ineinerWeise verbreitetwerden, die sol-
che Hassgefühle auslösen können bzw. dazu
aufgestacheltwird (Naguibet al., 2014).Diese
Anstachelung zu Hass setzt nach Ansicht des
EGMR nicht notwendigerweise voraus, dass
zu Gewalt oder strafbaren Handlungen auf-
gerufen wird. Auch Angriffe auf Menschen
durch Beleidigung, Lächerlichmachen oder
Anderweitig
diskriminierende
Äusserungendürfen
rechtlicherst dann
unterbunden
werden, wenn sie
einhetzerisches
Klima fördern.
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