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Humor, Satireund Ironie
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L’humour, la satire et l’ironie
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Umorismo, satira e ironia
RechtlicheGrenzen
Les limitesposéespar ledroit
I limiti posti dal diritto
TarekNaguib
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Recht § einfach kompliziert · Rassismus, Sexismus, Ableism etc. in der Comedy
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12/2014
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TANGRAM34
(...) aber genug von den Bayern» zurückge-
holt (
Youtube,
2014).
... durch verwaltungsrechtlichunter-
stützte Pluralisierung
Freilich, die Vielfalt von Stimmen in der
Satire, die sich gegen Stereotype wenden,
rechtlich zu unterstützen, ist eine Heraus-
forderung. Allerdings bietet etwa das Bun-
desgesetz über Radio und Fernsehen hierzu
eine Grundlage. Gemäss Art. 4 RTVGmüssen
konzessionierte Programme von Radio und
Fernsehen in der Gesamtheit ihrer redaktio-
nellen Sendungen die Vielfalt der Ereignisse
und Ansichten angemessen zum Ausdruck
bringen. «Ansichten angemessen zum Aus-
druck bringen» bedeutet, auch marginali-
sierte, stigmatisierte Stimmen darstellbar zu
machen. Dabei reicht es allerdings nicht aus,
sie unter der hegemonialen Kontrolle von
Seilschaften
weisser
Herrschaften in Sendun-
gen wie
Giacobbo/Müller
zum Klingen zu
bringen. Interessantwäre vielmehr eine Stim-
me der Diaspora, etwa eineweibliche, die in
ihrer eigenen Satiresendung, zum Beispiel
am Montagabend auf dem Kanal von SF1
die rassistischen und sexistischen Narrative
der Sendung
Giacobbo/Müller
auf die Schip-
penimmt. Zwar riskierenwirdamit auch, dass
dieSatiregleichzeitigkosmopolitischund ras-
sistisch sein kann (vgl. auch Beitrag Jain). Ob
dies dann tatsächlich zur Dekonstruktion von
rassistischen Mustern führt oder nicht bzw.
sie sogar bestätigt, ist nicht prognostizierbar.
Allerdings geht es hier ebenso um die Ver-
antwortungdes Verwaltungsrechts, Pluralität
auf allen Hierarchiestufen der strategischen
undoperativenLeitungvonRedaktionenund
Kommentator_innen zu schaffen. Dies istmit
der Möglichkeit verbunden, Andersbilder zu
kreieren, durch andere Produzent_innen, Re-
daktionsleiter_innen, Satiriker_innenusw.
schaftlichen Strukturen, Diskursen und damit
Fremd- und Selbstzuschreibungsprozessen
machtvoll eingeschrieben ist. Diskriminierung
ist des Weiteren eng mit der Frage der Stig-
matisierung verbunden: «Es ist die Produkti-
on und Perpetuierung von Stigmas, auf die
Antidiskriminierungsrecht reagieren muss»
(Solanke, 2009). Daher ist Benachteiligung
von mächtigen oder zumindest nicht ohn-
mächtigen Gruppen weniger problematisch
als Diskriminierungdermachtlosen.
Grundsätzlich stehen dem Recht zwei In-
strumentezurVerfügung, umproaktivaufDis-
kriminierung in Comedy und Satire zu reagie-
ren: erstens die Mobilisierung der Gegenrede
und zweitens dieHerstellung vonPluralität.
Mobilisierung vonGegenbildern ...
Damitproduktiv indiskriminierendeSatire
interveniert werden kann, braucht es einer-
seits die Mobilisierung von gesellschaftlicher
Akzeptanz gegenüber demAnliegen der Kri-
tik an diskriminierender Satire. Andererseits
ist es notwendig, rassistische, sexistische, ab-
leistische, ageistischeBilderusw. inderCome-
dy auf subversiveWeise zu konfrontieren, sie
alsdiskriminierendzumarkierenundermäch-
tigende antistereotype «Gegen-», «Neu-»
und«Anders-»Bilder zukreieren. EinBeispiel
hierfür ist etwadie vonder
heuteshow
, einer
deutschen Satiresendung, inszenierteDarbie-
tung des türkischstämmigen Deutschen Ser-
dar Somuncu. Dieser nimmt in der Sendung
vom 30. März 2014 den antitürkischen und
antiziganistischen Diskurs der bayerischen
CSU auf die Schippe, was ihm dadurch ge-
lingt, dass er das Publikum raffiniert auf die
falsche Fährte führt. Es wähnt sich zuerst im
Unbehagen auf dem Pfad des rassistischen
Narrativs der Rückständigkeit von Türken,
Romaund Sinti undwirddann auf subversive
Weise mit denWorten «strunzdumme Land-
bevölkerung, die immer dieselbeParteiwählt