TANGRAM 34 Bulletin der EKR Dezember 2014 - page 31

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Humor, Satireund Ironie
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L’humour, la satireet l’ironie
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Umorismo, satira e ironia
RechtlicheGrenzen
Les limitesposéespar ledroit
I limiti posti dal diritto
TarekNaguib
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Recht § einfach kompliziert · Rassismus, Sexismus, Ableism etc. in der Comedy
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12/2014
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TANGRAM34
Zumutung unterworfen werden, das Stigma
als Bedingung der – prekären – «Zugehörig-
keit» zur Gemeinschaft zu akzeptieren oder
beiWiderspruchganz ausgeschlossen zuwer-
den. Was die Kritiker_innen jedoch riskieren,
ist, als humorlose Spiesser_innen, «politisch
korrekte»Moralist_innen oder gar Zensurist_
innen disqualifiziert und dem Vorwurf aus-
gesetzt zu werden, der «Sache des Kampfes
gegen Diskriminierung einen Bärendienst zu
erweisen».
Wie sieht nun ein rechtsstaatlich verant-
wortungsvoller Umgang mit Comedy, die
mit diskriminierenden Stereotypen «spielt»,
aus? Es liegen zwei zentrale Rechtsgüter in
der Waagschale der Justitia: Auf der einen
Seite besteht die Freiheit, sich willkürlich zu
äussern, völker- und verfassungsrechtlich
als Meinungsäusserungsfreiheit – hier auch
Kunstfreiheit – bezeichnet. Auf der anderen
Seite besteht das Gleichheitsgebot, bzw. das
Gebot, Menschen vor Äusserungen zu schüt-
zen, durchdie sie in ihrer Gleichwertigkeit als
individuelleWesen auf diskriminierendeWei-
se herabgesetzt werden, völker- und verfas-
sungsrechtlich auch Diskriminierungsverbot
genannt.
Die rechtlichgeschützte Freiheit, sich
diskriminierend zu äussern
Der freie Fluss der Meinung – unter ande-
remderMeinungder Kunst – ist unentbehrli-
cher Bestandteil dermenschlichen Entfaltung
und damit als Menschenrecht geschützt. Der
Respekt vorMeinungsäusserung istVorausset-
zung für einenungehinderten Fluss von Infor-
mationen, Meinungen und Wirklichkeitsdeu-
tungenunddamit das Salz inder Suppe einer
funktionierenden Demokratie. Dazu zählt
auch die (politische) Satire. AlsMeinung (und
Kunst)geschützt sindÄusserungen, «quiheur-
tent, choquent ou inquiètent», auchwenn sie
diskriminierend sind. Einschränkungen dieses
verschiedenen stereotypen Mustern unter-
worfen, wie die Comedy-Einlage von Alexan-
der Tschäppät zeigt: Während des Auftritts
in «Das Zelt» am 12. Dezember 2013 präsen-
tierte er einen «Italienerwitz». Einführend
zitierte er aus einer ehemaligen Fiche: «Bei
S soll es sich um einen eingebürgerten Nea-
politaner handeln, der etwas unter die Lupe
genommen werden sollte. Auffallend seien
die vielen Nebenbeschäftigungen des S», um
danach mit folgenden Worten weiterzufah-
ren: «Jetzt seid ehrlich, ein Neapolitaner mit
zu vielen Nebenbeschäftigungen. Könnt ihr
euch das vorstellen? Ein Südländer, der zuviel
arbeitet («chrampfe»)? Das ist doch per se so
widersprüchlich, als würde ich sagen, es gebe
einen sympathischenMörgeli, oder?»; und er
geht noch weiter: «Übrigens, wisst ihr, wieso
die Italiener so klein sind? Weil die Mutter
stets sagt, wenn du mal gross bist, musst du
arbeiten ... So viel zu den Südländern (...)».
(s.
, 2013)
InComedy intervenieren:
eine rechtsstaatlicheGratwanderung
Wo liegt der gesellschaftspolitische Kon-
flikt? Einerseitsmöchten jene, diegerneherz-
haftüberdiskriminierendeStereotype lachen,
nicht als rassistisch, sexistisch, behinderten-
feindlichundheterosexistischbzw.homophob
und trans*phob gelten. So ist es doch nicht
ernstgemeint,wasdagesagtwird. Lachenbe-
freie, entlaste, schaffe Distanz zu Problemen,
helfe, Irritationen zu überwinden, und hin-
terlasse in uns ein Gemeinschaftsgefühl. An-
dererseits besteht der Anspruch derjenigen,
die diskriminierende «Comedy» auch jenseits
intentional-ideologischer Diskriminierung als
problematisch kritisieren bzw. sich dagegen
zurWehr setzenmöchten, in ihrer Kritikernst
genommen zuwerden. Weil in dieser Art der
Comedy Menschen von der lachenden Ge-
meinschaft herabgesetzt und ausgegrenzt
werden, indem siedarin stigmatisiert undder
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