TANGRAM 34 Bulletin der EKR Dezember 2014 - page 33

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Humor, Satireund Ironie
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L’humour, la satireet l’ironie
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Umorismo, satira e ironia
RechtlicheGrenzen
Les limitesposéespar ledroit
I limiti posti dal diritto
TarekNaguib
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Recht § einfach kompliziert · Rassismus, Sexismus, Ableism etc. in der Comedy
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12/2014
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TANGRAM34
und damit die Botschaft, die dem Publikum
vermittelt wird, zu berücksichtigen. Sie quali-
fiziertedieBezeichnung vonUS-Präsident Ba-
rack Obama in der Satiresendung «Zweierlei-
er» vonRadioDRS 1als «N ...»als rechtmässig
(Steiner, 2009). Die Verwendung des Begriffs
«N ...» sei nicht automatischmenschenunwür-
dig, diskriminierend oder rassistisch. Er sei
nicht in seinemeigentlichenmenschenverach-
tenden, diskriminierenden und rassistischen
Sinne verwendet worden. Die Verwendung
des Begriffs stehe in einem
formalen und inhaltlichen Zu-
sammenhang mit der Satire.
Als besondere Form der Mei-
nungsäusserung übersteigere
die Form der Satire die Wirk-
lichkeit, verfremde sie, stelle
sieum, kehrewieder zu ihr zu-
rück, banalisiere sie, karikiere
sie und mache sie lächerlich.
DieUBImerktean,dieVerwen-
dung des Begriffs «N ...» sei
im Rahmen der vorliegenden
Darstellung zweier Schweizer
Touristinnen mit einem be-
schränktenWeltbild und einer
entsprechend kleinkarierten,
stereotypen,widersprüchlichen
und latent rassistischen Geisteshaltung «fast
zwingend erforderlich» gewesen. Dürften
im Rahmen einer Satiresendung nur politisch
korrekte Ausdrücke verwendet werden, wür-
de nicht nur die in solchen Fällen besonders
ausgeprägte Programmautonomie einge-
schränkt, auchwürdedie Satireals Kunstform
viel an Schärfe verlieren.
Der Entscheid der UBI ist im Ergebnis kor-
rekt. Allerdings bedarf es in diesem Fall und
in künftigen Fällen einer genaueren Betrach-
tung der Frage, ob ein im Rahmen der Satire
verwendetes diskriminierendes Stereotyp ein
strukturell verankertes Dominanzverhältnis
post ein (zwar verspätetes) aber weniger ein-
schneidendesMittel zur Verfügung steht, mit
welchem das Ziel der Unterbindung diskrimi-
nierender Hetze vergleichsweise ähnlich ef-
fektiv erreichtwerdenkann.
Eindeutig sind die Situationen bei Tschäp-
pät und Steinegger. Beide haben sich nicht
strafbar gemacht, da siedurch ihreÄusserung
nicht auf nachdrückliche Weise ein feindseli-
ges Gefühl fördern oder zu Diskriminierung
oder gar Gewalt aufrufen
(zurPraxis sieheNiggli, 2007).
Allerdings stellt sich auch
bei nicht hetzerischen, aber
dennoch rassistischen, sexis-
tischen, ableistischen und
anderweitigenVerstössenge-
gen herabsetzende «Ismen»
zumindest theoretisch die
Frage, ob ein verwaltungs-
rechtliches Verbot der Diskri-
minierung verletztwurde.
Das verwaltungsrechtliche
Verbot der Hierarchisie-
rung
Etwas anders gelagert
ist die verwaltungsrechtli-
che Intervention. Sie ist in der Regel weniger
schwerwiegend, da sie nicht mit einer Strafe
verbunden ist. So sieht z.B. Art. 4Abs. 1RTVG
vor, dass Sendungen eines Radio- oder Fern-
sehprogramms nicht diskriminierend seindür-
fen. Damit besteht dieMöglichkeit, auch For-
men der Diskriminierung zu rügen, die nicht
die Schwelleder strafrechtlichdiskriminieren-
den Hetze überschreiten. Dies wiederum gilt
unabhängig davon, welche Absicht der_die
Absender_in mit der diskriminierenden Aus-
sage verfolgt. Gemäss der Unabhängigen
Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen
(UBI) sind für die Beurteilung einer rassisti-
schenBemerkungunter anderemder Kontext
Damit zementiert
sie ein rassistisch
koloniales
Stereotyp, das für
schwarze Frauen
konkrete rassistische
Diskriminierungen
sexistischer Prägung
imAlltagbefördern
kann.
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