TANGRAM 34 Bulletin der EKR Dezember 2014 - page 39

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Humor, Satireund Ironie
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L’humour, la satireet l’ironie
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Umorismo, satira e ironia
RechtlicheGrenzen
Les limitesposéespar ledroit
I limiti posti dal diritto
Doris Angst |Humor – für wen, gegenwen?
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12/2014
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TANGRAM 34
gab das Bild wieder frei und verneinte eine
Herabwürdigung der Menschenwürde durch
das Werk, das sich aus mehreren Komponen-
ten zusammensetze und dem eine künstleri-
sche Absicht zugrunde liege (Grundrecht der
Kunstfreiheit).
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Mehrmals stellte sich die Frage, ob Fas-
nachtsverse ebenfalls von der Kunstfreiheit
gemäss Art. 21 BV profitieren, was generell
bejaht wird. In der Phase der stark antise-
mitisch gefärbten Debatte um die nachrich-
tenlosen jüdischen Vermögen auf Schweizer
Bankkonten im Jahr 1997 wurden aber der
Verfasser und die Vorführenden einer öffent-
lich vorgetragenen Schnitzelbank der Ras-
sendiskriminierung schuldig gesprochen und
mit je 200 Franken gebüsst. Das Gericht be-
urteilte die Verunglimpfung jüdischer religiö-
ser Bräuche, die Verwendung des Topos des
«geldgierigen Juden» und schliesslich die Be-
lustigung über den gelben Stern, das Symbol
der Judenverfolgung, als dieMenschenwürde
verletzendenRassismusgemässArt. 261
bis
Abs.
4 Hälfte 1. Das Gericht befand zudem, eine
fasnächtliche Belustigung sei auch ohne den
inkriminiertenVersmöglich.
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Imgleichen Jahr
stellte ebenfalls imKanton Zürich die zustän-
dige Strafverfolgungsbehörde das Verfahren
gegen einen stark herabsetzenden Fasnachts-
vers, der gegen «Asylbetrüger»gerichtetwar,
ein. Es werde damit keine spezifische Ethnie
oder Religion angegriffen und mit der Be-
zeichnung Asylbetrüger sei klar, dass die Ver-
fasser nur dieseGruppe imVisier hatten.
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MedienethischeÜberlegungen
Der Konflikt um die sogenannten Mo-
hammed-Karikaturen von 2005 wurde zwar
ausserhalb der Schweiz ausgetragen, schlug
aber auch hier hohe Wellen. Obwohl das
Umfeld, inwelchem diese Karikaturen in Dä-
nemark geschaffen wurden, in der Grund-
haltung als rassistisch gelten musste, ging es
Wo hört der Spass auf? Wo hat die Mei-
nungsäusserungs- und Kunstfreiheit ihre
Grenzen? Einige Beispiele der letzten Jahre
gebenAntworten.
Es ist eine Eigenschaft rassistischenVerhal-
tens, humorlos und respektlos zu sein. Rassis-
mus dient laut Definition von Albert Memmi
«der Aufwertung des Täters zu Lasten des
Opfers».
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Humor kann als Mittel der Herab-
würdigung und Unterdrückung eingesetzt
werden, wie wir schon seit des «Stürmers»
Zeiten wissen. Rassistische Witze sollten des-
halb als Rassismus gewertet werden, zumal
wenn diese sich gegen bereits minorisierte
undunterprivilegierteGruppen richten. Inder
sogenannten «Hasspyramide» der Jewish An-
ti-Defamation League ADL wird deshalb der
rassistische Witz als eine Vorstufe zu Diskri-
minierung genannt.
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Selbstironie gegenüber
der eigenenminoritären Situation und in der
Auseinandersetzungmit derMehrheitwiede-
rum kann eineWaffe der Abwehr darstellen.
Der jüdische Witz ist eine solche selbstironi-
sche Reflexion, der «Judenwitz» jedoch anti-
semitische Hetze. Dem Rassismusverbot muss
die rechtlicheBeurteilungdieMeinungsäusse-
rungs- und Kunstfreiheit gegenüberstehen.
Die EKR hatte sich verschiedentlich auch mit
Humoroder vermeintlichemHumor auseinan-
derzusetzen.
StrapazierteKunstfreiheit
1996 hing im Rahmen einer Ausstellung
einBild in einemöffentlichenRestaurant, das
den Kopf der amtierenden Bundesrätin auf
einem nackten Männerkörper mit einer zum
Hitlergruss ausgestreckten Hand zeigte, von
welcher Strahlen auf die Basilius-Kathedrale
flossen. Das Bild wurde eingezogen, von ei-
nem Strafverfahren sah die Strafverfolgungs-
behörde ab, da keine rassistische Absicht
bestanden habe. Die von der Künstlerin im
Rekurs angerufene erste gerichtliche Instanz
Humor – fürwen, gegenwen?
Doris Angst
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