TANGRAM 33 Bulletin de la CFR Juin 2014 - page 7

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6/2014
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TANGRAM33
Editorial
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Editorial
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Editoriale
Editorial
MartineBrunschwigGraf
Präsidentinder EKR
Ist die Schweiz rassistisch?Diese Frage stel-
len die Medien immer wieder in den Raum,
wenn inder Berichterstattung von einem ras-
sistisch motivierten Vorfall die Rede ist. Im
Namender EKR antworte ich jeweils, dass die
Schweiz nicht rassistisch sei, dass jedochunser
Land leider genauso wenig vor rassistischen
Vorfällen, Ablehnung und Vorurteilen ver-
schont istwie andere.
Diese Ausgabe des TANGRAM befasst sich
mit dem «Anti-Schwarzen» Rassismus. Die
EKR möchte damit die Reflexion und Diskus-
sion über eine Form der Fremdenfeindlich-
keit und Diskriminierung anregen, unter der
die Betroffenen häufig im Stillen leiden. Das
Phänomen istnichtneu. ImMärz2000hatdas
TANGRAM diesem Thema bereits eineAusga-
be gewidmet, und in einem Artikel war dort
zu lesen:
«Fremdenfeindlichkeit kann rasch in Ras-
sismus umschlagen und sich zu einer tiefen
Ablehnungentwickeln. ImQuartier LesPâquis
in Genf war auf einem Flugblatt mit der Un-
terschrift Klu-Klux-Klan zu lesen, jeder ‹dre-
ckige Neger› solle in sein ‹Scheissafrika› zu-
rückkehren. Die afrikanischen Asylsuchenden
seien an allen Übeln schuld (Wohnungsnot,
Arbeitslosigkeit, Drogenhandel, Vergewal-
tigungen usw.), und vor allem seien sie auch
daran schuld, dass man sie so gut sehe. Eine
Sichtbarkeit, die nicht nur Schweizer dazu
treibt, eine Trennlinie gegenüber denjenigen
zu ziehen, die anders sind. Unter Afrikanern
ist es heute üblich, zu sagen: ‹Ich bin Afrika-
ner, aber ichbin kein Flüchtling›.»
Auch vierzehn Jahre später sind solche
Statements noch immer aktuell. In der vor-
liegenden Ausgabe des TANGRAM sind viele
ähnliche zu lesen, denn Klischees und Vorur-
teile sind zähund langlebig. Die EKR traf sich
kürzlich mit einigen Organisationen, die sich
für dieBekämpfungdes Rassismus gegenüber
Schwarzen einsetzen. Sie haben über ihre
Feststellungen und ihre Erwartungen, aber
auch über konkrete und praktische Aktionen
berichtet, die das gegenseitige Verständnis
fördern und denjenigen eine Stimme geben,
die sich als Rassismus- und Diskriminierungs-
opfer fühlen. Es muss Orte geben, wo sie Ge-
hör finden, wo sich gewisse Situationen ent-
spannen und andere richtigstellen lassen und
wodas Problembewusstseingewecktwird.
Es darf nicht sein, dass Menschen einzig
auf Grund ihrer Hautfarbe eine Stelle oder
eine Wohnung nicht erhalten. In der Reali-
tät kommt dies allerdings vor, auch wenn es
nur schwer zubeweisen ist. Es darf nicht sein,
dass man in gewissen Blogs, sozialenMedien
oder auf Webseiten von Zeitungen nicht ge-
rade strafbare, aber doch beleidigende und
verächtliche Kommentare lesen kann. Und es
darf auch nicht sein, dass eine französische
und eine italienische Ministerin wegen ihrer
Herkunft und Hautfarbe öffentlich beleidigt
werden.
Und doch gibt es das alles, und doch inte-
ressiert sich die Sozialwissenschaft kaum für
das Thema, wie die EKR bei der Vorbereitung
dieser Ausgabe von TANGRAM festgestellt
hat. Vielleicht bietet diese Ausgabe den An-
lass zu einer vertieften Auseinandersetzung
mit dem Thema.
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