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Humor, Satireund Ironie
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L’humour, la satireet l’ironie
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Umorismo, satirae ironia
RolledesHumors inderGesellschaft
Le rôlede l’humourdans la société
Il ruolodell’umorismonella società
TANGRAM 34
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12/2014
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SemihYavsaner (aliasMüslüm) imGesprächmit Shpresa Jashari |Die humoristische ErziehungdesMenschen
selber in eineGemeinschaft zu integrieren?
SonachdemMotto: Schauther,michgibt’s
auchnoch ...
Ja. Dass man, indemman andere zum La-
chenbringt,Wertschätzungbei diesenfindet.
Sicherlich.
Waren Sie ein Scherzemacher inder Schul-
zeit? Wie ist das entstanden, Ihr komisches
Talent?
Ich denke, wahrscheinlich eben aus dieser
Konstellationheraus,dassmeineElternmirzu-
hause eineWelt aufgezeigt haben, die draus-
sen nicht stattgefunden hat. Wenn ich zum
Beispiel zuhause mit meinen Eltern fernge-
schaut habe, und da ist der Film
Braveheart
gelaufen, der ja wirklich kein Erotikfilm ist,
aber dennoch eine Kussszene beinhaltet. Da
war dann irgendwannwährend des Films die
«eiserne Hand» vornedran. Wir durften nicht
hinschauen, als Mel Gibson die andere da
mal so ganz schüchtern auf die Lippen küsst.
Dannbin ich rausgegangenundwirhabenein
Bravo
-Heftchen genommen, und dann ist da
irgendeine überentwickelte Deutsche zu se-
hen, die scheinbar 14 ist. Und die lichtet sich
selber nackt ab. Oder überhaupt, dass meine
Freunde von ihren Eltern aufgeklärt wurden.
Ich habemitmeinen Eltern nie über Sex oder
sowas geredet. Es wurde schon über Gefühle
gesprochen, aber Sexwar tabu.Wenn all das,
was du daheim diskutierst, was daheim statt-
findet, mit der Gesellschaft hier nicht kompa-
tibel ist, dannentwickelstdueineEnergie, die
wahrscheinlich entweder humoristisch sein
kann oder aggressiv oder intelligent oder ...
Irgendwie sprengt es einen richtig.
Undbei Ihnen ist bei dieser SprengungKo-
mik entstanden ...
Ja, für mich ist das so der Ursprung. Plötz-
lich hatte ich das entdeckt. Humor funkti-
oniert doch so. Er liegt doch im Gegensatz:
türkischer Weihnachtsmann in Erscheinung).
Aber ich versuche, die Dinge längerfristig zu
sehen. Es ist etwas anderes, das mich moti-
viert.
Nämlich?
Es ist eine Intuition.
Was hat dazu geführt, dass Sie in diesem
Geschäft gelandet sind?
Es ist schon einbisschender «Nelson-Man-
dela-Trip», auf dem sich die Müslüm-Figur
befindet. Ich freue mich, wenn ich andern
Freude bereiten kann. Wenn ichmit anderen
Leuten über etwas lachen kann, das ich sel-
ber lustig finde, dann erfüllt mich das. Und,
wie gesagt, der Reiz, Auslöser dafür zu sein,
dass jemand mal einen Tag anders anfängt,
vielleicht ein Muster bricht. Ich finde es sehr
schön, was ichmit dieser Figur machen kann.
Dass ich damit Menschliches in den Vorder-
grund rücken kann.
Welcher Zusammenhangbesteht zwischen
IhrerMigrationserfahrungund Ihrer Tätigkeit
als gesellschaftskritischer Komiker?Wären Sie
auch Comedian geworden ohne Migrations-
hintergrund?
Wenn ich inderTürkeiaufgewachsenwäre?
Oder inder Schweizals StefanMüller.Wel-
che Rolle spielt dabei dieMigration? Braucht
es dieseDoppelposition?
Ja. Ja, genau. Es ist wahrscheinlich eine
Konstellation, die es braucht, damit etwas
Neues passieren kann. Auch wenn ich nicht
weiss, was aus mir gewordenwäre, wenn ich
inder Türkei aufgewachsenwäre.
HerrYavsaner, ichmussteandieSpassvögel
undPausenclowns inmeinerGrundschulklasse
denken, als Sie über die integrativeWirkung
vonHumor auf das Publikum gesprochen ha-
ben. Ist Komik nicht auch einMittel, um sich