TANGRAM 34 Bulletin der EKR Dezember 2014 - page 58

58
Humor, Satireund Ironie
|
L’humour, la satireet l’ironie
|
Umorismo, satirae ironia
RolledesHumors inderGesellschaft
Le rôlede l’humourdans la société
Il ruolodell’umorismonella società
TANGRAM 34
|
12/2014
|
SemihYavsaner (aliasMüslüm) imGesprächmit Shpresa Jashari |Die humoristische ErziehungdesMenschen
und bringst dafür was anderes ins Spiel, das
erst ganz klein ist. Unddumachst es viel grös-
ser, als es eigentlich wäre, du machst es rie-
sig.Wennduerzählst, undeswird richtiggut,
dannkannst du sie für dichgewinnen. Indem
Moment kannst du eine andere Realität ge-
nerieren.
Es ist ein alter Gedanke, durch das Erzäh-
len von Geschichten den Menschen zu erzie-
hen, ihn besser zumachen. Ist das nicht sehr
idealistisch?
Es funktioniert.Du lockst sieherund sagst:
Schau, ich bin der Idiot, ich bin der Vollidiot,
ichmache jetzt genau das, was ihr erwartet!
Hey, ich bin der, zu demman sagt «Fahr ab,
solche Leute wollen wir hier nicht haben.»
Aber nachher gibst du ihnenwieder ein «Zü-
ckerli», und sie denken: Ja, das ist irgendwie
witzig. Dann streust du deine Idee. Dafür
braucht es Intuition und Empathie. Als Mig-
rant habe ichmich zwischen Schweizern und
Ausländernbewegt, ichweiss,wiebeide sind.
IchbindieMitte vondemund kannmichhier
wie dort einfühlen. Ich weiss, wie es beiden
geht –wiees uns geht.
WelcheBotschaft hat dennMüslüm für die
Leute?
EigentlichetwasUncooles: Esgehtumeine
Liebesphilosophie. Diese kann aber, gerade
bei denKids, nur ankommen, weil er cool ist,
einVorbild.Wenn irgendeinHippiedamit an-
kommenwürde oder ich als Semihoder sonst
einNormalsterblicher, dann könnte der lange
predigen, das funktioniert nicht. Aber wenn
einer wieMüslüm das sagt, bekommt die Sa-
cheeineDynamik.
Und die jungen Leute wollen das hören,
liebedeinenNächsten?
Die Ausgangslage dafür ist schlecht, aber
zugleich scheint es genau deshalb zu funkti-
onieren. Es werden Dinge an sie herangetra-
türkentypisch ist. Ich lege sehr viel Wert da-
rauf, mich ja nicht diesem Stereotyp hinzu-
geben. Auch, damit die Figur sich entwickeln
kann.
Inwiefernentwickeln?
Es gibt ja auchBeispiele dafür, wieman es
verhunzen kann. Ich denke da zum Beispiel
an Sascha Baron Cohen: Bei ihm tritt eigent-
lich ausschliesslich Negatives in Erscheinung,
das heisst in den Filmen. Die TV-Show war
da anders konzipiert. Ichfinde nicht, dass die
Kunst darin besteht, Stereotype wiederzuge-
ben, sondern darin, die Figuren ausbrechen
zu lassen aus den Stereotypen. Darin sehe ich
meine Arbeit. Dass man nicht beim Idioten
stehenbleibt, sondern dass der auch andere
Züge zeigt.
Was sinddas für Züge?
Etwa das Spiel mit der Männlichkeit. Äus-
serlich etwa seinpinkfarbener Anzug: Klar ist
das nicht so männlich, aber trotzdem auch
nichtweiblich. Erwirkt irgendwo ziemlichau-
toritär, ist es dannaber dochnicht. Er bedient
sich gewisser «Catch»-Elemente. Es passiert
was, und du weisst nie so richtig in welche
Richtung es geht. Die Absicht dahinter ist,
dass man erst mal hinhört. Und dann streue
ich sie, diese Gedanken, und bringe das Gan-
ze auf diemenschliche Ebene. Aber damit ich
das kann, brauche icheine Fallhöhe. Diemuss
ich also vorher generieren – im besten Fall
humoristisch. Da, woderMensch eine Sympa-
thie entwickelt für diese Figur und du sie an
einebestimmte Idee anknüpfst, an eineüber-
raschende Botschaft, da kannst du irgendwie
eineSynapse«switchen».Dukannst etwas än-
dern, denke ich.
HumorkanndieGesellschaft verändern ...?
... ja, wenn du das Starre, das Stereotype
nachher auflöst. Du kommst eben nicht wie-
der mit diesem Klischee, sondern befreist es
1...,48,49,50,51,52,53,54,55,56,57 59,60,61,62,63,64,65,66,67,68,...118
Powered by FlippingBook