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Humor, Satireund Ironie
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L’humour, la satireet l’ironie
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Umorismo, satirae ironia
RolledesHumors inderGesellschaft
Le rôlede l’humourdans la société
Il ruolodell’umorismonella società
TANGRAM 34
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12/2014
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SemihYavsaner (aliasMüslüm) imGesprächmit Shpresa Jashari |Die humoristische ErziehungdesMenschen
neAhnung vonderen Lebensalltaghaben. Da
hatte ich jadengrossenVorteil, dass ichwirk-
lich aus einem Umfeld komme, wo die Leute
so reden.
Eine Art «Schweizerdeutschtürkisch», wie
Müslüm?
Richtig, ja. Es gibt dazu schonauchein Ste-
reotyp. Aber das ist nicht so weit verbreitet,
nicht so dominant wie das des «Jugos» oder
«Albaners».
Müslüm ist ja auch im albanischenUmfeld
beliebt.
Das geht quer durchs Band vondenNatio-
nalitäten her, überraschenderweise auch von
denAltersgruppenher.
Mich hat etwas anderes besonders über-
rascht:Müslüm/SemihYavsaner isteinMigrant,
der nicht nur in der Schweizer «Mehrheitsge-
sellschaft» angekommen ist, sondern sogar in
der Alternativszene mitmischt. Sie haben da-
mals mit Ihrem Song über den rechtsbürgerli-
chenPolitiker ErichHess einenentscheidenden
Beitrag zum Protest gegen die SVP-Initiative
zur Schliessung der Reitschule beigesteuert.
Und auf Ihrem Album sind auch konsumkriti-
scheTöne zuhören.Wiegehört das für Sie zu-
sammen,MigrationundKonsumkritik?
Müslümhat denZugang zudiesemZielpu-
blikum, das heute damit aufwächst, einfach
nur zu konsumieren. Wie mir bewusst ge-
worden ist, dass ichmit der Figur desMüslüm
eine gewisse Verantwortung trage, erkannte
ich auch die Möglichkeit, bestimmte Dinge,
die inmeinenAugen falsch laufen, zubenen-
nen. Sowie eben das Streben nach all diesen
materiellen Gütern. Und das gilt auch für
den Immigranten, der ja oft überhaupt erst
aus wirtschaftlichen Gründen in die Schweiz
gekommen ist. Und selber genau nach dem
strebt,was ihnhier alsArbeiter inderMangel
hält, wennman sowill.
hier mit denMenschen umgeht, wieviel Frei-
heitwirhaben, und soweiter. Er sprichtdamit
auch den Schweizern aus dem Herzen. Und
wenner sagt «Ich schätze es, dass ichdabin»,
dann sagt er auch, was der Schweizermal hö-
ren möchte, was er sonst kaum je zu hören
bekommt.
Sie hatten ja auch noch andere Figuren,
darunter den Albaner Ovomaltoni und auch
einen Schweizer.Wiehiess der ...?
Der Schweizer hatte immerwieder andere
Namen. Daswar einUltrabünzlischweizer.
Der Schweizer war aber nicht die Figur,
mit der Sie durchstarten wollten. Warum ist
esMüslüm geworden und nicht einer der an-
deren?
Wahrscheinlich ist Müslüm eine Mischung
aus allen. Zwischen diesemAlbaner, dem Tür-
ken und eben auch dem Schweizer: beschei-
den, nicht protzig. Er
cruised
ja auch nicht im
BMW umher, brüllt nicht «Fick deineMami!»
und so ... Es gibt gewisse Ausländerakzente,
die voll imHype sindund imitiertwerden. Bei
der Jahrtausendwende war der albanische
sehr aktuell, auch bei mir. Der war sehr ein-
fach nachzuahmen. Es war ein richtiges Phä-
nomen: Schweizer Schulkameraden haben
wirklich sogeredet. Diehattenkeinenalbani-
schenBackground, haben sich aber anstecken
lassen vondiesem Slang. Und irgendwiehatte
das nichts Einzigartiges.
EinMassenphänomen?
Genau, richtig. Jeder konnte das so ein
bisschen. Man ist nicht wirklich herausgesto-
chendamit.
Sie haben also nach etwas anderem ge-
sucht.
Ja, eben diese Authentizität, diese Identi-
tät, nach der die ganzen Nachahmer suchen,
die selber weder «Jugo» sind, noch irgendei-