TANGRAM 34 Bulletin der EKR Dezember 2014 - page 51

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Humor, Satireund Ironie
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L’humour, la satireet l’ironie
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Umorismo, satira e ironia
RolledesHumors inderGesellschaft
Le rôlede l’humourdans la société
Il ruolodell’umorismonella società
Rohit Jain |Das Lachenüber die «Anderen»: Anti-Political-Correctness als Hegemonie
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12/2014
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TANGRAM34
hang mit dem Civil Rights Movement und
dem Feminismus entstanden, umdiekulturel-
leund sprachlicheDimension von rassistischer
und sexistischer Macht zu kritisieren. Ab den
späten 1980er-Jahren hatte die neokonser-
vative Rechte in den USA begonnen, PC als
Zensur der Meinungsäusserungsfreiheit und
moralische Diktatur zu diffamieren, um libe-
raleundemanzipatorischePo-
sitionen zu
affirmative action
zu schwächen und die weisse
Vorherrschaft zu sichern. In
dieser Form einer Anti-Politi-
cal-Correctness etablierte sich
PC als implizites Feindbild in
den öffentlichen Debatten
der europäischen Migrations-
gesellschaften. In der Schweiz
wurde dieser Diskurs einer
Anti-Political-Correctness bei
der Gründung der Eidgenössi-
schenKommissiongegenRassismus undbeim
InkrafttretenderAntirassismusstrafnorm1995
medial wirksam etabliert und seither weiter-
geführt. Eine besondere Strategie der neuen
Rechten in der Schweiz war es seither, durch
ambivalenten, rassistischen Humor, die schon
strukturell schwachen, antirassistischen Insti-
tutionender Lächerlichkeit preiszugeben.Wir
erinnernuns etwaandieaufmüpfigenNeger-
Zitate des damaligen Parteipräsidenten der
Schweizerischen Volkspartei SVP und heuti-
genBundesrats UeliMaurer im Jahr 2003.
Diese Formierung der neuen Rechten und
des Anti-Political-Correctness-Diskurses war
eng verknüpftmit der Etablierungder Come-
dy als neuem Fernsehgenre. Comedy wurde
von deutschen Privatsendern in den 1990er-
Jahren aus denUSA importiert und sollte an-
gesichts des zunehmendenWettbewerbs auf
dem Privatfernsehmarkt die gesellschaftliche
Mitte ansprechen und Einschaltquoten si-
chern. ImneuenGenre der Comedywurden –
eineBerühmtheit seinkonnte. SchwarzeFrau-
en gehören gemäss dieser auf soziale Typen
ausgerichteten Comedy-Sprache nicht wirk-
lichzurSchweiz, sondernbewegen sichanden
Rändernundbringenden
courant normal
auf
eine vielleicht dümmlich-lustige, aber doch
unschweizerische Art durcheinander. Auf der
Ebene der Darstellung markierte der Sketch
deutlich,wer inder dominan-
ten Lesart zur Schweizgehört
undwer nicht, wer sich selbst
repräsentieren kann undwer
nicht.
Anti-Political-Correctness:
NeueRechteund
ethnischeComedy
Auf geradezu idealty-
pische Weise zeigten der
«Täschligate»-Skandal,
der
Sketch darüber und die De-
batteüberdenSketchdasZusammenspiel von
rassialisiertem Humor einerseits und der Me-
taebenedes Sprechensüber rassialisiertenHu-
mor andererseits.Während die Praxis des ras-
sialisierten Humors die Metapolitik antreibt,
legitimiert dieMetapolitik den rassialisierten
Humor.
DiedoppelteVerquickung vonHumor und
Rassismus ist nun keinhistorischer Zufall oder
Ausdruck künstlerischer Individualität. Sie ist
eingebettet in die Verschiebungen der Me-
dienlandschaft und der Minderheitenpolitik
seit den 1990er-Jahren. Ichmöchte sogar be-
haupten, dass Humor gerade wegen dieser
Metapolitik des Rassismus zu einer strategi-
schen Plattform und Praxis geworden ist, um
die Überlegenheit der Dominanzgesellschaft
gegenüber Minderheiten im Alltag, in den
Medienund inder Politik zu festigen.
Der Begriff der Political Correctness (PC) ist
in den USA der 1960er-Jahre im Zusammen-
Auf der Ebene
der Darstellung
markierteder Sketch
deutlich, wer inder
dominanten Lesart
zur Schweiz gehört
undwer nicht.
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