TANGRAM 34 Bulletin della CFR Dicembre 2014 - page 17

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Giurisprudenza
17
12/2014
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TANGRAM34
gibt mehrere Urteile von kantonalen Recht-
sprechungsorganen, in denen die beschuldig-
ten Personenwegen Zeigen des Hitlergrusses
bestraft wurden, weil der Tatbestand unter
Art. 261
bis
StGBfiel. IndiesenUrteilenwar oft
dieÖffentlichkeit, die zur Erfüllung eines Tat-
bestands nach Art. 261
bis
StGB notwendig ist,
umstritten. Im vorliegenden Fall bejaht das
Bundesgericht die Öffentlichkeit jedoch und
geht nicht näher darauf ein. Es konzentriert
sich lediglich auf die Frage, ob der Beschwer-
deführer mit seiner Gestik nur für sich sprach
oder aber für die nationalsozialistische Ideo-
logie warb. Das Bundesgericht verneint Letz-
teres.DerUnterschiedzuanderenSachverhal-
ten ist, dass dort oftmehrmals der Hitlergruss
gemacht und dazu noch «Heil Hitler» oder
«SiegHeil»gerufenwordenwar. Es kannaber
unseres Erachtens keinenUnterschieddarstel-
len, obman den Hitlergruss nur einmal oder
mehrmals macht und ob man dazu schweigt
oder nicht. Rein rechtlich gesehen hat das
Bundesgericht zwar nicht «falsch» entschie-
den, denn Art. 261
bis
StGB kann nun mal in
dieeineoder andereRichtungausgelegtwer-
den, aber die Begründung des Entscheids ist
nicht überzeugend. Das Bundesgericht hat
sehr oberflächlich argumentiert und gewisse
Punkte gänzlich ausgelassen. Auf das Urteil
folgte starke Kritik und im Parlament wurde
vor kurzem eine Petition eingereicht, die ein
gesetzlichesVerbotdesHitlergrusses verlangt.
Ein Polizist beschimpft einen
Asylbewerber
An der Uhren- und Schmuckmesse in Ba-
sel nahm ein Polizist einen Mann wegen
Verdachts auf Taschendiebstahl fest. Gemäss
Ausweis des Mannes handelte es sich um ei-
nen algerischen Asylbewerber. Der Polizist
beschimpfte denMann lautstark, unter ande-
rem als «Sauausländer» und «Drecksasylant».
Das Bundesgericht hielt dazu fest, dass die
Begriffe«Ausländer»und«Asylant»nur dann
Was ist rassistisch, was nicht?Was gilt als
blosse Beschimpfung, was verletzt die Men-
schenwürde?EinDauerthema, das imvergan-
genen Jahr vermehrt auf Platz Nummer eins
der Presse-Charts stand. Anlass dafür waren
unter anderem zwei Bundesgerichtsentschei-
de und ein Urteil des Europäischen Gerichts-
hofs für Menschenrechte. Die Gerichte ar-
gumentierten, dass es sich in den konkreten
Fällen nicht um Rassismus handle. Die drei
fraglichen Taten sind allerdings Handlungen,
die «der unbefangene durchschnittliche Drit-
te», wie sich das Bundesgericht ausdrückt,
klar als rassistischempfindet.Wiebegründen
die Richter ihre Entscheide und wie sind die
Urteile zubewerten?
Hitlergruss nicht strafbar
Im jüngsten Bundesgerichtsentscheid zu
Artikel 261
bis
des Schweizerischen Strafgesetz-
buches (StGB)
1
geht es um den Hitlergruss,
der in denNachbarsländernDeutschland und
Österreich gesetzlich verboten ist. Ein Mann
streckte anlässlich einer Parteiveranstaltung
auf dem Rütli seine Hand etwa zwanzig Se-
kunden lang zum Hitlergruss aus. Es waren
rund 150 Teilnehmende, mehrere Polizeibe-
amte und unbeteiligte Dritte anwesend. Das
kantonale Obergericht sprach denMann der
Rassendiskriminierung im Sinne von Artikel
261
bis
StGB schuldig. In der Folge beschwerte
sich der Verurteilte beim Bundesgericht, wel-
ches die Beschwerde guthiess. Es begründet
seinen Entscheid damit, dass der Beschwerde-
führer mit seiner Geste nicht habe eine Ideo-
logie propagieren wollen. Aus objektiver Be-
trachtung sei dieGebärdenichtdazubestimmt
gewesen, «über das dadurch allenfalls bekun-
dete eigene Bekenntnis zur nationalsozialisti-
schen Ideologie hinaus werbend unbeteiligte
Dritte für diese Ideologie zugewinnen».
Sowohl im In- als auch imAusland ist die-
ses Urteil aufwenigVerständnis gestossen. Es
KontroverseumRassismus-Rechtsprechung
GiuliaReimannundAlmaWiecken
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