TANGRAM 34 Bulletin della CFR Dicembre 2014 - page 76

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Humor, Satireund Ironie
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L’humour, la satire et l’ironie
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Umorismo, satirae ironia
Rückeroberungdes Humors
La réappropriationde l’humour
La riappropriazionedell’umorismo
TANGRAM 34
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12/2014
| Charles Nguela imGesprächmit Urs Güney | «Humor ist eineWaffe inmeinemMund»
ich nachtragend wäre, könnte ich das Leben
nichtmehr geniessen.
Indem du Alltagsrassismus auf der Bühne
zerpflückst, hältst du dem Publikum einen
Spiegel vor.Wer Leid verursacht hat, sagst du,
soll keineWitzedarübermachen.Aber lachen
ist inOrdnung?
IchmachemitmeinenWitzen janichtmich
selbst herunter, sondern gebe Vorurteile der
Lächerlichkeit preis. Mein Fach in der Come-
dy ist das Zweideutige, über das man im ers-
tenMoment lacht. Der Aha-Effekt, setzt ein,
wenn die Zuschauer längst weggegangen
sind. Am nächsten Tag ertappen sie sich viel-
leicht und verstehen, warum ich einen Witz
gemacht habe über genau das Verhalten, das
sie jetzt zeigen. Das Thema, das icheinbringe,
ist ernst, aber die Stimmung wird durch den
Humor aufgelockert. Die Spannung entsteht
daraus, dass die Leute sich bewusst werden,
was siewomöglich selbst schon getan haben,
und trotzdemdarüber lachenkönnen.
Verstehst du Comedy als Rassismusprä-
vention?
Dass man mit Humor Vorurteile bekämp-
fenkann, spüre ichameigenen Leib. Vor dem
Auftritt wollenmanche Zuschauer bei mir ei-
nenKaffeebestellen. Danachkommen sieauf
mich zu und interessieren sich dafür, woher
die Idee für dieseoder jeneNummer stammt.
Kannst dumit Komik etwas erreichen, das
sich mit Sensibilisierungskampagnen, politi-
schen Initiativen oder dem Engagement in
Vereinennichtmachen lässt?
Comedy packt Alltagssituationen an. Ich
kann damit scheinbar belanglose Begeben-
heiten aufgreifen, wie sie sich zum Beispiel
in einem Café abspielen. Oder klarmachen,
was der Begriff Schwarzfahrer ausdrückt. Die
Message kommt besser an alsmit erhobenem
Zeigfinger. Im Ernst zielt man eher auf das
Von Vorurteilen lässt sich Charles Nguela
nicht unterkriegen. Als
Stand-up-Comedian
entblösst ermit SarkasmusundWortwitzden
Alltagsrassismus. Und schafft Gemeinsam-
keit,wo zuvor Unwissenwar.
Worüber kannst du lachen?
Ironischesmachtmich lachen. Und schwar-
zer Humor! Wenn ich diesen Ausdruck brau-
che, beziehen es viele gleich auf meine
Hautfarbe. Aber auch ich meine damit nur
düsteren, bissigen und manchmal etwas an-
stössigenHumor.
Vor Abgründigem schreckst du also nicht
zurück. Kannmandennüber alles lachen?
Ja, aber es kommt darauf an, wer es sagt,
wie und wo. Witze über Sklaverei empfinde
ichmeist als verletzend,wenn sie vonWeissen
kommen. Über Leid sollten nur die scherzen,
die gelitten haben. Das kann ein Verarbei-
tungsprozess sein.
Du selbst kannst ganz schön austeilenund
machstdichbeiAuftrittenbeispielsweiseüber
das Einbürgerungsverfahren lustig. War die
Einbürgerung für dichwirklich zum Lachen?
Das ist reine Fiktion, ich bin nicht einge-
bürgert. Bei anderen Nummern schöpfe ich
aber aus eigener Erfahrung. Wie die Lehrer
mich etwa immer angeschaut haben, wenn
sieRassismus thematisierenwollten. Oderwie
man als Dunkelhäutiger beäugt wird, wenn
man am Kiosk etwas unschlüssig herumsteht.
Inder Situation ist das nicht lustig, aberwenn
«Humor ist eineWaffe inmeinemMund»
Charles Nguela imGesprächmit Urs Güney
© Filip Scherer
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