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Anti-Schwarzer Rassismus
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Racismeanti-Noir
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Il razzismo contro i Neri
Inder Schweiz über Rassismus sprechen: einTabu?
Evoquer le racisme en Suisse : un tabou ?
Parlaredi razzismo in Svizzera: un tabù?
Kristin T. Schnider | «Le racisme n’existe pas» – auchnicht imUrkantonUri
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6/2014
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TANGRAM 33
teil, die dank oder wegen ihrer hellen Haut
nur seltenund jenachStimmung inderBevöl-
kerung nach ihrem angeblich «unschweizeri-
schen»Hintergrundgefragtwerden.
Meine Gesprächspartner und -partnerin-
nen frage ich danach, ob es denn im Kanton
Rassismus oder Anti-Schwarzen-Rassismus
gäbeundwie sichdessenVorhandenseinoder
Fehlen auf ihr Leben und auf ihreArbeit aus-
wirke. Einigeder Befragtenkenne ichbereits,
zumBeispiel dieBekannteausGhana, die seit
vierzig Jahren im Kanton lebt und ihre drei
Kinder, noch in Ghana geboren, mit ihrem
Ehemann aus demAppenzell imDorf, indem
ich wohne, aufgezogen hat. Eine ihrer Enke-
linnen, die fraglosweiss aussieht, hört interes-
siert bei unseremGespräch zu. Ein paar Tage
später rede ich auch mit ihrer Mutter. Eine
Frau aus dem Urserental treffe ich im Bahn-
hofsbistroGöschenen, ihre beidenKinder, die
immer noch im Kanton leben und arbeiten,
hatte siemit ihrem Ehemann aus Angola, von
dem sie lange schon geschieden ist. Auch die
drei Söhne einer Bekannten, die aus Basel
hergezogen ist, sind hier in Uri aufgewach-
sen. Ihr Vater stammt aus Guadeloupe. Eine
Grossfamilie aus Eritrea, die den Status der
anerkannten Flüchtlinge erhalten hat, bewir-
tetmichmit Kaffeeund Fladenbrot. Das Buch
«Ich, der Neger» vom berühmtesten Schwar-
zen des Kantons, Urs Althaus, lese ich. Später
begebe ich mich «auf die andere Seite», er-
kundige mich nach eher amtlichen Erfahrun-
gen mit dunkelhäutigen Menschen und will
wissen, ob rassistische Übergriffe festgestellt
oder sogar angezeigt wurden. Ich unterhalte
mich mit der Deutschlehrerin für fremdspra-
chige Kinder an der Volksschule in Erstfeld,
treffedie Integrationsdelegiertedes Kantons,
den Leiter des Programmes des Roten Kreu-
zes, der als Sozialarbeiter fürdieHandhabung
des kantonalenAsylwesens zuständig ist, und
den Verantwortlichen der Kantonspolizei. Im
«Le racismen’existepas» – auchnicht im
UrkantonUri
Kristin T. Schnider
Der Kanton Uri ist gemäss Einwohnerzahl
der zweitkleinste Kanton der Schweiz. Mit
einem Ausländeranteil von circa 10 Prozent
gehört er auch zudenKantonenmit denwe-
nigstenAusländerinnenundAusländern.Wie
lebt es sich als Personmit dunkler Hautfarbe
in diesem kleinräumigenMikrokosmos? Eine
Spurensuche.
Uri – in derMitte der Schweiz gelegen, ei-
ner der drei Urkantone. Seine 20 Gemeinden
sind verteilt über eine Fläche von 1077 km
2
.
Gemessen an der Einwohnerzahl ist der Kan-
tonUri der zweitkleinsteKantonder Schweiz.
Städte gibt es keine, da keine Gemeinde
mehr als 10000EinwohnerinnenundEinwoh-
ner hat. Im sozial kleinräumigen Kanton ist
es noch beinahe möglich, dass «jede jeden
kennt» –mindestens vom Sehen.
Hier hat sich der so genannte Ausländer-
anteil seit Jahren um die 10 Prozent herum
eingependelt. Im August 2013 lag er gemäss
Statistik bei 10.7 Prozent. Unter der ständi-
genWohnbevölkerung von 35693 liessen sich
3828 Ausländerinnen und Ausländer ermit-
teln. Der Anteil schwarzer Menschen an der
Urner Bevölkerung ist gering. Aus dem subsa-
harischen Afrika, nämlich aus Eritrea, kommt
rund die Hälfte der zurzeit hier anerkannten
110 Flüchtlinge, und auch unter denjenigen,
die noch imAsylverfahren stehen, finden sich
vorallemEritreerundSomalier.AufGrundder
Staatsbürgerschaft könnenüber 90 Personen,
die in der Statistik zur ständigenWohnbevöl-
kerung gehören, subsaharisch-afrikanischen
Ländern zugeordnet werden, was dennoch
nicht zwingendheisst, dassalledavondunkler
Hautfarbe seinmüssen.Genausowienichtalle
Schweizer weiss sind. Einige Schweizer Fami-
lien mit afrikanischem oder karibischem Hin-
tergrund lebenhier. Ich selbst bin vor bald 17
Jahren aus Zürich zugezogen und gehöre zu
den Menschen mit einem karibischen Eltern-