TANGRAM 33 Bulletin de la CFR Juin 2014 - page 105

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Anti-Schwarzer Rassismus
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Racismeanti-Noir
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Il razzismo contro i Neri
Inder Schweiz über Rassismus sprechen: einTabu?
Evoquer le racisme en Suisse : un tabou ?
Parlaredi razzismo in Svizzera: un tabù?
Kristin T. Schnider | «Le racisme n’existe pas» – auchnicht imUrkantonUri
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6/2014
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TANGRAM 33
kanner aufGrundder Faktenlagebestätigen,
dass esdurchaus Polizistengibt, diehärter auf
Dunkelhäutige reagieren. Im Grunde ist das
Phänomenbekannt,wieauch schnell vorstell-
bar wäre, wer genau sich auf der einen Seite
beklagt hat undwer auf der anderen Seite zu
Übergriffenneigt.
Unddoch, sowirdmirberichtet, ist es auch
schon vorgekommen, dass ein «verdächtiger»
Dunkelhäutiger spätnachts aufdemNachhau-
seweg gefilzt und auf denKühler des Polizei-
wagens gedrückt wurde, obwohl den Polizis-
ten durchaus, ohne dass sie seinen Ausweis
hätten sehen müssen, bekannt war, wer da
die letzten zwanzig Minuten des Heimwegs
zu Fuss unternahm. EinGeschehen, das Erzäh-
lung bleibt, das zwar empört, bald aber von
dem Betroffenenwieder eingeordnet wird in
«Das ist nicht so schlimm, das ist halt so, das
kann vorkommen».
Die Verdecktheit der Diskriminierung,
der Andersbehandlung ist, was es so schwer
macht, mit «Rassismus» umzugehen. Deut-
lich ist einzig die Verunsicherung auf beiden
Seiten, sobaldman diese «menschlichen» Re-
aktionen – das sind halt Ängste, das ist nur
Neugier – einerseits unddieVerdrängung an-
dererseits – ich hatte noch nie Probleme, mir
istnochnieetwaspassiert, undwenn,wardas
doch nicht rassistisch, nur etwas dumm – in
Frage zu stellenbeginnt.
«Es ist alles sehr gut hier» –wirklich?
Es waren in diesen Gesprächen auch nicht
diedunkelhäutigenMenschen selbstoder ihre
Eltern, die von rassistischen Vorfällen berich-
teten. Eswar derweisseKochdes Restaurants
Fomaz, das inAltdorf ein Integrationsprojekt
durchführt, in dem anerkannte Flüchtlinge,
unter anderemaus Somalia, Eritrea, dem Iran,
ausgebildet werden, der erzählt, dass er im
Bus angestarrt wird, wenn er ganz selbstver-
klassischen Blindheit − die sehen doch alle
gleich aus – ab und zumiteinander verwech-
selt. Das ist besonders eigenartig, da aus der
Art der Verwechslungen – «Seid ihr jetzt die
aus Attinghausen? Nein, Andermatt? Oder
Flüelen ...?» − spricht, dass durchaus bekannt
ist, dass im Kanton dunkelhäutige Urner und
Urnerinnen leben.
Aber solche Verwechslungen bzw. Aussa-
gen sind nicht böse gemeint. Genauso we-
nig wie der «Exotenbonus» – dunkelhäutige
Kleinkinder sindbesonders «härzig» unddür-
fenangefasstwerden –bösegemeint ist. Und
ist es nicht auch irgendwie «natürlich», dass
dunkelhäutige junge Frauen für besonders
sexy gehaltenwerden?
KaumStrafanzeigenwegenRassismus
«Menschlich» oder natürlich sei es, dass
in einer Gruppe Jugendlicher, diemindestens
verdächtig herumstehen, die dunkelhäutigen
Menschen unter ihnen eher auffallen, weil
es halt weniger seien und sie sich leichter zu
merken sind, sagt der Vertreter der Urner
Kantonspolizei, als ich ihn darauf anspreche,
dass vor allem einige der Söhne meiner Ge-
sprächspartnerinnen sich darüber beklagten,
dass immer sie es seien, die aus solchenGrup-
pen herausgepflückt und kontrolliert oder
auf Verdacht hinüberprüftwürden.
Aber Anzeigen unter dem Artikel 261
bis
Absatz 1 des Schweizerischen Strafgesetzbu-
ches wegen Rassendiskriminierung seien im
KantonUri seit 2006 kaummehr zu verzeich-
nen gewesen, die meisten hätten sich gegen
dieAufmärscheder rechtenGruppenamRütli
gerichtet, und vor allem sei die Polizei selbst
nie verzeigt worden. Wir drücken uns beide
etwas gewunden aus vor dem Hintergrund
der Kleinräumigkeit des Kantons. Weder will
ich benennen, wer der Betroffenen die Ar-
beit der Polizei in Zweifel gezogen hat, noch
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