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Anti-Schwarzer Rassismus
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Racismeanti-Noir
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Il razzismo contro i Neri
Inder Schweiz über Rassismus sprechen: ein Tabu?
Evoquer le racisme en Suisse : un tabou ?
Parlaredi razzismo in Svizzera: un tabù?
TANGRAM 33
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6/2014
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Kristin T. Schnider | «Le racisme n’existe pas» – auch nicht imUrkantonUri
unter dem Anti-Schwarzen Rassismus leiden.
Auch sind die Vorurteile, die mit Menschen
mit einem afrikanischen Hintergrund ver-
knüpftwerden, dieselbengeblieben, was sich
vor allemauf demArbeits- undauf demWoh-
nungsmarkt am deutlichsten zeigt. Direkte
rassistischeÜbergriffe sinddem Sozialarbeiter
vom Schweizerischen RotenKreuz Uri, das im
Auftrag des Kantons für die Unterbringung
Asylsuchender zuständig ist, nicht bekannt.
Aber wenn er sich bei der Stellen- undWoh-
nungssuche fürMenschenaus denerwähnten
afrikanischen Länderneinsetzt,wirdklar, dass
trotz besserem Zugang zu Informationen die
altenBilder indenKöpfengeblieben sind. Sie
werden verdächtigt, per se ungebildet, halt
nur in «so einer Schulemit Schilfdach» gewe-
sen zu sein, und immer mal wieder wird die
Ablehnung–«Solchewollenwirnicht inunse-
remHaus»–direktausgesprochen. Interessan-
terweise, erzählt er, eher von Verwaltungen
als von privaten Hausbesitzern, mit denen er
immerhin ins Gespräch kommen kann. Ähn-
lich ist auch die Vorstellung, dass durchwegs
Armut undHunger der Fluchtgrund seienund
deshalb «diese Leute» doch froh sein sollten
über alles, das sie hier erhalten, und seien es
uralteMatratzen, diebei einerHotelräumung
für denAbfall bestimmtwaren. Zudiesen alt-
hergebrachten Vorurteilen gesellen sich seit
denPlakatkampagnender SVP imUmfeldder
immer häufiger werdenden Initiativen gegen
«kriminelle Ausländer» und wie letzthin die
so genannte Masseneinwanderung die Ste-
reotype von «schwarzen Schafen» und «ge-
fährlichen Fremden», dieauf demNährboden
der geschürten Ängste gedeihen. All das be-
einflusst unweigerlich, wenn auch «unbe-
wusst», das Verhalten gegenüber allen Dun-
kelhäutigen, also auch denjenigen, die in der
Schweizaufgewachsenund zuhause sind,was
man ihnen im Gegensatz zu ihrer Hautfarbe
nun einmal nicht ansieht. Sowerden sie zum
Beispiel auch im kleinen Kanton gemäss der
Restaurant Fomaz in Altdorf, einem Integra-
tionsprojekt des SchweizerischenRotenKreu-
zes, unterhalte ich mich mit einemMitarbei-
ter aus Eritrea und dem Koch, der, in Zürich
aufgewachsen, nun hierhergezogen ist ins
Urner Elternhaus.
BegrifflicheKlärung
Rassismus ist nicht mehr, was er einmal
war. Jedenfalls in der Definition. Offiziell ist
man davon abgekommen, die Menschheit in
Rassen einzuteilen. Aus den Antworten auf
meine Frage danach zeichnet sich ab, dass
für die meisten Gesprächspartner Rassismus
als allgemeine Diskriminierung gilt, als eine
Sammlung von Vorurteilen, die ein Individu-
um entpersonalisiert, indem es einer Gruppe
mit negativenVorzeichen zugeschlagenwird.
Der gemeinsame Nenner der Diskriminie-
rungsarten, die unter «Rassismus» noch zu-
sammengefasst werden, ist die Geringschät-
zung, Benachteiligung und das Misstrauen
gegenüber dem Fremden, Unbekannten und
diene, wie vor allemdie Integrationsdelegier-
tebetont, derAbwehrundderUmpolungvon
diffusenÄngsten.
Was ist also mit der Diskriminierung von
Schwarzen? Die Begrifflichkeiten werden
auch hier zuerst geklärt, und im Zeitalter der
verbalenVorsichtoderpolitischenKorrektheit
einigen wir uns in den Gesprächen auf den
Begriff «dunkelhäutige Menschen». Schnell
ist auchgeklärt, dass heutzutage, nichtwie in
den 1990er-Jahren, als sehr viele Flüchtende
aus Sri Lanka indie Schweiz kamen, zwischen
Menschen tamilischer oder singhalesischer
HerkunftundMenschenausder afrikanischen
Diaspora unterschieden werden kann. Men-
schen aus Sri Lanka haben sich mit der Zeit
den Ruf widerspruchsloser und fleissiger Ar-
beiterinnenundArbeitererworben.Unddoch
ist die sichtbar dunklere Haut der gemeinsa-
me Nenner für die Menschen, die allenfalls