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20 Jahre
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20ans
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20anni
StrafnormgegenRassendiskriminierung: unverzichtbar, aber ungenügend
Lanormepénale contre le racisme : indispensablemais insuffisante
Lanormapenale contro ladiscriminazione razziale: indispensabile,ma insufficiente
Verwaltungsrecht als Mittel zu neuen Hand-
lungsmöglichkeiten gegen Diskriminierung
möglichst wirksam und verhältnismässig ein-
gesetztwerden können.
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TarekNaguib, Jurist, ist seit 2012wissenschaftlicherMitar-
beiter ander ZHAW.
Giulia Reimann, MLaw, ist wissenschaftlicheMitarbeiterin
an der Universität Zürich und hat ein einjähriges juristi-
sches Praktikumbei der EKRgemacht.
TANGRAM 35
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6/2015
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TarekNaguib undGiulia Reimann | 20 Jahre Rassismusstrafnorm – einBlick in die Rechtspraxis
denerSchwierigkeitenbewährthatund inden
letzten20 Jahren sich vieleRechtsunsicherhei-
ten der Umsetzung geklärt haben. Die Norm
ist ein wichtiger Pfeiler des rechtsstaatlichen
Prinzips der Nichtdiskriminierung. Durch sie
kann Rassismus als schwerwiegendes Unrecht
sanktioniert werden und sie unterstützt jene
Menschen, die sich gegen Rassismus einset-
zen.
Allerdings hat sich durch die Praxis der
Gerichte auch ein grundsätzliches Defizit der
Strafnorm gezeigt: Der Fokus auf die Schutz-
objekte «Rasse, Ethnie oder Religion» be-
wirkt, dass rassistische Vorfälle von den Straf-
behörden oft nicht erkannt werden. Anstatt
lediglich zuprüfen, obeinePersonunter eine
der Schutzgruppen fällt, müssen die Strafbe-
hörden unter Berücksichtigung des Gesamt-
kontextesklären,obeine rassistischeZuschrei-
bung erfolgt ist. Aufgrund des Grundsatzes,
dass eine Strafnorm bestimmt formuliert sein
muss, plädierenwir für einenAusbauumwei-
tere Merkmale wie Nationalität, Ausländer
undAsylsuchende.
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Eine weitere Schwierigkeit der Strafnorm
liegt in der prinzipiellen Begrenztheit des
Strafrechts. Struktureller Rassismus kann mit
demStrafrecht vielfachnichterfasstund sank-
tioniert werden. Daher braucht es neben ei-
ner konsequenten Umsetzung der Rassismus-
strafnorm eine Ausweitung des Blickes auf
weitere, ergänzende rechtliche Instrumen-
tarien. Dazu ist die Schweiz völkerrechtlich
verpflichtet. Die Aufgabe des Rechtsstaates
ist dabei, die Vorgaben der RDK, «jede durch
Personen, Gruppen oder Organisationen aus-
geübte Rassendiskriminierung mit allen ge-
eignetenMitteln, einschliesslichder durchdie
Umstände erforderlichen Rechtsvorschriften»
(Artikel 2Abs. 1Bchst. d) zuverbietenundbe-
endigen. Dabei geht es darum zu klären, wie
neben dem Strafrecht auch das Privat- und