TANGRAM 35 Bulletin der EKR Juni 2015 - page 67

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20 Jahre
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20 anni
Wiedenken Jugendlicheüber Rassismus undVielfalt
Les jeunes faceau racismeet à ladiversité : enquêtes
Razzismo ediversità visti dai giovani: inchieste
Urs Güney |«Wennman ausgegrenzt wird, hatman kein Zuhausemehr»
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6/2015
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TANGRAM35
Martina:
Die Menschen sind aber offener
geworden. Ich denke, dass Problememit Ras-
sismus früher grösserwaren.
Alessio:
Trotzdem verbreitenmanche Poli-
tiker rassistische Ansichten. Was man vor den
Abstimmungen zur Beschränkung der Ein-
wanderunggehörthat,war fürAusländer, die
schonhier leben, sicher nicht angenehm.
Nahla:
In den Nachrichten wird jetzt viel
überden Islamberichtet. ImBetrieb spürtman
dasdannauch. Patienten sagen: «Siekommen
dochaus dieser Religion.»Dannwirdmanmit
Extremisten in einenTopf geworfen.
Martina:
In der Schule gab es oft Ausei-
nandersetzungen zwischen
Schweizern und Leuten aus
den Balkanländern. Als diese
wegen dem Krieg hierher ka-
men, war es für die Schweizer
etwas Neues, mit dem sie sich
erst zurechtfindenmussten.
Marijana:
Wer vor Krieg flüchtet, hat es
schwer hier. Integration ist nicht einfach,
wennmanausgegrenztwird.
Wiekannmanauf Vorurteile reagieren?
Nahla:
Es schlägtaufdieStimmung. Ich fra-
gemich immer, ob ich jetzt etwas sagen soll,
wenn ichauf Vorurteile stosse. Oft lasse iches
bleibenundgehe lieber auf Distanz.
Kim:
Durch den Rassismus entsteht eine
Kluft.Mangrenzt sich immermehr voneinan-
der abundgiesst nochmehr Öl ins Feuer. Das
ist einKreislauf.
Marijana:
Wenn man ausgegrenzt wird,
hatmankeinZuhausemehr.Man ist inder ur-
sprünglichen Heimat ein Ausländer und auch
inder Schweiz.
Kim:
Meine Mutter kommt aus Thailand.
Die einen betrachten mich als Schweizer, die
andern als Thailänder, aber irgendwie stehe
ich immer dazwischen.
Sechs junge Erwachsene treffen sich am
Gewerblich-industriellen Bildungszentrum in
Zug zumGesprächüber Rassismus undVorur-
teile:Welche Rolle spielenDiskriminierungen
in ihremAlltagundwas kanndagegengetan
werden? Die 19- bis 20-Jährigen absolvieren
alle eine Lehre. Marijana, Martina und Nahla
sindkünftigeFachfrauenGesundheit,Alessio,
Kim undMartin lassen sich zu Informatikern
ausbilden.
Kommt Rassismus ineuremAlltag vor?
Nahla
: An einem Vorstellungsgespräch
wurde icheinmal gefragt, obmeineElternvor
demKrieg eingewandert sind
oder danach. Die Frage fand
ich unangebracht. Ich habe
in dem Moment verstanden,
dass ich in dem Betrieb nichts
verlorenhabe.
Alessio:
Beim Fussball bin ich Rassismus
schon begegnet – wenn etwa Bananen nach
dunkelhäutigen Spielerngeworfenwerden.
Marijana:
Von manchen Clubs weiss man,
dass Albaner dort nichtwillkommen sind. Ab-
gewiesenwerden siemit demArgument, dass
zumBeispiel der Dresscodenicht stimme.
Kim:
Es gibt aber auch Clubs, wo sich ein-
zelne Gruppen unter sich treffen. Die Serben
lassenkeineAlbaner reinunddieAlbaner kei-
ne Serben. Das ist vielleicht nochwegen dem
Krieg, viele können aber auch über solche
Grenzenhinwegbefreundet sein.
Marijana:
Zum Teil haben die Eltern noch
stärkere Vorbehalte. Für mich spielt es keine
Rolle, ob jemand Serbe oder Bosnier oder
Shipi ist.AbermeineEltern sehendasweniger
locker.
Woher kommendieVorurteile?
Martin:
Entscheidend ist vermutlich, was
man in den ersten Lebensjahren kennenge-
lernt hat.
«Wennmanausgegrenztwird, hatman kein
Zuhausemehr»
Urs Güney
«ZumTeil habendie
Elternnoch stärkere
Vorbehalte»
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