Caso 1999-043N

Verfassung und Verbreitung eines revisionistischen Buches

Grigioni

Cronistoria della procedura
1999 1999-043N 2. Instanz heisst die Berufung des Angeschuldigten teilweise gut.
2000 2000-034N Das Bundesgericht tritt auf die staatsrechtliche Beschwerde des Angeschuldigten nicht ein.
Criteri di ricerca giuridici
Autorità/Istanza 1a istanza cantonale;
2a istanza cantonale;
Tribunale federale
Atto / Fattispecie oggettiva Incitamento all’odio o alla discriminazione (1° comma);
Propagazione di un'ideologia (2° comma)
Oggetto della protezione Religione
Domande specifiche sulla fattispecie Fattispecie soggettiva
Parole chiave
Autori Operatori del terziario
Vittime Ebrei
Mezzi utilizzati Scritti
Contesto sociale Arte e scienza
Ideologia Antisemitismo

Sintesi

X verfasste in der Zeit von Januar bis April 1997 ein Buch von 591 Seiten, das unter einem Pseudonym veröffentlich werden sollte. Im Juli 1997 versandte X insgesamt etwa 5'100 Bücher an verschiedene Besteller.
Die Staatanwaltschaft Graubünden beauftragte im Juli 1997 bei einer Rechtsanwältin ein Gutachten über das Buch in Bezug auf den Tatbestand der Rassendiskriminierung nach Art. 261bis StGB. Gemäss der Gutachterin verstossen mehrere Textpassagen des Buches gegen Art. 261bis Abs. 1 und 2 StGB.

Die Staatsanwaltschaft Graubünden erhob gegen X Anklage wegen mehrfacher Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 1 und 2 StGB.

Im Februar 1999 sprach die 1. Instanz X der mehrfachen Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 1 und 2 StGB schuldig. X wurde mit vier Monaten Gefängnis und einer Busse von Fr. 1'000.- bestraft. Schliesslich wurde X zur Bezahlung einer Ersatzabgabe von Fr. 30'962.80.- verpflichtet.

Gegen dieses Urteil erhob X Berufung. Die 2. Instanz hiess die Berufung teilweise gut und sah von der Erhebung einer Ersatzabgabe gemäss Art. 59 Ziff. 2 Abs. 2 StGB ab. Im übrigen wurde die Berufung abgewiesen.

Mit staatsrechtlicher Beschwerde stellt X u. a. die Anträge, das Urteil der 2. kantonalen Instanz sei aufzuheben und es sei ein Obergutachten von einem vom Gericht zu bestimmenden Gutachter einzuholen. Das Bundesgericht tritt auf die Rügen von X nicht ein.

In fatto

X verfasste in der Zeit von Januar bis April 1997 ein Buch von 591 Seiten, das unter einem Pseudonym veröffentlich werden sollte. Die ersten 100 Exemplare wurden X im Juni 1997 geliefert. Mit Verfügung vom Juni 1997 beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Graubünden alle Exemplare des Buches. Weil X zusicherte, er werde die Bücher erst nach einer strafrechtlichen Überprüfung versenden, wurde die gesamte Lieferung am Wohnort von X lediglich versiegelt. Etwa 2050 Bücher wurden anfangs Juli 1997 durch X unter Beizug einer Hilfskraft verpackt und über die Paketannahmestelle an die Adresse von Bestellern versandt. Im Juli 1997 beauftragte X eine Transportunternehmung mit der Überführung von 3072 Buchexemplaren an eine Verlagsauslieferung in Z. Die Bücher wurden in der Folge an eine andere Verlagsauslieferung in Y geliefert, von wo aus die Auslieferung für Deutschland, Österreich und für Schweiz erfolgte.

Im Juli 1997 versandte X insgesamt etwa 5'100 Bücher an verschiedene Besteller.
Die Staatanwaltschaft Graubünden beauftragte im Juli 1997 bei einer Rechtsanwältin ein Gutachten über das Buch in Bezug auf den Tatbestand der Rassendiskriminierung nach Art. 261bis StGB zu erstellen. Die Rechtsanwältin erstattete das Gutachten im August 1997 und kam zu Ergebnis, der Autor verbreite öffentlich Meinungen, welche die Angehörigen der jüdischen Religion kollektiv als minderwertig, mit unmoralischen Eigenschaften behaftet, einstufte; die in Gruppen zusammengefassten Textpassagen des Buches würden sowohl gegen Art. 261bis Abs. 1 und 2 StGB verstossen.
Die Staatsanwaltschaft Graubünden erhob gegen X Anklage wegen mehrfacher Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 1 und 2 StGB.


Decisione 1999-043N

2. Instanz heisst die Berufung des Angeschuldigten teilweise gut.

In diritto

Objektiver Tatbestand

«Der Berufungskläger verbreitete mit diesem Buch öffentlich Meinungen, welche die Angehörigen der jüdischen Religion kollektiv als minderwertig einstufen, indem er diese mit unmoralischen Eigenschaften einstuft. Hassschürende, diskriminierende und herabsetzende Äusserungen, dass die Juden ‹unehrliche Geschäftemacher› und sie ‹geldgierig› sind, sie ‹drohen und erpressen›, sie ‹Unfrieden stiften und Brunnenvergifter› sind, sie ‹den Antisemitismus selbst zu verantworten› haben, sie ‹selbst von ihrem Gott ungeliebt› sind und sie ‹wie die Nazis› handeln, finden sich [...] alle in diesem Buch und ziehen sich gleichsam als roter Faden durch dieses hindurch.» (E. 6a, S. 16 f.)

Die 2. Instanz führt dazu aus: «Dass diese Kollektivbeleidigungen geeignet sind, die Juden insgesamt fälschlicherweise eines unehrenhaften Verhaltens zu bezichtigen und zu verleumden und sie somit zu diskriminieren, ist offensichtlich. In ihrer angehäuften Wiederholung [...] wirken die Äusserungen nachhaltig. Sie sind aber auch grundsätzlich geeignet, beim durchschnittlichen Leser ein Klima von Hass gegenüber Menschen jüdischen Glaubens zu schüren.»(E. 6a, S. 20 f.)

«Gemäss Vorwort des Verfassers ist dieses Buch als Antwort auf die Angriffe, Boykottdrohungen und Beleidigungen der Schweiz mit ihrer Regierung und den Grossbanken durch amerikanische und jüdische Organisationen gedacht. [...] Soweit der Berufungskläger in seinem Buch das Vorgehen der USA, jüdischer Organisationen und der Rechtsvertreter der Sammelkläger angreift und diesen unlautere Methoden, Geldgier etc. vorwirft, ist dagegen aus rassendiskriminierender Sicht nichts einzuwenden. Der Verfasser wechselt jedoch gezielt fliessend von den amerikanisch-jüdischen Organisationen zu den Juden generell, so dass für den Durchschnittsleser gezielt der Eindruck suggeriert wird, den Juden kämen diese behaupteten negativen, menschenverachtenden Verhaltensweisen zuteil.» (E. 6a, S. 21)

Gemäss der 2. Instanz hat also X mit der Verfassung und mit dem Vertrieb des Buches «Uns trifft keine Schuld!» zweifelsohne in objektiver Hinsicht den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 1 und 2 StGB erfüllt.

Subjektiver Tatbestand

In subjektiver Hinsicht setzt Art. 261bis StGB Vorsatz oder Eventualvorsatz voraus. Der Täter muss sich des rassendiskriminierenden Charakters seiner Aussagen bewusst sein und sie dennoch äussern. Insbesondere gehört dazu das Bewusstsein und der Wille des Täters, mit seinem Verhalten jemanden oder eine Personenmehrheit unter Berufung auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie, Rasse oder Religion herabzusetzen beziehungsweise zu ihrer Diskriminierung aufzurufen. Für die Bejahung des Eventualvorsatzes genügt, wenn der Täter ernsthaft damit rechnete, sein Verhalten sei rassendiskriminierend.

Für die 2. Instanz bestehen keine Zweifel, dass die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind. «So hat der Berufungskläger eigenen Angaben zufolge vor dem Druck des Buches einen Untersuchungsrichter [...] angefragt, ob er dieses auf eine allfällige Verletzung von Art. 261bis StGB überprüfen würde. [...] Zudem wurde im unmittelbaren Anschluss an die Versiegelung der Gesamtauflage des Buches am 20. Juni 1997 dem Berufungskläger eröffnet, dass das Werk im Hinblick auf eine Verletzung von Art. 261bis StGB geprüft werde. Nichtsdestotrotz versandte der Berufungskläger danach praktisch sämtliche Buchexemplare.» (E. 6b, S. 22) Und «[...] Der Vertrieb des Buches über Italien wurde jedoch einzig gewählt, weil Italien über keine Antirassismusnorm verfügt [...].» (E. 6b, S. 23)

«Zusammenfassend lässt das Verhalten des Berufungsklägers vor und während der Strafuntersuchung keine Zweifel offen, dass er von Anbeginn weg um den rassendiskriminierenden Charakter seines Werkes wusste beziehungsweise zumindest damit rechnete.» (E. 6b, S. 23)

Die Ersatzabgabe

Die Vorinstanz hat den Berufungskläger zu einer Ersatzabgabe von Fr. 30'962.80 gestützt auf Art. 59 Ziff. 2 Abs. 1 StGB verpflichtet.
«Es trifft zwar zu, dass der Berufungskläger durch seine Geldtransfers eine Summe in dieser Höhe [...] von seinen Konten bezogen und verwendet hat. Auch ist ausgewiesen, dass dieses Geld aus dem Verkauf des inkriminierten Buches stammte. Eine Ersatzforderung für die Einziehung dieser nicht mehr vorhandenen Vermögenswerte wäre somit grundsätzlich zulässig. Unter Berücksichtigung des hohen Schuldenbergs des Berufungsklägers [...] sowie seines geringen Einkommens, welches sich im wesentlichen aus einer monatlichen IV-Rente und Ergänzungsleistungen [...] zusammensetzt, ist diese Ersatzforderung jedoch voraussichtlich uneinbringlich. Zudem würde, berücksichtigt man auch noch die Kosten des vorliegenden Strafverfahrens, welche dem Berufungskläger überbunden werden, die Wiedereingliederung des Betroffenen durch die Erhöhung seiner Schulden ernstlich behindert, so dass von der Festsetzung einer Ersatzforderung im Sinne von Art. 59 Ziff. 2 Abs. 2 StGB abzusehen ist.» (E. 10, S. 26 f.)
In diesem Punkte erweist sich die Berufung als begründet.

Decisione

1. Instanz verurteilt den Angeklagten. Verurteilung zu 4 Monaten Gefängnis und einer Busse von Fr. 1'000.-. Einziehung der noch vorhandenen Buchexemplare. Bezahlung einer Ersatzabgabe.

Die 2. Instanz hiess die Berufung teilweise gut und sah von der Erhebung einer Ersatzabgabe gemäss Art. 59 Ziff. 2 Abs. 2 StGB ab. Im übrigen wurde die Berufung abgewiesen. Verurteilung zu vier Monaten Gefängnis und einer Busse von Fr. 1'000.-.


Decisione 2000-034N

Das Bundesgericht tritt auf die staatsrechtliche Beschwerde des Angeschuldigten nicht ein.

In diritto

Mit staatsrechtlicher Beschwerde stellt X u. a. die Anträge, das Urteil der 2. kantonalen Instanz sei aufzuheben und es sei ein Obergutachten von einem vom Gericht zu bestimmenden Gutachter einzuholen. Er rügt zunächst, die 2. kantonale Instanz habe es unterlassen, sich eine eigene Meinung zu bilden, und habe ihn allein aufgrund des Gutachtens verurteilt. Das sei willkürlich im Sinne von Art. 9 BV.

Das Bundesgericht erklärt als erstes, dass die Rechtsanwältin ihr Gutachten im Auftrag der Staatsanwaltschaft erstattet hätte, welche die Ergebnisse übernahm. Die kantonalen Gerichte hätten nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu prüfen, ob die Ergebnisse des Gutachtens richtig seien.

Da die Beschwerdeschrift keinerlei Begründung für die Behauptung des Beschwerdeführers, die 2. kantonale Instanz habe das Gutachten willkürlich gewürdigt, enthält, tritt das Bundesgericht gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht auf diese Rüge ein. (E. 2b)

Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Rechtsanwältin, welche das Gutachten erstattet hatte, sei befangen gewesen. Sie sei Mitglied von Kommissionen gewesen, die ohne öffentlichen Auftrag vermeintlichen Verstössen gegen das Antirassismusgesetz nachgegangen seien. Deshalb sei es willkürlich, dass die 2. kantonale Instanz die Einholung eines Obergutachtens abgelehnt habe.
Auch auf diese Rüge tritt das Bundesgericht mit gleicher Begründung wie oben nicht ein. Der Beschwerdeführer habe die Kommissionen nennen müssen, in welche die Rechtsanwältin mitgewirkt haben soll. Ausserdem habe er aufführen müssen, inwiefern diese Kommissionen bloss vermeintlichen Verstössen gegen das Antirassismusgesetz nachgegangen seien. (E. 2c)

Der Beschwerdeführer rügt als letztes, der angefochtene Entscheid verstosse gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 15 Abs. 2 BV. Ihm sei klar, dass diesem Grundrecht die in Art. 261bis StGB gezogenen Grenzen entgegenständen. Er sei jedoch der vollen Überzeugung, dass diese Grenzen durch die Behörden viel zu hoch gesteckt worden seien, denn ihm blieben keine Möglichkeiten zur Äusserung mehr.
Das Bundesgericht hält fest, diese Rüge laufe darauf hinaus, die kantonalen Behörden hätten Art. 261bis StGB falsch ausgelegt und angewendet und der angefochtene Entscheid verletze eidgenössisches Recht, zu dem auch Art. 261bis StGB gehört. Diese Rüge ist mit einer staatsrechtlichen Beschwerde unzulässig und daher nicht einzutreten. Denn sie kann gemäss Art. 269 Abs. 1 BStP mit der Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichtes erhoben werden. (E. 3)

Decisione

Das Bundesgericht tritt auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht ein.