Caso 2022-125N
Zurigo
Cronistoria della procedura | ||
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2022 | 2022-125N | Die 1. Instanz spricht den Beschuldigten frei. |
Criteri di ricerca giuridici | |
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Atto / Fattispecie oggettiva | Discredito o discriminazione (4° comma 1ª metà) |
Oggetto della protezione | Etnia; Oggetto della protezione in generale |
Domande specifiche sulla fattispecie | Fattispecie soggettiva |
Parole chiave | |
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Autori | Persone private |
Vittime | Stranieri e appartenenti ad altri gruppi etnici |
Mezzi utilizzati | Scritti |
Contesto sociale | Reti sociali |
Ideologia | Razzismo (nazionalità / origine) |
Der Beschuldigte hat, von seinem Wohnort aus, auf seinem öffentlich zugänglichen Twitter-Account einen Tweet veröffentlicht. Die Anklägerin wirft dem Beschuldigten vor, damit einen rassistischen Inhalt verbreitet zu haben. Konkret wird ihm vorgeworfen, den Anschlag vom 19. Februar 2020 in Hanau, bei dem der Attentäter neun Menschen mit Migrationshintergrund (sowie seine Mutter und sich selbst) getötet hat, als Bereicherung bezeichnet zu haben.
Das Bezirksgericht spricht den Beschuldigten frei.
Der Beschuldigte hat, von seinem Wohnort aus, auf seinem öffentlich einsehbaren Twitter-Account den folgenden Tweet veröffentlicht:
«In #Hanau am «Bosporus» zu Frankfurt kam es offenbar zur grossen Bereicherung. Hat natürlich nichts mit der unkontrollierten Masseneinwanderung zu tun und auch nicht mit importierter Gewalt- und Bandenkriminalität.»
Die Anklägerin macht geltend, der Beschuldigte habe via einen öffentlich zugänglichen und nicht einem bestimmten Personenkreis vorbehaltenen Twitter-Account einen rassistischen Inhalt verbreitet, indem er namentlich den Anschlag vom 19. Februar 2020 in Hanau, anlässlich dessen der Attentäter insgesamt neun Menschen mit Migrationshintergrund (sowie seine Mutter und sich selbst) getötet habe, als Bereicherung bezeichnet und dadurch sämtlichen Personen mit Migrationshintergrund die Existenzberechtigung abgesprochen habe. Zudem habe er sich mit der Verwendung des Begriffes «am Bosporus» offensichtlich auf aus der Türkei stammende Menschen bezogen, da es sich beim Bosporus um eine Meerenge zwischen Europa und Asien handle, an deren beiden Seiten sich die Stadt Istanbul befinde. Der Beschuldigte habe somit mit seinem Tweet Personen mit Migrationshintergrund, sowie insbesondere aus der Türkei stammende Personen, in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabgesetzt, was er gewusst und gewollt habe, beziehungsweise womit er zumindest habe rechnen müssen und er dies in Kauf genommen habe.
Der Beschuldigte hat den gegenständlichen Tweet auf seinem öffentlich zugänglichen Twitter-Account online gestellt und diesen nach 15 bzw. 30 Minuten wieder gelöscht. Das Erfordernis der öffentlichen Äusserung durch Schrift im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB ist somit für diesen Zeitraum ohne Weiteres erfüllt.
Der erste Satz des Tweets besagt, dass es in Hanau zu einer «grossen Bereicherung» gekommen sei, was im Kontext des Terroranschlags vom Vortag steht. Der Begriff «Bereicherung» könnte aufgrund seiner satirischen Anspielung auf die gegenteilige politische Position, die von kultureller Bereicherung durch Migration spricht, vom unbefangenen Leser als ironisch verstanden werden. Zum Zeitpunkt der Äusserung waren jedoch keine detaillierten Informationen über die Opfer und den Täter des Anschlags bekannt. Ein unbefangener Leser hätte daher nicht den Schluss ziehen können, dass der gewaltsame Tod von Menschen mit Migrationshintergrund als «Bereicherung» gemeint war.
Der zweite Satz des Tweets, welcher die «grosse Bereicherung» mit unkontrollierter Masseneinwanderung und importierter Gewalt- und Bandenkriminalität in Verbindung bringt, zeigt, dass der Beschuldigte die Täterschaft indirekt ausländischer Herkunft zuschreibt. Der unbefangene Leser dürfte dies als Kritik an der «unkontrollierten Masseneinwanderung» und nicht als positive Darstellung der Gewalttaten verstanden haben. Der Tweet nimmt auf «Masseneingewanderte» Bezug, womit auf Ausländer oder Asylsuchende verwiesen wird. Es erfolgt jedoch keine ausdrückliche oder sinngemässe Anknüpfung an eine oder mehrere «Rassen», Ethnien oder Religionen, weshalb kein im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB geschütztes Angriffsobjekt vorliegt.
Die Formulierung «In #Hanau am ‘Bosporus’ zu Frankfurt» könnte laut Anklägerin eine Anspielung auf Menschen türkischer Herkunft sein. Der Begriff Bosporus bezieht sich auf eine Meerenge in der Türkei. Jedoch ist es nicht nachvollziehbar, dass der unbefangene Durchschnittsleser daraus speziell auf Menschen türkischer Herkunft schliessen sollte. Nationen oder Nationalitäten werden von Art. 261bis StGB nicht erfasst, ausser wenn ethnische Charakteristika gemeint sind, wofür keine Anhaltspunkte vorliegen.
Selbst wenn ein geschütztes Angriffsobjekt vorläge, wäre die Tatbestandsmässigkeit mangels einer gegen die Menschenwürde verstossenden Herabsetzung oder Diskriminierung zu verneinen. Der Tweet stellt den Terroranschlag als Folge der «unkontrollierten Masseneinwanderung» dar, aber er äussert nicht, dass die Mehrheit der eingewanderten Personen Gewalt- und Bandenkriminalität importiere. Ein strafbares Pauschalurteil liegt nicht vor.
Zusammenfassend erfüllt der Tweet des Beschuldigten den objektiven Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 StGB nicht, weshalb der Beschuldigte freizusprechen ist. Eine eingehendere Prüfung des subjektiven Tatbestandes kann bei diesem Ausgang unterbleiben.
Die 1. Instanz spricht den Beschuldigten frei.