Fall 2006-020N

Herabsetzendes Parteiprogramm

Aargau

Verfahrensgeschichte
2006 2006-020N Die zuständige Strafverfolgungsbehörde verurteilt den Angeklagten.
2006 2006-060N Die 1. Instanz verurteilt den Angeklagten.
2009 2009-021N Die 2. Instanz weist die Berufung des Angeklagten ab.
Juristische Suchbegriffe
Tathandlung / Objektiver Tatbestand Aufruf zu Hass und Diskriminierung (Abs. 1);
Verbreiten von Ideologien (Abs. 2);
Organisation von Propagandaaktionen (Abs. 3)
Schutzobjekt keine Ausführungen zum Schutzobjekt
Spezialfragen zum Tatbestand keine
Stichwörter
Tätergruppen Politische Akteure
Opfergruppen Ausländer und Angehörige verschiedener Ethnien
Tatmittel Schrift;
Elektronische Kommunikation;
Verbreiten von rassistischem Material
Gesellschaftliches Umfeld Internet (ohne Soziale Medien)
Ideologie Rassismus (Nationalität / Herkunft)

Kurzfassung

Der Beschuldigte ist als damaliger Parteipräsident dafür verantwortlich, dass das Parteiprogramm nach Genehmigung durch den Vorstand auf der parteieigenen Internetseite veröffentlicht worden ist. Das Parteiprogramm beinhaltet eine kollektive Schmähung der Ausländer, indem ihnen in Punkt 4 Menschenrechte abgesprochen werden und in Punkt 7 ein Aufruf zur Rückführung kulturfremder Ausländer erfolgt. Des Weiteren hat er auf seine Webseite diverse Links mit rassistischem Inhalt gesetzt.

Die zuständige Strafverfolgungsbehörde kommt zum Schluss, der Beschuldigte habe öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass und Diskriminierung aufgerufen, öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind und mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, gefördert oder daran teilgenommen.

Der Beschuldigte wird u.a. wegen Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 1, 2 und 3 StGB schuldig gesprochen und zu einer Gefängnisstrafe von 14 Tagen in Verbindung mit einer Busse von CHF 200.- verurteilt. Drei Bundesordner mit diversen Dokumenten, 1 Fahne, 6 Langspielplatten, 1 DVD und 29 Musik-CDs werden gemäss Art. 58 StGB eingezogen.

Der Angeklagte erhob gegen diesen Entscheid Einsprache. Die 1. kantonale Instanz sprach den Angeklagten von der Anschuldigung der Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 1 und 2 StGB frei, erkannte ihn indes u.a. wegen Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 3 StGB schuldig. Er wurde zu 3 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Der Angeklagte erhob gegen dieses Urteil Berufung. Er machte dabei unter anderem geltend, dass im ganzen Zeitraum, in welchem die Links auf der Website aktiv waren, keine rassendiskriminierende Inhalte auf den verlinkten Webseiten waren. Die Links waren auf der Website des Angeklagten mit einem Logo und eine besondere Grafik hervorgehoben, nämlich mit dem Text «White Rock'n Roll Resistance». Anhand einer Recherche konnte indes bewiesen werden, dass - als die Links aktiv waren - auf einer der verlinkten Webseiten der folgende Text stand:
«This webpage has been put together by everybody within Ian Suart's … Our days of infighting and slander have finished and we call for all officially sanctioned divisions of … worldwide to join us and continue with Ian's vision of creating a vibrant movement to combat the Jewish brainwashing that goes on day after day. This is our dedication to Ian Stuart … & National Socialism. Hail Ian Stuart, Hail …, Hail the new dawn.»

Der Text stellt einen Bezug zum Nationalsozialismus her und ruft zur Bekämpfung der «tagtäglichen jüdischen Gehirnwäsche» auf. Die im Text angedeutete Bewegung ist in der Szene ein internationales Netzwerk, welches sich mit der Verbreitung vom nationalsozialistischen Gedankengut beschäftigt. Der Nationalsozialismus stellt eine Ideologie im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB dar und jede Form organisierter Werbung für rassendiskriminierendes Gedankengut gilt als Propagandaaktion. Auf der Seite «White Rock `n Roll Resistance» wird damit geworben, sich bei der genannte Organisation anzuschliessen und es wird das nationalsozialistische Gedankengut verbreitet. Das Gericht stellt fest, dass es sich um eine Propagandaaktion im Sinne von Art. 261bis Abs. 3 StGB handelt.

(Gegen weitere Beteiligte wurden separate Strafverfahren geführt, siehe auch Entscheide 2005-15, 2005-16, 2005-17, 2005-18 und 2006-51 Datenbank EKR.)


Entscheid 2006-020N

Die zuständige Strafverfolgungsbehörde verurteilt den Angeklagten.

Entscheid

Der Beschuldigte wird der Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 1, 2 und 3 StGB und des Ungehorsams im Betreibungs- und Konkursverfahrens gemäss Art. 323 Ziff. 1 StGB schuldig gesprochen und zu einer Gefängnisstrafe von 14 Tagen in Verbindung mit einer Busse von CHF 200.- verurteilt. Diverse Gegenstände werden gemäss Art. 58 StGB eingezogen.


Entscheid 2006-060N

Die 1. Instanz verurteilt den Angeklagten.

Entscheid

Der Angeklagte wird freigesprochen von der Anklage der Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 1 und 2 StGB. Er wird der Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 3 StGB sowie des Ungehorsams des Schuldners im Betreibungs- und Konkursverfahren gemäss Art. 323 Ziff. 1 StGB sowie des Fahrens im farunfähigem Zustand gemäss Art. 91 Ziff. 1 Abs. 2 SVG schuldig gesprochen. Er wird zu 3 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt sowie zu einer Busse von Fr. 200.00. Anstelle der Freiheitsstrafe werden 360 Stunden gemeinnützige Arbeit angeordnet.


Entscheid 2009-021N

Die 2. Instanz weist die Berufung des Angeklagten ab.

Entscheid

Der vorinstanzliche Schuldspruch wegen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 3 StGB wird bestätigt und die Berufung des Angeklagten in diesem Punkt abgewiesen.