Antiziganismus ist eine spezifische Form des Rassismus. Der Begriff entstand in den 1980er Jahren in Anlehnung an den Begriff des Antisemitismus. Es handelt sich dabei um eine von Stereotypen und Feindschaft geprägte Einstellung gegen Jenische, Sinti/Manouches, Roma und andere Gruppierungen, die mit dem Stigma „Zigeuner“ versehen wurden. Antiziganismus hat sich historisch von ökonomischer, gesellschaftlicher oder staatlicher Diskriminierung, politischer Verfolgung bis hin zu Vertreibung, Internierung, Zwangssterilisierung oder staatlich organisiertem Völkermord manifestiert. Auch heute zeigt er sich in individuellen Äusserungen und Handlungen sowie in der Politik; etwa in Form von Marginalisierung, physischer Gewalt, Abwertung von Kultur und Lebensstil sowie von Hassrede. Der Begriff ist umstritten, weil er die rassistische Fremdbezeichnung „Zigeuner“ enthält.
Die Bezeichnungen Jenische, Sinti/Manouches, Roma und Fahrende werden nicht einheitlich und differenziert angewendet. So kommt es immer wieder vor, dass die Lebensweise mit der ethnischen Zugehörigkeit vermischt wird oder übersehen wird, dass es international grosse Unterschiede in der Bedeutung der Bezeichnungen gibt.
Roma bezeichnet einerseits eine eigenständige ethnische Gruppierung und ist andererseits ein von der International Roma Union gewählter Begriff zur Bezeichnung zahlreicher Bevölkerungsgruppen mit einer gemeinsamen indischen Herkunft und Sprache. Seit dem 15. Jahrhundert in Zentraleuropa niedergelassene Gruppen nennen sich Sinti (Schweiz, Österreich, Deutschland) oder Manouches (Romandie, Frankreich). Im Süden Frankreichs und auf der Iberischen Halbinsel bezeichnen sie sich als Gitans/Kalés. Die grössten dieser Gruppen leben in Rumänien, Ungarn, der Slowakei und Bulgarien, wobei es auch hier wiederum viele Teilgruppen gibt. Der Europarat, die EU, die UN sowie andere internationale Gremien, aber auch die Medien, verwenden den Begriff Roma in einem sehr weiten Sinn, als eine Art „Dachbegriff“, denn sie schliessen alle Gruppen ohne festes eigenes Territorium mit ein. In Deutschland und Österreich wird der stehende Begriff «Roma und Sinti» gebraucht. Die in der Schweiz lebenden Roma (rund 80’000 Personen), die grösstenteils zwischen den 1960er und 80er Jahren eingewandert sind, waren grundsätzlich immer und sind noch heute sesshaft. Roma, die eine fahrende Lebensweise pflegen und während der Reisesaison in der Schweiz unterwegs sind, stammen hauptsächlich aus den Nachbarländern.
Sinti sind vor allem in Deutschland und Österreich angesiedelt. In der Schweiz sind sie zusammen mit den Jenischen als nationale Minderheit anerkannt. Die wenigen in der Schweiz lebenden Sinti werden oft mit den Jenischen in Verbindung gebracht und nennen sich in der Deutschschweiz auch „Manische“. Dieser Ausdruck kommt vom französischen Namen der Sinti: Manouches. Manouches leben vor allem in Frankreich. In der Schweiz gibt es einige grosse Schweizer „Manouche-Familien“. Die Manouches verstehen sich nicht als Roma, wie viele andere Gruppen auch. Gitans/Kalés sind mehrheitlich sesshaft und leben hauptsächlich auf der Iberischen Halbinsel und in Südfrankreich, wo sie die lokalen Sprachen sprechen, aber auch Begriffe aus dem Romanés integriert haben. Der Begriff Gadsche bezeichnet alle nicht zu den Roma gehörenden Menschen, die „Anderen“.
Jenische sind eine anerkannte kulturelle Minderheit, die vor allem in der Schweiz, aber auch in Deutschland, Frankreich, den Benelux-Staaten und in Österreich verwurzelt ist. Hierzulande sind Jenische eine autochthone Minderheit mit eigener Sprache, die, oft unter Verfolgung und Zwang, mehrheitlich sesshaft geworden sind. Von den rund 30’000 Schweizer Jenischen pflegen etwa 2’000-3’000 eine halbnomadische Lebensweise. Das Jenische ist eine auf den jeweiligen Regionalsprachen aufbauende Sprache mit Lehnwörtern aus dem Romanés, dem Jiddischen und dem Rotwelschen.
Dem Ausdruck Fahrende liegt der Begriff „gens du voyage“ des französischen Rechts zugrunde. Dieser umfasst Personen und Gruppen, die sich in Frankreich ohne festen Wohnsitz aufhalten. Damit soll eine Ethnisierung vermieden werden. In der Schweiz hat der Ausdruck „gens du voyage“ bzw. „Fahrende“ einen anderen Sinn und beschränkt sich auf die fahrende Lebensweise. Diese muss von der ethnischen Zugehörigkeit bzw. dem kulturellen Selbstverständnis unterschieden werden. Mit dem Begriff «Fahrende» werden sowohl in- wie auch ausländische Jenische, Sinti und Roma gemeint. Von den Jenischen und Sinti mit Schweizer Staatsbürgerschaft pflegen noch 2’000 bis 3’000 Personen eine fahrende Lebensweise. Wenn von fahrenden Roma gesprochen wird, sind damit vor allem ausländische Roma gemeint, von den Roma in der Schweiz führen nur gerade einmal ein Prozent eine fahrende Lebensweise.
Zum AnfangLetzte Aktualisierung: 16.01.2023