Caso 2018-041N
Zurigo
Cronistoria della procedura | ||
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2018 | 2018-041N | Der Beschuldigte ist der mehrfachen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB schuldig. |
2018 | 2018-072N | Das Bundesgericht weist die Beschwerde, soweit darauf eingetreten wird, ab. |
Criteri di ricerca giuridici | |
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Atto / Fattispecie oggettiva | Discredito o discriminazione (4° comma 1ª metà) |
Oggetto della protezione | Religione |
Domande specifiche sulla fattispecie | Fattispecie soggettiva |
Parole chiave | |
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Autori | Persone politiche |
Vittime | Musulmani |
Mezzi utilizzati | Scritti; Comunicazione elettronica |
Contesto sociale | Internet (senza social media) |
Ideologia | Ostilità antimusulmana |
Der Beschuldigte hat zwei Internettexte geschrieben und veröffentlicht, in denen er kriminell verwerfliches Verhalten, das von Menschen muslimischen Glaubens begangen wurde, verallgemeindernd der gesamten muslimische Gemeinschaft zuschreibtund versucht, es durch ihren Glauben zu rechtfertigen. Der Beschuldigte ist der mehrfachen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB schuldig.
In seinem ersten Text wirft der Beschuldigte die Fragen auf, warum Muslime auf Altäre scheissen und in Taufbecken urinieren und warum muslimische 3.-Klässler Kindergartenmädchen auf dem Schulweg vergewaltigen würden.
In seinem zweiten Text schreibt der Beschuldigte „nicht alle Muslime sind Vergewaltiger, aber die meisten Vergewaltiger sind Muslime..“.
Decisione 2018-041N
Der Rassendiskriminierung macht sich schuldig, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossender Weise herabsetzt oder diskriminiert (Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB).
Öffentlichkeit
Die dem Beschuldigten vorgehaltenen Äusserungen erfolgten auf der für jedermann zugänglichen Internetseite der Partei X. Damit blieben die Äusserungen nicht auf das engere private Umfeld des Beschuldigten beschränkt, sondern sind gegenüber einem uneingeschränkten Personenkreis erfolgt und daher als öffentliche Äusserungen zu qualifizieren.
Verletzung der Menschenwürde
Das Gericht ist mit dem Beschuldigten einig zu gehen, dass islam-kritisch nicht rassistisch sei und nicht alles, was irgendwie mit Islam-kritik zu tun hat, als rassistisch zu bezeichnen sei. Rassistisch sei eine Kritik jedoch dann, wenn sie die Ebene der Sachlichkeit verlasse und Personen oder Personengruppen, die dem Islam angehören öffentlich in einer gegen die Menschenwürde verstossender Weise herabsetzt (vgl. BGE 131 IV 23). Dies sei für eine sachliche, kritische Auseinandersetzung mit dem Islam und dem Koran nicht erforderlich und könne deshalb auch unter dem Deckmantel der Aufklärung der Bevölkerung nicht gerechtfertigt werden. Rassismus beginne dort, wo der Unterschied gleichzeitig eine Abwertung der Opfer bedeute und das Hervorheben von Unterschieden letztlich nur ein Mittel sei, die Opfer negativ darzustellen und deren Würde zu missachten (BGE 138 III 641 E. 4.3).
1. Textanalyse
Hinsichtlich der ersten Frage nimmt der Artikel Bezug auf eine Veröffentlichung vom Vortag, in welcher aufgegriffen worden war, dass „im Baslerischen“ Jugendliche in den Taufstein einer katholischen Kirche uriniert und auf den Hauptaltar geschissen hätten. Dabei habe es sich jedoch nicht um einen aktuellen Vorfall resp. Bericht gehandelt, sondern um einen Vorfall aus dem Jahr 2006.
Das Aufwerfen dieser Fragen respektive das Aufnehmen dieses Themas erfülle für sich alleine eben so wenig den Tatbestand der Rassendiskriminierung, wie das Zitieren einzelner Stellen aus dem Koran. Jedoch gehe der Beschuldigte weiter. Er werfe mit seiner undifferenzierten Frage „warum scheissen Muslime …“ und der Aussage, die Erklärung liege im Koran, dem „heiligen Lehrbuch“ aller Muslime, alle Muslime in einen Topf. Er lasse ausser acht, dass es eine einmalige Aktion von muslimischen Jugendlichen war und spreche mit Bezug auf die Verursacher einfach pauschal von „Muslimen“. Sodann führe er an, dass die Sache ganz einfach sei und der Grund im Koran liege, dem „heiligen Lehrbuch“ aller Muslime. Auch die aufgeworfene Frage „Warum vergewaltigen muslimische 3. Klässler Kindergartenmädchen auf dem Schulweg?“ verbinde der Beschuldigte mit der Aussage, die Erklärung liege im Koran, dem „heiligen Lehrbuch“ aller Muslime. Er vermittle mit dieser Verbindung den Eindruck, dass diese Handlungen durch den Koran nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar gefördert resp. verlangt würden und sämtliche Muslime zu solchen Handlungen bereit seien resp. solche Handlungen vornehmen oder unterstützen würden. Diese pauschale Verbindung der Vorfälle mit dem Koran werde ergänzt durch die Auflistung von Suren, die sich gegen Nicht-Muslime richten, was den Eindruck verstärken solle, dass alle Muslime solche Taten unterstützen würden. Insbesondere spreche der Beschuldigte undifferenziert von „dem Koran“, dem heiligen Lehrbuch aller Muslime, und negiere, dass im Islam durchaus auch Meinungen vertreten werden, die einer weniger wörtlichen Auslegung des Korans folgen.
In den Äusserungen fehle sodann eine sachliche Auseinandersetzung mit den aufgegriffenen Vorfällen. Mit den vorerwähnten pauschalen, alle Muslime erfassenden Fragen und der dargestellten Verbindung zum für alle Muslime verbindlichen Koran würden alle Muslime aufgrund ihrer Religion als Menschen öffentlich pauschal als rückständig und damit minderwertig dargestellt, und sie somit in ihrer Menschenwürde herabgesetzt.
Zusammenfassend sei festzuhalten, dass bezüglich des Internettextes vom 18. Juli 2011 der objektive Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB erfüllt ist.
2. Textanalyse
Zwar setze er diese Aussage in Anführungszeichen, nenne aber keine Zitatstelle. Damit mache er sich diese Aussage zu eigen. Die Aussage nenne keine Kriminalstatistik und sie erfolge auch nicht erkennbar im Zusammenhang mit Ausführungen zu einer solchen. Der Beschuldigte führe alsdann konkret einen Vorfall aus dem Jahr 2006 aus Norwegen an. Mit der einleitenden Pauschalisierung, wonach die meisten Vergewaltiger Muslime seien, würden jedoch sämtliche Muslime in ein schlechtes Licht gerückt. Sodann vermöge die Einleitung „nicht alle Muslime sind Vergewaltiger“ die Hauptaussage, die meisten Vergewaltiger seien Muslime, nicht zu neutralisieren. Es bleibe der – durch nichts konkret belegte – Eindruck, dass die meisten Vergewaltiger Muslime seien. Somit bezichtige der Beschuldigte mit diesen Äusserungen pauschal und undifferenziert die männlichen Angehörigen des muslimischen Glaubens der Missachtung der sexuellen Integrität der Frauen.
Der Beschuldigte ziele mit dieser Aussage darauf ab, Muslime, und zwar sämtliche (männlichen) Muslime, aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als potenzielle Vergewaltiger und damit als Menschen abschätzig darzustellen und setze sie damit auf eine tiefere Stufe als andere Personen. Damit würden die (männlichen) Muslime in ihrer Würde als Menschen herabgesetzt und es werde durch diese Verallgemeinerung gegen die Menschenwürde dieser Personengruppe verstossen.
Dementsprechend erfülle auch dieser Text den objektiven Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB.
Subjektiver Tatbestand
Subjektiv erforderlich sei, dass der Täter vorsätzlich handle, wobei Eventualvorsatz genüge.
Der Beschuldigte bringe wiederholt vor, dass die Diskussion und Argumentation nie gegen Menschen (Muslime) gegangen sei, alles habe sich stets um die Lehre, also das geschriebene Wort gedreht.
Es könne auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Entgegen der Ansicht des Beschuldigten wurde keine „Analyse“ des Korans vorgenommen, sondern die vom Beschuldigten vorgenommen undifferenzierten Schlussfolgerungen in den Texten setzten verallgemeinernd die Muslime als Menschen wegen ihrer Religion herab. Der Beschuldigte spreche von „dem“ Koran, zitiere daraus ausschliesslich gewaltverherrlichende, sich gegen anders Gläubige und gegen Frauen gerichtete Suren und verbinde diese mit pauschalisierenden, undifferenzierten Schlussfolgerungen über die Angehörigen des Islams. Wähle der Beschuldigte aber verallgemeinernde, pauschale Aussagen über Muslime, mit welchen er seine Geringschätzung gegenüber dieser Personengruppe als Menschen zum Ausdruck bringt, so nehme er in Kauf, damit gegen deren Menschenwürde zu verstossen. Damit sei zumindest von einem eventualvor-sätzlichem Handeln auszugehen, womit auch der subjektive Tatbestand der Rassendiskriminierung erfüllt sei.
Rechtfertigungsgründe und Grundrechtskonflikte
Die Grundrechte seien nur im Rahmen der jeweiligen gesetzlichen Grundlage gewährleistet. Nach Art. 10 Abs. 2 EMRK darf die Meinungsäusserungsfreiheit Schranken unterworfen werden, welche zum Erhalt einer demokratischen Gesellschaftsordnung erforderlich sind. Art. 261bis StGB tut dies im Bereich der Rassendiskriminierung und stellt eine entsprechende gesetzliche Grundlage dar, die die Grundrechte wie die hier angerufenen einzuschränken vermag. Eine Verurteilung verstosse folglich nicht gegen die in der EMRK und BV garantierten Grundrechte. Zwischen Rassendiskriminierung und Meinungsäusserungsfreiheit könnerichtigerweise und entgegen der Auffassung des Beschuldigten prinzipiell kein Grundrechtskonflikt bestehen, weil die Menschenwürde eine notwendige Vorbedingung für die Ausübung von Menschenrechten darstelle. Folglich könne man sich nicht auf ein Grundrecht berufen, um anderen Menschen die Grundrechte abzusprechen: Es gebe kein „Menschenrecht auf Menschenrechtsverletzung“ (BSK StGB II-Schleiminger Mettler, Art. 261bis, N 28 u.a. mit Verweis auf BGer-Urteil 6B_297/2010 vom 16. September 2010).
Wie ausgeführt, stelle nicht das Zitieren aus dem Koran eine Verletzung von Art. 261bis StGB dar, sondern die vom Beschuldigten in diesem Zusammenhang gemachten Äusserungen, welche in einer gegen die Menschenwürde der Muslime verstossender Weise erfolgten. Der Beschuldigte könne sich daher weder auf die Meinungs- und Informationsfreiheit noch die Medienfreiheit berufen. Aus demselben Grund gehe auch eine Berufung auf Art. 173 Ziff. 2 StGB fehl. Aus der verfassungsmässigen Verankerung der politischen Parteien liessen sich keine Rechte oder Pflichten ableiten, ausser für die Behörden im Sinne einer (allerdings vagen) Rücksichtnahmepflicht. Bei den Bestimmungen von Art. 5 BV handle es sich um „blosse“ Verfassungsgrundsätze und nicht um verfassungsmässige (Individual-)Rechte. Zwar sei der Grundsatz der Verhältnismässigkeit von grosser praktischer Bedeutung bei Grundrechtseinschränkungen. Jedoch vermöge der Beschuldigte hieraus keine Rechtfertigung für sein Handeln ableiten.
Dementsprechend sei das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen zu verneinen.
Fazit
Zusammenfassend seo festzuhalten, dass der Beschuldigte der mehrfachen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB schuldig zu sprechen und hierfür angemessen zu bestrafen sei.
Der Beschuldigte ist der mehrfachen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB schuldig. Der Beschuldigte wird mit einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 70.– bestraft. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt.
Decisione 2018-072N
Das Bundesgericht weist die Beschwerde, soweit darauf eingetreten wird, ab. Dem Beschwerdeführer wird eine Ordnungsbusse von 500 CHF auferlegt.