Fall 2002-024N

Universitäts-interne Homepage eines Professors mit Links zu rassendiskriminierenden Websites

Zürich

Verfahrensgeschichte
2002 2002-024N 1. Instanz spricht den Angeklagten frei.
2003 2003-026N 2. Instanz bestätigt das erstinstanzliche Urteil und spricht den Angeklagten frei.
Juristische Suchbegriffe
Tathandlung / Objektiver Tatbestand Art. 261bis StGB / 171c MStG (keine Spezifizierung des Tatbestandes);
Organisation von Propagandaaktionen (Abs. 3)
Schutzobjekt keine Ausführungen zum Schutzobjekt
Spezialfragen zum Tatbestand Subjektiver Tatbestand
Stichwörter
Tätergruppen Angestellte im öffentlichen Dienst
Opfergruppen Keine Angaben zur Opfergruppe
Tatmittel Weitere Tatmittel
Gesellschaftliches Umfeld Internet (ohne Soziale Medien)
Ideologie Antisemitismus;
Rassismus (Nationalität / Herkunft)

Kurzfassung

Der zu beurteilende Sachverhalt spielte sich im Februar 2000 ab. Dabei ging es um die universitäts - interne Homepage des Angeklagten, von welcher der jeweilige Benutzer durch Anwählen eines Links «click here» auf eine andere Website gelangte, welche wiederum hundert weiterführende Links enthielt. All diese Hundert Links führten auf Seiten mit rassendiskriminierendem Inhalt.

Der Angeklagte wurde beschuldigt, mit dem harmlos wirkenden Link «click here» das Interesse der Besucher wecken gewollt zu haben, um die Hass - Seiten möglichst einem breiten Publikum zugänglich zu machen und so die dort vertretenen Ideologien weiter zu verbreiten. Der Angeklagte bestritt dies. Die Links seien im Rahmen einer Diskussion um Internet - Benutzerregeln sowie als Kritik an bestehenden Regeln aufgeschaltet worden, und nicht um rassistische Propaganda zu fördern.

Im erstinstanzlichen Verfahren (siehe Entscheid Nr. 2002-24 Datenbank) wurde der Angeklagte vom Vorwurf der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 3 StGB freigesprochen. Die Klägerin hatte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Die zweite Instanz stützte das erstinstanzliche Urteil und sprach den Angeklagten der Rassendiskriminierung frei. Das Gericht verneinte die Förderung einer rassistischen Propagandaaktion. Es stützte sich in der Begründung darauf, dass sich der Angeklagte die Inhalte der verlinkten Websites nicht durch technische oder inhaltliche Integration in seine Homepage angeeignet habe. Vielmehr habe er diese Verlinkung zu illustrativen Zwecken einer Diskussion um Internet - Benutzungsregeln aufgeschaltet. Zudem führte der erste Link auf eine antirassistische Webseite, und erst von dieser aus konnte man sich auf die fraglichen Seiten verlinken. Unter all diesen Umständen seien die Einwände der Berufungsführerin unbegründet.


Entscheid 2002-024N

1. Instanz spricht den Angeklagten frei.

Rechtliche Erwägungen

Objektiver Tatbestand von Art. 261bis Abs. 3 StGB

«Förderung» von Propagandaaktionen durch das Setzen von Links:

Gemäss der 1. Instanz wies der Verteidiger zu Recht auf die Bedeutung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit im Sinne von Art. 16 und 20 BV bzw. Art. 10 EMRK hin. Zwar kann sich keineswegs auf diesen Artikel von BV und EMRK berufen, wer im Sinne von Art. 261bis Abs. 3 StGB Propagandaaktionen fördert, aber: «Bei der Frage, wann ein tatbestandsmässiges Fördern vorliegt, ist den genannten Freiheitsrechten aber Rechnung zu tragen, soll nicht jede Diskussion oder Stellungnahme, die auf gemäss Art. 261bis StGB strafbare Quellen verweist, unterbunden werden." (E. III 2.4.3, S. 33 f.) Weiter: "[...] sollen nicht beispielsweise wissenschaftliche Quellennachweise in Fussnoten einer Hitler-Biographie oder das Zeigen von historischen Filmaufnahmen aus dem Dritten Reich in einem Dokumentarfilm als strafbares Verbreiten nationalsozialistischen Gedankenguts geahndet werden." (E. III 2.4.3, S. 34)

Die 1. Instanz zitiert auch § 86 DStGB, der das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellt und in Abs. 3 ausdrücklich eine Ausnahme von der Strafbarkeit vorsieht, «wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient." (E. III 2.4.3, S. 34) Gemäss der 1. Instanz muss diese Regelung, bereits hinsichtlich des objektiven Tatbestandes von Art. 261bis Abs. 3 StGB, auch für das schweizerische Recht gelten.

Die 1. Instanz stellt sich die Frage, ob es sich bei der Setzung von Links in einer Website, d.h. in einem auf das Internet gestellten Dokument, um eine blosse Zugangsvermittlung zu einer anderen Website handelt, die einem Verweis gleichzusetzen ist, oder ob ein Link als ein Bereithalten von (fremden) Inhalten zu qualifizieren ist. (E. III 2.4.4.1, S. 36)

«Keine besonderen Schwierigkeiten ergeben sich, wenn der Linkanbieter eigene Inhalte zum Nutzen bereit hält. Für diese von ihm selbst stammenden Inhalte ist er in jedem Fall allgemein, zivil- wie strafrechtlich, verantwortlich. Fraglich ist jedoch, wie es sich verhält, wenn der Anbieter mittels eines Link den Zugang zu einem fremden Inhalt ermöglicht bzw. einen fremden Inhalt zur Nutzung bereit hält. Die uneingeschränkte Strafbarkeit des Setzens eines Link würde in diesen Fällen [...] weder der Eigenart des Link als zentrales Instrument des Internet gerecht, noch der Pflicht der rechtsanwendenden Organe zur Berücksichtigung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit auch im Rahmen von Art. 261bis StGB." (E. III 2.4.4.2, S. 37) In diesen Fällen ist daher zu prüfen, ob sich der Linkanbieter diesen Inhalt zu eigen gemacht hat. Gemäss der 1. Instanz drängen sich bei dieser Frage die folgenden Unterkriterien auf:

* Der konkrete Kontext des Link;

* Der thematische Bezug des Link;

* Die Link-Methode.

Anhand der dargelegten Kriterien prüft die 1. Instanz , ob der Angeklagte mit dem Setzen seines Link die erwähnten Propaganda(aktionen) auch tatsächlich «förderte»:

*Konkreter Kontext des Link: Gesamthaft ist festzuhalten, das der vom Angeklagten ins Internet gestellt Text selbst keine rassistischen Äusserungen enthält. Mit dem Beispiel wollte der Professor eine medienrechtliche Diskussion über weltweit verfügbare Inhalte anstossen, die in einem Kulturkreis akzeptabel sind, im andern aber nicht: «Aus dem gesamten Kontext des fraglichen Abschnittes [...] ergibt sich jedoch, dass der Angeklagte mit dem fraglichen Link [...] in die Diskussion über die Benutzungspolitik der [UNI] in Bezug auf das WWW eingriff und die Meinungsäusserungsfreiheit auf akademischer Ebene als gefährdet ansah. Dies versuchte er mit den zwei provokativ gesetzten Links zu illustrieren. Der konkrete Kontext des fraglichen Links spricht daher nicht dafür, dass der Angeklagte sich damit fremde, rassistische Inhalte zu eigen gemacht hätte." (E. III 2.5.2, S. 42)

*Thematischer Bezug des Link: «Gesamthaft ist [...] festzuhalten, dass im fraglichen Abschnitt die Aktivitäten des Angeklagten bezüglich der Zugänglichkeit von Internetseiten im WWW im Zusammenhang mit den nach seiner Auffassung zu stark einschränkenden Richtlinien für dessen Benutzung durch die Angehörigen der [UNI] dokumentiert werden. Dabei enthält der vom Angeklagten verfasste Text selbst mitsamt den von ihm gesetzten Links keinerlei Hinweis auf irgendwelche rassistischen [...] Websites." (E. III 2.5.3, S. 44) Gemäss der 1. Instanz liefert auch der thematische Bezug somit keinen Hinweis darauf, dass sich der Angeklagte mit dem erwähnten Link fremde, rassistische Inhalte zu eigen gemacht hätte.

*Link-Methode: «Was die Linkmethode anbetrifft, so hat der Angeklagte vorliegend einen sog. Deeplink gesetzt [...]. Bei einem gewöhnlichen Link oder Hyperlink [...] führt der vom Linkanbieter gesetzte Link auf die Homepage des Dritten [...], währenddem ein Deeplink auf eine auf einer tieferen Ebene liegende Seite verweist [...]."(E. III 2.5.4, S. 45) Dieser Deeplink führte direkt auf die antirassistische Internetseiten. Diese Seiten enthalten die bereits mehrfach erwähnte Link-Liste, welche eine Reihe von Links samt Kurzbeschreibungen von rassistischen und nationalistischen Websites aufführt. Gemäss der 1. Instanz: «Aus dem vom Angeklagten gesetzten Link [...], mit welchem dann der fragliche [...] - und damit die entsprechenden Seiten - abgerufen wurde, ergab sich allerdings noch nicht, was für eine Website ihm zu Grunde lag." (E. III 2.5.4, S. 45) Die Link-Methode spricht damit jedenfalls nicht dafür, dass sich der Angeklagte mit seinem Link die strafrechtlich verpönten Inhalte der in der Anklageschrift aufgelisteten «Hass-Seiten» zu eigen gemacht hätte.

Gestützt auf den oben geschilderten thematischen Bezug des fraglichen Link, den konkreten Kontext des Link und die Linkmethode urteilt die 1. Instanz, dass sich der Angeklagte mit der Setzung des fraglichen Links, der auf die antirassistischen Pages führte, nicht zu eigen gemacht hat. Seine strafrechtliche Verantwortlichkeit ist deshalb zu verneinen. Der objektive Tatbestand von Art. 261bis Abs. 3 StGB ist also nicht erfüllt.

Subjektiver Tatbestand von Art. 261bis Abs. 3 StGB

Gemäss der 1. Instanz hat wohl der Angeklagte den fraglichen Link wissentlich und willentlich gesetzt; er wusste, dass dieser auf die antirassistische Website führte, von wo aus eine Reihe von rassistischen Links angeklickt werden konnten. Aber gleichzeitig ging der Angeklagte zu Recht davon aus, «dass es sich um eine antirassistische Website handelte, die gegenteils dazu aufrief, sich gegen derartige rassistische Websites mit den zur Verfügung stehenden (legalen) Mitteln zur Wehr zu setzen. Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen zum konkreten Kontext des Link und zu seinem thematischen Bezug ist nicht nur nicht erstellt, sondern geradezu widerlegt, dass es dem Angeklagten mit dem Setzen seines Link [...] darum gegangen wäre, rassistische Propagandaaktionen zu fördern, also konkret mit seinem Link für rassistisches Gedankengut zu werben und so auf die Mitmenschen einzuwirken, dass sie durch die auf der fraglichen Link-Liste bzw. durch die mittels dieser Link-Liste erreichbaren Organisationen für das von diesen geäusserte Gedankengut gewonnen oder gar in ihrer entsprechenden Überzeugung gefestigt würden." (E. III 3.2, S. 48 f.) Damit fehlt es vorliegend am subjektiven Tatbestand von Art. 261bis Abs. 3 StGB.

Entscheid

Der Angeklagte ist nicht schuldig und wird freigesprochen.


Entscheid 2003-026N

2. Instanz bestätigt das erstinstanzliche Urteil und spricht den Angeklagten frei.

Rechtliche Erwägungen

  • Das Gericht verweist in den vorliegenden Erwägungen auf das erstinstanzliche Urteil. In diesem sei die Frage, ob das Setzen von Links die Tathandlung des Förderns von Propagandaaktionen erfülle oder nicht, ausführlich erörtert worden. In zutreffender Weise sei davon ausgegangen worden, dass mit «Fördern» alle denkbaren Formen der Teilnahme gemeint seien, die die Durchführung einer Propagandaaktion erleichtern. Dadurch erfasse Abs. 3 der Rassendiskriminierungsnorm alle Teilnahmehandlungen am Aufruf zu Hass oder Diskriminierung sowie am Verbreiten von Ideologien als eigenständige Delikte. Weiter erörterte die erste Instanz den Begriff und die Bedeutung von Links im Internet an sich, sowie spezifisch unter dem Blickwinkel der Meinungsäusserungs- und Wissenschaftsfreiheit gemäss Art. 16 und Art. 20 BV resp. Art. 10 EMRK. Sie hielt dazu fest, dass Propagandamittel, die der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Lehre und Forschung oder der Berichtererstattung über zeitgenössische und geschichtliche Ereignisse dienten von der Strafbarkeit des Art. 261bis Abs. 3 StGB ausgenommen seien.
  • Gemäss dem vorliegenden Urteil hielt die erste Instanz weiter fest, dass zur Begrenzung der Strafbarkeit als Hauptmerkmal die entscheidende Frage entwickelt worden sei, ob derjenige der den Link gesetzt hat sich dadurch den fremden Inhalt aneignet oder nicht. Nur wenn der Anbieter sich den fremden Inhalt, der mittels Link für den Nutzer bereitgehalten wird, zu Eigen gemacht habe ist er für diesen verantwortlich. Mit dieser Unterscheidung werde denn auch der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit genügend Rechnung getragen. Aus diesem Hauptkriterium würden drei Unterkriterien abgeleitet: 1. der konkrete Kontext des Links, sprich die Stellungnahme zum Linkverweis; 2. der thematische Kontext des Links, sprich der thematischen Zusammenhang der Inhalte von verweisender Website zum Unterverzeichnis; 3. die Link- Methode, das heisst die technische Ausgestaltung des Links, die Frage ob es sich um einen gewöhnlichen Link, einen Deeplink, einen Imagelink oder um einen Frame handelt.

    All diese Kriterien wurden bei der Überprüfung des fraglichen Sachverhaltes von der ersten Instanz angewendet. Im Rahmen der Prüfung des Hauptmerkmals wurde die Homepage des Angeklagten eingehend studiert. Dabei stellte die untersuchende Behörde fest, dass es sich dabei eindeutig um eine antirassistische Website handelte. Der konkrete Kontext des Links «click here» war, mittels einer Veranschaulichung zur Problematik der Meinungsäusserungsfreiheit in die Diskussion über Benutzungsdirektiven der Universität zum Internetgebrauch einzugreifen. Die Verlinkung sei illustrativen Charakters gewesen, die Umstände sprechen demnach nicht dafür, dass sich der Angeschuldigte fremde Webinhalte zu Eigen gemacht habe. Eine Überprüfung des zweiten Unterkriteriums ergebe auch keine Anzeichen dafür. Zum gleichen Ergebnis führe denn auch die Prüfung der angewandten Link - Methode. Durch den verwendeten Deeplink habe sich der Angeschuldigte den Inhalt der rassistischen Seiten nicht zu Eigen gemacht, denn die fraglichen Inhalte werden bei dieser Methode nicht in die verweisende Website integriert. Der objektive Tatbestand nach Art. 261bis Abs. 3 StGB sei damit nicht erfüllt.

  • Das zweitinstanzliche Gericht hielt fest, dass auf all die eben angeführten sorgfältigen und zutreffenden rechtlichen Erwägungen der ersten Instanz gemäss Art. 161 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) verwiesen werden könne. Es sei demnach vorliegend nur noch auf die Berufungsbegründung einzugehen.
  • Die Klägerin machte in dieser geltend, aufgrund der Funktionsweise des Links sei es unzutreffend, dass der Angeklagte sich nicht des Inhaltes der Hass - Seiten zu Eigen gemacht habe. Die Website des Angeklagten sei durch den Link mit der Hass - Seite verschmolzen gewesen und auch die Link- Methode lasse vermuten, dass der Angeschuldigte die Hass- Seiten mit dem Link in seine Homepage integriert habe.
  • Die urteilende Behörde erwog dazu, dass es sich bei einem Deeplink um eine optionale und nicht um eine automatische Verlinkung handle, d.h. der Nutzer wird nicht ohne sein Zutun weitergeleitet. Zweck der automatischen Links sei es, fremde Webinhalte in die eigene Website zu integrieren. In technischer Hinsicht könne demnach in casu nicht gesagt werden, der Angeklagte habe durch die verwendete Link - Methode den Inhalt der rassistischen Sites in seine eigene integriert.

    Vergleiche man die Gestaltung der Website des Angeklagten mit derjenigen des Unterverzeichnisses, so seien die Unterschiede derart auffällig, dass sofort jedem Nutzer klar werde, dass er durch den angewählten Link auf eine andere Website gelangt sei. Auf der Homepage des Angeklagten sei der fragliche Link «click here» unter dem Titel «Some past activities» zu finden gewesen. Über diesen gelangte man auf die in der Anklage als Propaganda für Hass - Seiten bezeichnete Website, das so genannte Unterverzeichnis. Dieses enthielt im oberen Teil eine auffällige Grafik mit einem Hakenkreuz. Übergrosse Ratten, von denen eine mit «Hate groups» bezeichnet war, schlichen in die Mitte des Hakenkreuzes, wo sich Onkel Sam befand. Darunter folgte der in der Anklageschrift enthaltene Titel: «White Supremacists, Neo Nazi’s, Holocaust Revisionists, Skinheads, The Klan and Nationalists.», gefolgt vom als weitere Überschrift erkennbaren Text «Hate is like cancer- it doesn’t matter if you have a lot of cancer or a little. It’s still cancer!» (Hass ist wie Krebs- es spielt keine Rolle ob du viel Krebs oder wenig davon hast. Es bleibt Krebs!). Nach einem weiteren Zwischenraum erschien die umfangreiche Linksammlung, von der jeder dieser hundert Links auf eine Website rassistischen Inhaltes führte. Sowohl die beschriebene Grafik wie auch die englischen Titel auf der Unterverzeichnis- Website waren nicht zu übersehen, und sie machten denn auch klar, dass es sich dabei nicht um Propaganda für die verlinkten Hass - Seiten, sondern um das Gegenteil handelte. Dieser Eindruck verstärkte sich durch einen Zusatz im abschliessenden Teil der Website, welcher die Besucher aufforderte, den Providern dieser «Hass- Seiten» eine Nachricht zu senden und sie darauf aufmerksam zu machen, dass sie gut darauf achten sollten, wem sie ihre Dienste zur Verfügung stellten. Es folgte eine Anleitung, wie man die Adressen der jeweiligen Provider ausfindig machen kann. Inhaltlich könne man daher nicht davon sprechen, dass der Angeschuldigte sich den Inhalt einer fremden Website angeeignet habe. Es treffe auch nicht zu, dass die gewählte Link- Methode die Vermutung nahe legen würde, der Angeklagte habe die Hass - Seiten in seine eigene Website integriert.

    Als Folge der eben gemachten Erwägungen sei dieser Einwand daher unbegründet.

  • Ein weiterer Einwand der Klägerin war gewesen, dass für den Nutzer nicht erkennbar gewesen sei, welche Art von Websites sich hinter dem Link «click here» verborgen haben. Der Angeschuldigte habe dies bewusst so gemacht, um Neugier zu wecken und die so Nutzer dazu zu bringen, auf diesen unbekannten, rassistischen Sites zu surfen. Die Haltung des Angeklagten diesen Seiten gegenüber sei unklar geblieben. Zudem habe sich der thematische Bezug und der konkrete Kontext des Links nach zwei drei Mausklicks verloren, und die rassendiskriminierenden Seiten hätten ihre Werbewirkung voll entfalten können.
  • Zu diesen Argumenten erörterte das Gericht den thematischen Kontext, welchen es als eindeutig gegeben erachtete. Der Richter stützte seine Erwägungen auf folgenden Text, der von der Anklage aus dem Englischen Original übersetzt, und von der Justizbehörde wo nötig ergänzt worden war:

    «Ich habe mit Arbeitskollegen XY eine Antwort auf die offizielle www- Politik entworfen, die von einigen Z vertreten wird. Seit dem 1. März 1999 existiert nun eine revidierte Version. Die Situation hat sich zwar verbessert, jedoch ist die freie Rede ABC noch immer nicht so weit verbreitet, wie man das von einer DEF- Institution erwarten würde. Ich erinnere daran, dass niemand sicher ist vor der Abschaltung von Seiten im www (Dieser eindeutig falsch übersetzte Satz lautet richtigerweise: Denken sie daran, niemand kann der transitiven Abgeschlossenheit von Verweisen im www entgehen.) Das World Wide Web ist ein neues Medium, in welchem die verschiedenen Standards der Webcommunities aufeinander prallen. Schweizerische Kontrollinstanzen sollten also hier anklicken- der «Webpolizei» von Pennsylvania empfehle ich einen Blick auf diese Seite zu werfen, falls sie nervös werden möchten.»

    Dieser Text lässt nach Erachten der zweiten Instanz keine Zweifel aufkommen, das es in diesem Abschnitt um Fragen im Zusammenhang mit Benutzungsregelungen für das Internet ging. Es gehe zudem klar daraus hervor, dass der Angeklagte Kritik an der geltenden Regelung üben wollte und in diesem Zusammenhang die fraglichen Links aufgeschaltet habe. Vor diesen beiden Links - einer davon führte zu den in casu massgebenden rassistischen Sites, der andere zu pornographischen - habe der Text durch einen Link auf eine frühere Stellungnahme zu den Benutzungsdirektiven und durch zwei weitere Links zu anderen Dokumenten betreffend der kritisierten Regelung geführt. Wer die Inhalte dieser dem «click here» vorangegangenen Links gelesen habe, dem sei auch klar gewesen, dass er unter fraglichem Link mit einem irgendwie kritischen und kontrovers beurteilten Inhalt konfrontiert werde. Durch diese thematische Einbettung sei der Nutzer nicht gänzlich unvorbereitet mit rassistischem Gedankengut konfrontiert worden wie dies die Anklage geltend gemacht habe.

    Die Behauptung, der thematische Bezug sei durch zwei Mausklicks verloren gegangen, sei nicht belegt. Sowohl der Umstand, dass der fragliche Link nur von einem Nutzer angewählt wurde, der den wiedergegebenen Text auf der Website des Beschuldigten gelesen habe, als auch die Tatsache, dass das Unterverzeichnis den Zweck der Linksammlung klar zum Ausdruck gebracht habe, spreche gegen die Behauptung. Es treffe daher nicht zu, dass sich mit der beschriebenen Einbettung eine Werbewirkung der einzelnen Hass- Seiten hätte entfalten können.

  • Die erstinstanzliche Beurteilung des Sachverhalts erweise sich als zutreffend. Gestützt auf den thematischen Bezug, den konkreten Kontext und die verwendete Linkmethode hatte der Angeklagte weder den Inhalt des ersten verlinkten Unterverzeichnisses noch der weiteren verlinkten Sites in seine Website integriert. Demnach habe er keine Propagandaaktion gefördert. Der objektive Tatbestand gemäss Art. 261bis Abs. 3 StGB sei nicht erfüllt.
  • Zum subjektiven Tatbestand der Rassendiskriminierungsnorm hielt das Gericht fest, dass zu dessen Erfüllung ein vorsätzliches oder eventualvorsätzliches Handeln nötig sei. Da die Elemente des Vorsatzes sich im Innern eines Menschen abspielten, sei ein direkter Nachweis nicht möglich. Falls wie in casu die vorgeworfenen Tatsachen bestritten würden obliege dem Staat die Beweislast, d.h. er hat die strafbaren Handlungen nachzuweisen. Solange der gesetzliche Nachweis fehle, gelte die Unschuldsvermutung gemäss Art. 6 Ziff. 2 EMRK. Vorliegend habe der Angeklagte ein eventual- oder vorsätzliches Handeln immer bestritten. Gemäss seiner Aussage habe er Illustrationsbeispiele für community standards und die damit verbundenen rechtlichen Probleme geben wollen. Er habe nie die Absicht gehabt, rassistische Propaganda zu fördern.
  • Gemäss den richterlichen Erwägungen sei es unbestritten, dass der Angeschuldigte die Links wissentlich und willentlich gesetzt habe. Ihm war auch bewusst gewesen, dass man sich vom ersten Unterverzeichnis aus auf rassistische Websites verlinken konnte. Er sei jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei diesem Unterverzeichnis um eine antirassistische Seite gehandelt habe. Wie vorgängig erörtert lasse sich dem Angeklagten weder nach dem konkreten noch dem thematischen Kontext des Links «click here» ein Vorsätzliches Handeln nach Art. 261bis StGB nachweisen. Im Gegenteil müsse es aufgrund der konkreten Umstände als widerlegt gelten, dass der Beschuldigte rassistische Propaganda fördern wollte. Die Aussagen der befragten Zeugen bestätigten diese Schlussfolgerungen. Auch aus diesen Aussagen liessen sich keine Anhaltspunkte für die Absicht rassistischer Propaganda entnehmen. Alle Aussagen bestätigten den Zusammenhang der Link- Aufschaltung mit der Diskussion über die Internet - Benutzerregelungen.

    In der Berufungsbegründung hatte die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, der Angeklagte habe über den Inhalt der Hass- Seiten genau Bescheid gewusst und somit erkennen müssen, dass sich der Kampf gegen Rassismus mit ein paar wenigen Klicks ins Gegenteil verkehre. Diese Wirkung habe er bewusst in Kauf genommen. Dazu führte das Gericht aus, dass das Unterverzeichnis nach der grafischen und inhaltlichen Darstellung klar und unübersehbar gegen die rassistischen Seiten Stellung bezogen habe. Einer allfälligen Propagandawirkung war durch dadurch der Boden entzogen. Auch wurden die Nutzer auf dieser Website dazu aufgefordert, sich gegen solche Hass- Seiten einzusetzen. Die Zweckbestimmung der fraglichen Verlinkung war demnach unübersehbar antirassistisch.

  • Der subjektive Tatbestand sei auch nicht erfüllt, der Angeklagte daher vom Vorwurf der Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 3 StGB freizusprechen.
  • Im erstinstanzlichen Urteil waren die Kosten der Untersuchung und des Gerichtsverfahrens auf die Gerichtskasse übernommen worden. Gleichzeitig war dem Angeklagten eine Prozessentschädigung sowie eine Genugtuung aus der Gerichtskasse zugesprochen worden. Die Klägerin hatte im Berufungsverfahren für den Fall eines Freispruchs beantragt, die Kosten des Verfahrens seien dem Angeklagten aufzuerlegen. Diesem Antrag werde mangels Widerrechtlichkeit und mangels verschuldeter Einleitung eines Verfahrens von seiten des Angeklagten nicht entsprochen. Dem Antrag des Verteidigers auf Schadenersatz und Genugtuung werde wegen ungenügender Substantiierung auch nicht entsprochen; es werde mithin in ein Nachverfahren deswegen, wie auch wegen der Forderungen entsprechend der Kostenfolgen des Berufungsverfahrens, verwiesen.
  • Entscheid

    Der Angeklagte wird von der Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 3 StGB freigesprochen. Die erstinstanzliche Kostenregelung wird bestätigt. Für die von der Verteidigung geltend gemachten Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen sowie die Kostenfolgen des Berufungsverfahrens wird in ein Nachverfahren verwiesen.