Fall 2022-137N

Verbreiten antisemitischer Ideologien auf Webseite

Graubünden

Verfahrensgeschichte
2022 2022-137N Die 1. Instanz spricht den Beschuldigten der Diskriminierung durch Verbreiten von Ideologien, aufgrund der Rasse, Ethnie oder Religion gemäss Art. 261bis Abs. 2 StGB schuldig.
Juristische Suchbegriffe
Tathandlung / Objektiver Tatbestand Verbreiten von Ideologien (Abs. 2)
Schutzobjekt Ethnie;
Religion
Spezialfragen zum Tatbestand keine
Stichwörter
Tätergruppen Privatpersonen
Opfergruppen Juden
Tatmittel Schrift
Gesellschaftliches Umfeld Medien (inkl. Internet);
Internet (ohne Soziale Medien)
Ideologie Antisemitismus

Kurzfassung

Der Beschuldigte hat, zwischen dem 19. April 2020 und dem 23. September 2020 von seinem Wohnort aus, antisemitische Ideologien verbreitet. Auf seiner Webseite und in einem Leserbrief in den Bündner Nachrichten äusserte er sich wiederholt abfällig über Juden. Er behauptete unter anderem, dass eine jüdische «Schattenregierung» die Schweiz negativ beeinflusse, und stellte die Juden als Herrenmenschen dar, die eine globale Herrschaft anstrebten und von der Corona-Pandemie profitierten. Diese Äusserungen wurden öffentlich verbreitet und dienten der systematischen Herabsetzung und Verleumdung von Juden.
Die 1. Instanz spricht den Beschuldigten der Diskriminierung durch Verbreiten von Ideologien, aufgrund der Rasse, Ethnie oder Religion gemäss Art. 261bis Abs. 2 StGB schuldig.

Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft Graubünden eröffnete die Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten wegen Diskriminierung durch Verbreiten von Ideologien aufgrund der Rasse, Ethnie oder Religion gemäss Art. 261bis Abs. 2 StGB.
Der Anklageschrift liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Im Zeitraum zwischen dem 19. April 2020 und dem 23. September 2020 verbreitete der Beschuldigte von seinem Wohnort aus, antisemitische Ideologien auf seiner Webseite. Der Beschuldigte machte dabei folgende Äusserungen:

  • «Die ferngesteuerten 'EU-Video-Konferenz-Experten' unter schiessen seither in den Ringier-Herbst- und Supino-Medien und dem auch jüdisch gesteuerten, antischweizerischen NZZ-Hetzblatt gegen die in die Augen springende Tatsache, dass Kinder wenig von Corona betroffen sind, nur um der Schweiz weiteren Schaden zuzufügen! Heute stellt sich vor allem auch die Frage, ob unsere faktisch jüdische 'Schattenregierung' im BAG aufräumte und dort neu ihre Leute (Levy) einsetzte, weil Strupler und Koch ihren Weisungen nicht nachkamen.»
  • «Im Bundesrat scheint die jüdische Schattenregierung heute bereits über eine sichere Mehrheit zu verfügen.»
  • «Aus eigener Erfahrung kann ich immerhin sagen, dass die wenigen Schweizer, die noch zu ihrem Lande stehen, von den Juden und ihren Quislingen - soweit es in ihrer Macht steht - wie Neger in Südafrika zur Zeit der Apartheid behandelt werden!»
  • «Juden im Macht- und Maskenrausch: Das neue Herrenvolk der Juden verlangt Aufgabe aller gewachsenen Sprachen, Kulturen und Religionen ausser seiner eigenen; das ist eine neue Art von globalem Ultrarassismus!»
  • «Zudem ist Corona eine wunderbare Geldmaschine für die jüdischen 'Besatzer- und Hetzmedien', während gleichzeitig (!) Sender mit Schweizer Musik bei ihren Hörern um Geld betteln müssen. Kurz: Corona macht 'die Juden' reicher und (fast) alle anderen ärmer; darum wollen sie auch, dass Corona möglichst nie aufhöre.»
Weiter verfasste der Beschuldigte von seinem Wohnort aus, nachfolgenden Leserbrief mit antisemitischen Ideologien und publizierte diesen am 20. September 2019 in den Bündner Nachrichten sowie auf der Webseite X.:
  • «Die neuen Herrenmenschen»
  • «Sind linksextreme Antischweizerjuden die neuen Herrenmenschen, deren Symbole (Gesslerhüte) wir anbeten sollen? Im Namen von Weltoffenheit, Antifaschismus und Rassismus ist heute alles erlaubt, selbst Völkermord im ganz grossen Stil auf unblutig biologisch-ökologische Weise durch fremde, invasive Arten, und unser Parlament lässt aktuell weitere (Asyl-)Heerlager für sie bauen, während die Hetzmedien der Antischweizer-Herrenmenschen von Blick bis Fernsehen uns einhämmern, Selbstmord sei Pflicht. Das geht nur, weil kaum jemand auf einen guten Listenplatz ohne Zustimmung der Herren-Nazi kommt.»
  • «Bitte an alle mit Verstand und Anstand: keine einzige Stimme für die linke Herrenknechte-Einheitspartei aus SP- und FDP-Grünen, BOP und CVP!»
  • «Mit dem Verbreiten dieser antisemitischen Ideologien auf der Webseite sowie in den Bündner Nachrichten wurden jüdische Personen herabgesetzt und verleumdet, wobei der Beschuldigte diesen Umstand zumindest in Kauf nahm.»

Rechtliche Erwägungen

Analyse der Äusserungen:

  • «NZZ von Juden gesteuert»: Keine systematische Herabsetzung oder Verleumdung im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB
  • «Jüdische Schattenregierung im BAG»: Keine Diskriminierung, keine Ideologie verbreitet
  • «Jüdische Schattenregierung im Bundesrat»: Keine Ideologie, keine Herabsetzung
  • «Juden als Apartheid-Regime»: Herabwürdigung der Juden, Gleichwertigkeit als menschliche Wesen abgesprochen
  • «Juden als Ultrarassisten»: Diskriminierung durch Bezugnahme auf Nationalsozialismus, Herabwürdigung
  • «Juden profitieren von Corona»: Unterstellung von Geldgier, pauschalisierende Herabwürdigung
  • Leserbrief vom 20. September 2019: Verwendung des Begriffs «Herrenmenschen» und Vorwurf des Völkermords, Herabwürdigung der Juden
Zusammenfassend ergibt sich damit, dass der Beschuldigte in Bezug auf die drei ersten Abschnitte der Anklageschrift («Die ferngesteuerten «EU-Video-Konferenz Experten»... ; Heute stellt sich vor allem auch die Frage ... ; Im Bundesrat scheint...» ) vom Vorwurf der Diskriminierung durch Verbreiten von Ideologien, aufgrund der Rasse, Ethnie oder Religion gemäss Art. 261bis Abs. 2 StGB freizusprechen ist, weil in den fraglichen Textpassagen lediglich insinuiert wird, in der Schweiz herrsche eine jüdische Schattenregierung, was nicht als Ausfluss einer Ideologie resp. als Verbreitung einer solchen qualifiziert werden kann. Hinsichtlich der übrigen in der Anklageschrift aufgeführten Texte sind sämtliche Tatbestandsmerkmale von Art. 261bis Abs. 2 StGB erfüllt. Die systematische Herabsetzung und Verleumdung jüdischer Personen durch die Aussagen des Beschuldigten stellt eine Diskriminierung gemäss dar.

Entscheid

Die 1. Instanz spricht den Beschuldigten der Diskriminierung durch Verbreiten von Ideologien, aufgrund der Rasse, Ethnie oder Religion gemäss Art. 261bis Abs. 2 StGB schuldig.
Der beschuldigte ist mit einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je CHF 80.00 zu bestrafen, unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.