Caso 2000-049N

Verunglimpfung von Asyl Suchenden in einem Zeitungsartikel

Lucerna

Cronistoria della procedura
2000 2000-049N Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt das Strafverfahren ein.
Criteri di ricerca giuridici
Atto / Fattispecie oggettiva Incitamento all’odio o alla discriminazione (1° comma);
Propagazione di un'ideologia (2° comma);
Discredito o discriminazione (4° comma 1ª metà)
Oggetto della protezione Razza;
Etnia
Domande specifiche sulla fattispecie
Parole chiave
Autori Giornalisti / editori
Vittime Richiedenti l'asilo
Mezzi utilizzati Scritti
Contesto sociale Media (Internet incl.)
Ideologia Razzismo (nazionalità / origine)

Sintesi

Gegenstand dieses Verfahrens ist ein Zeitungsartikel aus dem Jahre 2000, in dem der angeschuldigte Autor des Artikels mit seinen Äusserungen gewisse Volksgruppen und Ethnien, welche Asylgesuche stellen, diffamierte. Asyl Suchende wurden anhand eines konkreten Beispiels pauschal verunglimpft und es wurde ein generelles Bild eines arbeitsscheuen, schmarotzenden und delinquierenden Asyl Suchenden gezeichnet.

Die Strafverfolgungsbehörde anerkennt zwar bezüglich gewissen Äusserungen die Asyl Suchenden als eine durch Art. 261bis StGB geschützte Gruppe. Sie verneint aber die Tatbestandsmässigkeit des inkriminierten Texts, weil die blosse Zuschreibung gewisser negativer Eigenschaften die Menschenwürde der betroffenen Personen nicht verletze und insbesondere keine Ideologie im Sinne von Abs. 2 darstelle. Das Strafverfahren gegen den Autor wird eingestellt.

In diritto

Der Angeschuldigte rügt in formeller Hinsicht, dass die Anzeigeerstatterin als einfache Gesellschaft zur Anzeige nicht berechtigt war und somit auf die Strafanzeige nicht einzutreten sei. Weiter sei zu prüfen, ob eine Eröffnung eines Strafverfahrens von Amtes wegen gerechtfertigt sei.

Die Strafverfolgungsbehörde war diesbezüglich anderer Meinung und führte folgendes aus: «Beim Rassendiskriminierungsartikel handelt es sich um ein Offizialdelikt, womit jeder die Bestrafung des Täters verlangen kann. Gemäss § 1 StPO [LU] ist die Strafverfolgung von Amtes wegen anzuheben, wenn die Tat nicht nach kantonalem oder Bundesrecht nur auf Antrag hin strafbar ist.
Dabei ist es irrelevant, ob der Anzeigesteller in Form einer – wie vom Verteidiger vorgebracht – einfachen Gesellschaft besteht oder nicht. Hält die Strafuntersuchungsbehörde bei Offizialdelikten Kenntnis von einer strafbaren Tätigkeit, so ist sie verpflichtet, dieser Anzeige Folge zu leisten, mit der Ausnahme, es handle sich um eine zum vornherein gegenstandlose Anzeige, was eine Vonderhandweisung gemäss § 59 Abs. 1 StPO zur Folge hätte. Partei in einem Strafverfahren ist grundsätzlich der Angeschuldigte und, sofern vorhanden, der Privatkläger (vgl. § 32 Abs. 1 StPO). Da [die Anzeigeerstatterin] bis anhin blosse Anzeigeerstatterin und somit nicht Partei im Verfahren ist, sind weitere Erörterungen über ihre Parteistellung hinfällig.
[...] [Die Vonderhandweisung] kommt nur dann in Frage, wenn fest steht, dass die zu beurteilende Handlung zum vornherein mit keiner Strafe bedroht ist. Kann ein Verhalten jedoch erst nach Einleitung einer Strafuntersuchung und nach juristischer Auseinandersetzung strafrechtlich beurteilt werden, ist das Verfahren einzuleiten. Im Zweifelsfalle hat man sich für eine Aufnahme des Verfahrens zu entscheiden. Es muss offensichtlich, d.h. völlig liquid sein, dass der in der Klage geschuldete Sachverhalt keinen strafrechtlich relevanten Tatbestand erfüllt. Ist es zumindest möglich, dass ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt und kann ein strafbares Verhalten nicht gerade ausgeschlossen werden, so ist immer eine Untersuchung einzuleiten (LGVE 1989 I Nr.45).» (E.2.1 und 2.2)

Für den vorliegend zu beurteilenden Fall schliesst die Strafverfolgungsbehörde ein schuldhaftes Verhalten des Angeschuldigten nicht zum vornherein aus. Ob die fraglichen Textpassagen unter die Rassismusstrafnorm fallen, könne erst nach einer juristischen und strafrechtlichen Untersuchung beantwortet werden. Somit ist die Strafuntersuchung durchzuführen.

In materieller Hinsicht hat die Strafverfolgungsbehörde zuerst abzuklären, ob die hier in Frage stehenden Äusserungen gegen eine durch Art. 261bis StGB geschützte Gruppe gerichtet waren. Sie hat die Frage zu beantworten, ob die Gruppe der Asyl Suchenden ebenfalls in den Schutzbereich der Rassismusstrafnorm falle.
«Von Art. 261bis StGB geschützte Gruppen sind Zugehörige zu Rassen, Ethnien oder Religionsgemeinschaften. [...] Im fraglichen Artikel ist die Rede von Asylsuchenden und Asylanten. Asylanten können keiner einzelnen oder bestimmten Ethnie als zugehörig bezeichnet werden. Sie sind verschiedenen kulturellen, sprachlichen oder historischen Hintergründen oder Merkmalen zuzuordnen. Der Begriff Ausländer stellt einen Sammelbegriff für alle Personen mit anderer Staatsbürgerschaft als der schweizerischen und eine rechtliche Kategorie dar, welche dem Schutz von Art. 261bis StGB grundsätzlich nicht untersteht. Sofern der Begriff nicht gleichbedeutend mit oder stellvertretend für Ethnie gebraucht wird, ist eine Unterscheidung aufgrund des Kriteriums Ausländer-/in nach Art. 261bis StGB nicht strafbar (Marcel A. Niggli, Rassendiskriminierung, Zürich 1996, N 495). Ergibt sich jedoch im konkreten Fall, dass der verwendete Begriff Ausländer synonym mit Rasse oder Ethnie gebraucht wurde, so ist Art. 261bis StGB entsprechend anwendbar (Niggli, a.a.O., N 497). Dasselbe gilt für den Begriff Asylanten (vgl. Niggli, a.a.O., N 498). Nach Trechsel genügt sogar eine kollektive Schmähung aller Andersrassigen, unter anderem der Asylanten schlechthin (vgl. Trechsel Stefan, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2.Aufl., Zürich 1997, N 11 zu Art. 261bis StGB). Ein Verhalten soll demnach nicht dadurch straflos sein, indem es sich gegen mehrere Ethnien, bzw. Rassen gleichzeitig wendet und die einzelnen Gruppierungen nicht gesondert aufzählt. Sobald der Begriff Asylanten in der hier zu beurteilenden Veröffentlichung nicht als rechtliche Kategorie, sondern als Menschen anderer Ethnien verstanden wird, ist der Begriff von Art. 261bis StGB erfasst.» (E.4.1)

Bezüglich der Textpassagen, in denen der Angeschuldigte auf die politische Diskussion und die Flüchtlingsproblematik eingeht, beziehe er sich nach der Meinung der Strafverfolgungsbehörde nur auf die rechtliche Kategorie der Asyl Suchenden und eine solche Verwendung des Begriffs «Asyl Suchende» könne nicht unter die Strafnorm des Art. 261bis StGB subsumiert werden.

In Bezug auf die Äusserungen, wonach Asyl Suchende nicht arbeiten würden, nur wegen dem Geld und dem schönen Leben in die Schweiz kämen und illegal einreisen würden etc., ist die Strafverfolgungsbehörde anderer Meinung. «Hier wird ohne weitere Differenzierung dieser Gruppe von Menschen pauschal ein Verhalten in Verbindung gebracht, welches sich von den Schweizern und/oder hier ansässigen Ausländern, welche für ihren eigenen Unterhalt in der Schweiz selber arbeiten und nie Sozialhilfe beansprucht haben, unterschieden. Durch diese Qualifikation stellt der Ausdruck Asylanten oder Asylsuchender im Text ein Sammelbegriff von verschiedenen Ethnien oder Rasse dar, die Nichtschweizer und/oder von der staatlichen Fürsorge abhängige Ausländer sind; sich also in ihrer Eigenart von ihnen unterscheiden würden. Im Hinblick darauf, dass dieser Gruppierung von Menschen global ein Verhalten gemäss obiger Ausführungen nachgesagt wird, handelt es sich nicht mehr um eine rechtliche Verwendung des Begriffes, sondern um eine von Art. 261bis StGB geschützte Gruppe.» (E.4.1 S.6)

Ein tatbestandsmässiges Verhalten im Sinne von Art. 261bis Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 4 Hälfte 1 StGB kann die Strafverfolgungsbehörde hingegen nicht erkennen. Der inkriminierte Text schreibe den Asyl Suchenden nur gewisse negative Eigenschaften zu, ohne ihnen dabei Rechte abzusprechen. Es werde nicht behauptet, dass sie minderwertig seien oder ihnen gar kein Lebensrecht zukomme. Die Menschenwürde sei somit nicht verletzt worden. (E.4.2 und 4.3)

Es fehle zudem bezüglich des «Aufrufens zu Diskriminierung oder Hass» nach Abs. 1 an der gewissen Intensität und es liege keine Ideologie nach Abs. 2 vor. Ideologien im Sinne von Abs. 2 sind «[...] Gedankengebäude, die in sich geschlossen sind oder geschlossen zu sein vorgeben und auf einer absolut gesetzten, keiner Diskussion zugänglichen Grundannahme und Werthaltung beruhen. Der besondere Unrechtsgehalt bei Verbreitung rassistischer Ideologien besteht darin, dass der Täter seiner Botschaft einen scheinwissenschaftlichen Anstrich gibt, d.h. für die Verbreitung einen besonderen intellektuellen Aufwand betreibt, was ein Klima der Rassenhetze fördert (Trechsel, a.a.O., N 20 zu Art. 261bis StGB). Die Ideologie muss dabei ein Unwerturteil enthalten, das sich darauf bezieht, dass die betroffenen Ideen und Werte behaupten, dass sie Ausfluss seien der allgemeinen Suche nach Wahrheit und Allgemeingültigkeit, obwohl sie dies in Wirklichkeit nicht sind. Eine Ideologie bezeichnet eine Wertposition bzw. Weltanschauung, die einerseits den Eigennutz der Vertreter der Ideologie repräsentieren, andererseits auf Grundpositionen fusst, die der Diskussion entzogen sind (Niggli, a.a.O., N 804). Ein Text, welcher lediglich negative Eigenschaften einem bestimmten Personenkreis – auch wenn dies pauschal gemacht wird – unterstellt, verbreitet gemäss obiger Ausführungen noch keine Ideologie im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB.» (E.4.2)

Der Zeitungsartikel habe somit keine in Frage kommende Tatbestandsvariante von Art. 261bis StGB objektiv erfüllt und das Strafverfahren gegen den Autor sei einzustellen.

Decisione

Einstellung des Strafverfahrens.