Cas 2018-062N
Thurgovie
Historique de la procédure | ||
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2018 | 2018-062N | Der Beschuldigte ist der Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis StGB schuldig. |
2019 | 2019-033N | Der Beschuldigte ist schuldig der Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 1, 2 und 4 StGB. |
Critères de recherche juridiques | |
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Acte / Eléments constitutifs objectifs | Incitation à la haine et à la discrimination (al. 1); Propagation d'une idéologie (al. 2); Abaissement ou discrimination (al. 4 1ère phrase) |
Objet de protection | Race; Religion |
Questions spécifiques sur l'élément constitutif |
Mots-clés | |
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Auteurs | Particuliers |
Victimes | Juifs |
Moyens utilisés | Ecrits; Communication électronique |
Environnement social | Médias sociaux |
Idéologie | Antisémitisme |
Der Beschuldigte hat Hassrede gegen jüdische Menschen durch mehrere Einträge auf seinen öffentlichen Twitter- und Facebook-Accounts veröffentlicht. Der Beschuldigte wird der Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis StGB schuldig gesprochen.
Der Beschuldigte veröffentlichte auf seinem öffentlichen Twitter-Account mit fast 30'090 Followern folgende Tweets: «Schweizer Juden kontrollieren das Parlament, ( ... ), Schweizer·Juden kontrollieren die Medien, Schweizer Juden kontrollieren die Justiz, Schweizer Juden kontrollieren die Wirtschaft»; «Schweizer Juden kontrollieren die Wirtschaft, Schweizer Juden sind krimineller als israelische Juden, Die Juden der Schweiz sind krimineller als die Juden Palästinas»; «Juden und Israel beherrschen die Schweiz vollständig. Sie regieren Amerika durch die jüdische Lobby AIPAC. Sie beurteilen die Schweiz nach·CVP»; «Die Verbrechen der schweizerischen NS-Behörden erreichten einen Höhepunkt. Der Nationalsozialismus und die Schweizer Juden haben gegen mich und meine Kinder kriminelle, terroristischen und nationalsozialistische Verbrechen begangen».
Auf seinem öffentlich einsehbaren uhd damit für alle zugänglichen Facebook-Account veröffentlichte der Beschuldigte folgenden Beitrag: «Ich werde eine Botschaft in Jordanien und an internationalen Gerichten verlangen. Entschädigung für Ihr Verbrechen wegen der Verhinderung und Entzug der Ehe seit vielen Jahren und die Ursachen des Rassismus Zionismus Tod für Schweizer Jüdinnen».
Décision 2018-062N
Durch das Posten der besagten Einträge auf seinem öffentlichen Twitter- sowie auf seinem öffentlich einsehbaren Facebook-Account hat der Beschuldigte wisssentlich und willentlich in gegen die Menschenwürde verstossende Weise gegen eine Gruppe von Personen, die Juden, Hass geschürt und Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung der Angehörigen einer Religion gerichtet sind, insbesondere durch klassische antisemitische Vorurteile, verschwörungstheoretische Ansichten und Todesdrohung.
Der Beschuldigte wird der Rassendiskriminierung schuldigt erklärt und mit einer zu vollziehenden Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je Fr. 30.- bestraft. Eine alte aufgeschobene Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je Fr. 30.- wird widerrufen.
Décision 2019-033N
Durch das Posten der besagten Einträge auf seinem öffentlichen Twitter sowie auf seinem öffentlich einsehbaren Facebook-Account habe der Beschuldigte wissentlich und willentlich in gegen die Menschenwürde verstossende Weise gegen eine Gruppe von Personen, die Juden, Hass geschürt und Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung der Angehörigen einer Religion gerichtet seien, insbesondere durch klassische antisemitische Vorurteile, verschwörungstheoretische Ansichten und Todesdrohung. Im Einzelnen hält das Obergericht Folgendes fest:
Öffentlichkeit
Öffentlich im Sinn der neueren Rechtsprechung zum Tatbestand der Rassendiskriminierung sind mit Rücksicht auf das geschützte Rechtsgut der Menschenwürde Äusserungen und Verhaltensweisen, die nicht im privaten Rahmen erfolgen. Privat sind Äusserungen und Verhaltensweisen im Familien- und Freundeskreis oder sonst in einem durch persönliche Beziehungen oder besonderes Vertrauen geprägten Umfeld.
Zutreffend - und vom Berufungskläger nicht bestritten - erwog die Vorinstanz, dass die Äusserungen des Berufungsklägers auf Twitter und auf Facebook öffentlich waren. Auf Twitter sind die telegrammartigen Kurznachrichten («Tweets») standardmässig öffentlich, und die Nachrichten des Berufungsklägers konnten von jeder beliebigen (auch bei «Twitter» nicht angemeldeten) Person gelesen werden. Auch der Account des Beschuldigtes ist (nach wie vor) öffentlich einsehbar. «Facebook» ermöglicht zwar die Beschränkung der Einsehbarkeit gewisser Inhalte auf Freunde, was einen «privaten» Rahmen schaffen kann; die Äusserungen auf dem Profil des Beschuldigtes waren aber auch für Facebook-Nutzer, welche nicht als Freunde verlinkt sind beziehungsweise waren, einsehbar, und sind es heute grösstenteils noch.
Objektiver Tatbestand
Die Vorinstanz erwog, die inkriminierten Äusserungen des Beschuldigtes würden alle objektiven Tatbestandselemente erfüllen. Wer, wie der Beschuldigte, öffentlich und schriftlich behaupte, Schweizer Juden kontrollierten das Parlament, die Medien, die Justiz und die Wirtschaft; Schweizer Juden seien krimineller als israelische Juden beziehungsweise die Juden Palästinas; Juden und Israel beherrschten die Schweiz vollständig; sie regierten auch Amerika durch die jüdische Lobby AIPAC und die Verbrechen der schweizerischen NS-Behörden erreichten einen Höhepunkt; der Nationalsozialismus und die Schweizer Juden hätten gegen den Beschuldigten und seine Kinder kriminelle, terroristische und nationalsozialistische Verbrechen begangen und eine Entschädigung geltend mache «für Ihr Verbrechen wegen der Verhinderung und Entzug der Ehe seit vielen Jahren und die Ursachen des Rassismus bzw. Zionismus» und den Schweizer Jüdinnen den Tod wünsche, schüre Hass und rufe zu Diskriminierung der Schweizer Juden (und auch sämtlicher Staatsangehöriger der Schweiz) auf und verbreite Ideologien, die auf die systematische Herabsetzung der Angehörigen, hier der jüdischen Religion, gerichtet seien, insbesondere durch klassische antisemitische Vorurteile, verschwörungstheoretische Ansichten und Todesdrohungen. Die Äusserungen des Berufungsklägers seien auch nicht durch die Meinungsäusserungsfreiheit gedeckt, sondern würden mittelbar den öffentlichen Frieden und das Land, welches dem Beschuldigten seit Jahren Schutz und Unterstützung gewähre, gefährden. Dass der Beschuldigte zwischen («bösen») Zionisten und («guten») Juden oder Religion und Politik unterscheiden wolle, lasse sich seinen eingeklagten Äusserungen sodann nicht entnehmen. An der Hauptverhandlung seien seine diesbezüglichen Ausführungen ebenfalls nicht stringent gewesen.
Unbestritten ist, dass das Judentum nach der Rechtsprechung eine Religion im Sinn von Art. 261bis StGB darstellt.
Indem der Beschuldigte in seinem auf seinem Facebook-Account veröffentlichten Beitrag den «Tod für Schweizer Jüdinnen» forderte, rief er öffentlich gegenüber einer Gruppe von Personen wegen ihrer Religion zu Hass auf, weshalb diesbezüglich der objektive Tatbestand von Art. 261bis Abs. 1 StGB ohne Weiteres erfüllt ist.
Die zwei erste mit Twitter verbreiteten Nachrichten (1) und 2)) sind aufgrund ihres zeitlichen und örtlichen Konnexes als Einheit zu betrachten. In der Gesamtaussage ergibt sich für einen Durchschnittsleser klar, dass Schweizer Juden generell kriminell seien - noch krimineller als die Juden Palästinas -, und dass sie die Medien, die Justiz und die Wirtschaft kontrollieren würden. Durch diese Aussagen wird ein feindseliges Klima gegenüber den (Schweizer) Juden geschaffen, verschärft oder zumindest unterstützt, weshalb durch diese Aussage die Tatbestandsvariante von Art. 261bis Abs. 1 StGB erfüllt ist. Die Behauptung, die Angehörigen einer bestimmten Gruppe seien alle Verbrecher ist sodann auch herabsetzend im Sinn von Art. 261bis Abs. 4 StGB. Als herabsetzend gilt auch der Vergleich einer bestimmten Gruppe mit den Nationalsozialisten. Entsprechend verstiess der Beschuldigte auch mit der Verbreitung seines drittes Tweets (3)) gegen Art. 261bis Abs. 4 StGB. Mit den Aussagen auf seinem vierten Tweet verbreitete der Beschuldigte - für den Durchschnittsleser auch klar erkennbar - bekannte antisemitische Verschwörungstheorien. Mit seinen Posts auf Twitter verbreitete der Beschuldigte diskriminierendes Gedankengut im Sinn von Art. 261bis Abs. 2 StGB.
Zweifellos ist es dem Beschuldigte erlaubt, sich auch in den sozialen Medien kritisch gegen den Staat Israel (oder auch schweizerische Behörden) zu äussern, zumal der Staat Israel nicht von Art. 261bis StGB geschützt ist. Den angeklagten Ausserungen kann allerdings kein politischer Inhalt entnommen werden. Weiter kann der Umstand, dass der Beschuldigte die Politik der Staates Israel verurteilt, nicht zur Rechtfertigung diskriminierender Aussagen gegen Menschen aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit dienen. Auch der Umstand, dass ihm - nach seiner Auffassung - seit Jahren in der Schweiz Unrecht geschieht, rechtfertigte keinesfalls die Ausserungen des Beschuldigtes. Dies gälte selbst dann, wenn erstellt wäre, dass irgendwelche Personen jüdischen Glaubens einen Einfluss darauf hatten.
Subjektiver Tatbestand
Es besteht sodann kein Zweifel daran, dass der Berufungskläger die inkriminierten Ausserungen mit Wissen und Willen in Bezug auf sämtliche objektive Tatbestandselemente tätigte. Zunächst war dem Berufungskläger zweifelsohne bewusst, dass er sich mit seinen Ausserungen an die Öffentlichkeit wandte. Auch wusste er, dass er mit dem Inhalt seiner Nachrichten in Bezug auf eine religiöse Gruppe - hier die (Schweizer) Juden beziehungsweise Jüdinnen - zu Hass aufrief, diskriminierende Ideologien verbreitete und diese herabsetzte. Es kann sodann ausgeschlossen werden, dass der Berufungskläger in sprachlicher Hinsicht den Inhalt seiner Nachrichten nicht richtig einschätzen konnte. Einerseits zeigte sich im Rahmen der Berufungsverhandlung, dass der Berufungskläger durchaus über Grundkenntnisse in der deutschen Sprache verfügt; andererseits sind die angeklagten Äusserungen auch einfach formuliert und überaus deutlich, und sie entsprechen in ihrem Inhalt den vom Berufungskläger in anderen Sprachen in den sozialen Medien verbreiteten Nachrichten.
Schuld
Das objektive Tatverschulden des Beschuldigtes kann nur schon mit Blick auf den Eintrag auf Facebook, worin er «Tod für Schweizer Jüdinnen» verkündete, nicht mehr leicht wiegen. Den weiteren Äusserungen des Beschuldigtes kommt im Vergleich dazu eine untergeordnete Bedeutung zu.
Der Beschuldigte ist Palästinenser mit Wohnsitz in der Schweiz. Er ist aus gesundheitlichen Gründen nicht erwerbstätig und bezieht Ergänzungsleistungen. Der Beschuldigte hat seine unbestritten schwierige Lebensgeschichte offensichtlich zum vorherrschenden Thema in seinem Leben gemacht. Er macht seine Feindbilder (die Juden beziehungsweise den Mossad, die Zionisten und die Schweizer Juden) kollektiv dafür verantwortlich, was ihm widerfahren ist und widerfährt. Es ist davon auszugehen, dass sowohl seine schwierigen Lebensumstände als auch seine gesundheitlichen Beschwerden (physischer und psychischer Art) einen Einfluss auf die dem Beschuldigte vorgeworfene Tat hatte, weshalb diese Tatsachen bereits im Rahmen der subjektiven Tatschwere (und nicht erst im Rahmen der Täterkomponenten) wesentlich zugunsten des Beschuldigtes zu berücksichtigen sind. Es verbleibt jedoch ein zumindest leichtes Verschulden.
In Bezug auf die Täterkomponente wirken sich die (allerdings nicht einschlägigen) Vorstrafen leicht zum Nachteil des Beschuldigtes aus. Weitere Umstände, welche sich auf die Strafe auswirken würden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Beschuldigte seine Äusserungen in irgendeiner Weise bereuen würde.
Gesamthaft kann das Verschulden des Beschuldigtes noch knapp als leicht bezeichnet werden. Die von der Vorinstanz gefällte Geldstrafe von 30 Tagessätzen trägt diesem Verschulden ohne Weiteres Rechnung und ist daher nicht herabzusetzen.
Konkurrenzen
Folglich kann Art. 49 StGB angesichts des erstinstanzlichen Schuldspruchs wegen einfacher Begehung hier nicht zur Anwendung kommen, obwohl der Beschuldigte an fünf verschiedenen Tagen auf Twitter beziehungsweise Facebook jeweils voneinander verschiedene gegen Art. 261bis StGB verstossende Nachrichten verbreitete.
Der Beschuldigte ist schuldig der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 1, 2 und 4 StGB. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 10.00, entsprechend CHF 300.00. Der dem Beschuldigten mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft für eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen à CHF 30.00 mit einer Probezeit von 2 Jahren gewährte bedingte Strafvollzug wird nicht widerrufen, hingegen wird die Probezeit um ein Jahr verlängert. Die Berufung ist unbegründet. Das Obergericht bestätigt das Urteil des Bezirksgerichts.