Fall 1996-015N

Flugblatt über kriminelle Ausländer im Dienstlokal der SBB

Bern

Verfahrensgeschichte
1996 1996-015N Nichteröffnung der Strafverfolgung (zuständige Strafverfolgungsbehörde).
Juristische Suchbegriffe
Tathandlung / Objektiver Tatbestand Herabsetzung oder Diskriminierung (Abs. 4 Hälfte 1)
Schutzobjekt keine Ausführungen zum Schutzobjekt
Spezialfragen zum Tatbestand keine
Stichwörter
Tätergruppen Angestellte im öffentlichen Dienst
Opfergruppen Ausländer und Angehörige verschiedener Ethnien
Tatmittel Schrift
Gesellschaftliches Umfeld Öffentliche Orte;
Arbeitswelt
Ideologie Rassismus (Nationalität / Herkunft)

Kurzfassung

Der Angeschuldigte erhielt von einer unbekannten Person ein Flugblatt, das sich über kriminelle Ausländer ausliess. Er fotokopiertes dieses Flugblatt und heftete ein Exemplar ans Anschlagbrett im Dienstlokal des Bahnhofs.

Die Strafverfolgung gegen den Angeschuldigten und unbekannte Täterschaft wird nicht eröffnet, weil die Strafverfolgungsbehörde zum Schluss kommt, dass das fragliche Flugblatt nicht eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion herabsetze, da es sich lediglich gegen Kriminelle wende.

Rechtliche Erwägungen

Der vorliegende Fall wird von der zuständigen Strafverfolgungsbehörde unter dem Aspekt von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 1 StGB untersucht. Die Strafverfolgungsbehörde kommt jedoch zu dem Schluss, dass keine strafrechtlich relevante Herabsetzung der im Flugblatt angesprochenen Personen vorliege. "Obwohl das Anheften dieses geschmacklosen Flugblattes an ein Anschlagbrett die betroffenen Gruppen von Menschen in moralisch verwerflicher Weise herabsetzte, kann es nicht unter einen Tatbestand von Art. 261bis StGB subsumiert werden. (...) Eine blosse Herabsetzung einer Gruppe von Menschen allein genügt also nicht, um den Tatbestand des Art. 261bis Abs. 4 [Hälfte 1] StGB zu erfüllen, vielmehr muss darin zusätzlich ein Verstoss gegen die Menschenwürde liegen. Nach der Botschaft des Bundesrates zum Antirassismusgesetz wird gegen die Menschenwürde verstossen, wenn dem Opfer "seine Qualität als Mensch schlechthin abgesprochen" wird. Die Bezeichnung einer ganzen Menschengruppe als Kriminelle stellt sicher eine Herabsetzung dieser Gruppe dar, sie spricht den Betroffenen aber nicht ihre Qualität als Menschen schlechthin ab und reicht zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes von Art. 261bis Abs. 4 [Hälfte1] StGB nicht aus."

Zudem spreche das fragliche Flugblatt zwar sehr geschmacklos in einem Atemzug von Ausländern und Kriminellen, jedoch verunglimpft es nicht im Besonderen die Zugehörigkeit zu einer Rasse, Ethnie oder Religion.

Entscheid

Nichteröffnung der Strafverfolgung.