Fall 2019-014N

Streit vor privatem Hallenschwimmbad

Wallis

Verfahrensgeschichte
2019 2019-014N Die 2. Instanz weist die Berufung ab und spricht die Angeklagte frei.
Juristische Suchbegriffe
Tathandlung / Objektiver Tatbestand Herabsetzung oder Diskriminierung (Abs. 4 Hälfte 1)
Schutzobjekt Religion
Spezialfragen zum Tatbestand keine
Stichwörter
Tätergruppen Privatpersonen
Opfergruppen Juden
Tatmittel Gesten / Gebärden
Gesellschaftliches Umfeld Öffentliche Orte
Ideologie Antisemitismus

Kurzfassung

Vor einem Hallenbad eines Hotels kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen jüdischen Hotelgästen und einer Nachbarin. Die Nachbarin machte antisemitische Äusserungen und beschimpfte die Gäste. Wegen der unklaren Beweislage spricht die 2. Instanz die Beschuldigte der Rassendiskriminierung frei.

Sachverhalt

An einem Abend gegen 20:00 Uhr beabsichtigten männliche, jüdische Gäste eines Hotels im dazugehörigen Hallenschwimmbad zu baden. Dazu kam es zwischen folgenden Personen zu einem Streit, wer berechtigt war, das Hallenbad zu nutzen:

- Verwalter des Hotels
- Jüdischer Gast, der sich in seinen Kleidern im Vorraum zum Hallenschwimmbad befand und fortlaufend die eintreffenden jüdischen Männer begrüsste, Reiseleiter der Gruppe
- Eine Eigentümerin einer Wohnung im selben Hotel

Die Angeklagte besitzt eine Wohnung im selben Hotelkomplex und wollte am gleichen Abend das Hallenschwimmbad benutzen, wie die jüdischen Feriengäste. Der Reiseleiter der jüdischen Gruppe hatte im Vorfeld mit dem Verwalter des Hotels abgemacht, dass die jüdischen Gäste das Schwimmbad während zwei Wochen jeweils abends von 20:00 Uhr bis 21:00 Uhr exklusiv benutzen dürfen. Dies wurde von der Angeklagten und anderen Wohnungseigentümern im Hotel deutlich beanstandet, als der Verwalter auf Anfrage keine schriftliche Bewilligung der Gesamtverwaltung aufweisen konnte. Die Angeklagte ereiferte sich darüber, dass das Schwimmbad von 20:00 Uhr bis 21:00 Uhr ohne Mehrheitsbeschluss der Eigentümer an Gäste zur Verfügung gestellt worden sei.

Die Gruppe begann zu streiten und der Streit begann allmählich zu eskalieren. Laut des jüdischen Reiseleiters habe die Angeklagte die jüdischen Gäste mehrfach mit Beleidigungen wie «Judenschweine» und den Verwalter des Hotels als «deutsches Nazischwein» beschimpft. Weiterhin habe sie während der lautstarken Auseinandersetzung mehrfach ihr Oberteil hoch- und schliesslich ausgezogen, um im Bikini schwimmen zu gehen. Laut der Angeklagten habe der jüdische Reiseleiter sie geschlagen und als «befleckte Unreine» beschimpft, als er von der Angeklagten am Ärmel berührt wurde. Auch wurden sinngemässe Äusserungen getätigt, die Juden sollen sich in der Schweiz wie Gäste aufführen und sich an die Gegebenheiten anpassen und ansonsten «verschwinden». Im Rahmen dieses Streits wurden daraufhin mehrfach unfreundliche Äusserungen und Anspielungen auf die ausländische Herkunft gemacht. Als sich das Gespräch in eine strafrechtlich heikle Richtung entwickelte, habe ein Freund der Angeklagten sie gepackt und signalisiert, sie solle aufhören, was sie danach auch getan hat.

Rechtliche Erwägungen

Die zweite Instanz hält fest, dass beide Seiten inhaltliche Glaubhaftigkeitsmerkmale vorbringen können. Die Vorhalte der Privatkläger seien jedoch mit zahlreichen Widersprüchen betreffend die Tätlichkeiten und Äusserungen der Angeklagten belastet. Die 2. Instanz schliesst sich den Erwägungen der 1. Instanz an und hält die gemäss Anklageschrift erhobenen Vorwürfe für möglich, aber nicht hinreichend bewiesen. Es verbleiben aus Sicht der 2. Instanz genug starke Zweifel am Vorliegen der angeklagten rassistischen, diskriminierenden oder ehrverletzenden Äusserungen.

Entscheid

Die 2. Instanz spricht die Beschuldigte von der Anklage der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB frei.