Cas 2015-027N
St-Gall
Historique de la procédure | ||
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2015 | 2015-027N | Die zuständige Strafverfolgungsbehörde tritt auf die Strafsache nicht ein. |
Critères de recherche juridiques | |
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Acte / Eléments constitutifs objectifs | Incitation à la haine et à la discrimination (al. 1); Abaissement ou discrimination (al. 4 1ère phrase) |
Objet de protection | |
Questions spécifiques sur l'élément constitutif | Bien juridique protégé; Elément constitutif subjectif de l'infraction |
Mots-clés | |
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Auteurs | Particuliers |
Victimes | Juifs |
Moyens utilisés | Déclarations orales; Sons / images; Autres moyens utilisés |
Environnement social | Lieux publics; Loisirs / Sport |
Idéologie | Aucune indication sur l'idéologie |
In St. Gallen fand während der Fasnachtszeit ein Spiel zwischen dem FC Luzern und dem FC St. Gallen statt. Viele FCL-Fans, darunter der Beschuldigte, reisten verkleidet an (vorwiegend mit blau-weissen Perücken). Einer der Fans war als Jude verkleidet. Auf dem Weg vom Bahnhof bis zum Fussballstadion lief dieser der FCL-Fan-Truppe voraus. Mehrmals deutete ein FCL-Fan an, den als Jude verkleideten Mann mit einer Stange schlagen zu wollen. Letzterer begann ausserdem zu tanzen, während die FCL-Fans, darunter der Beschuldigte, hinter ihm sangen: „Und sie werden fallen, die Juden aus St. Gallen“. Der als Jude verkleidete Mann gab an, das Kostüm getragen zu haben, um das Klischee der St. Galler-Fans, welche schweizweit als Juden bezeichnet würden, darzustellen.
Der Beschuldigte erklärte, er habe die Bedeutung des Mannes mit der Juden-Verkleidung nicht erkannt. Auch er habe gerufen: „Und sie werden fallen, die Juden aus St. Gallen.“ Mit „fallen“ sei verlieren gemeint gewesen; warum das Wort Jude mit St. Gallen in Verbindung gebracht werde, wisse er nicht. Er könne sich nicht erinnern, dass der als Jude verkleidete Mann geschlagen worden sei. Es habe sich definitiv nicht um eine geplante Aktion gehandelt (Diese Aussage erachtet die Strafverfolgungsbehörde als glaubhaft). Man habe die Rivalität zwischen Luzern und St. Gallen symbolisieren wollen, denn der Ausdruck „Juden aus St. Gallen“ werde seit mindestens 10 Jahren verwendet. Die Juden hätten damit nicht provoziert werden sollen. Möglicherweise werde das Wort Jude im Sinne von „Unterlegenheit“ verwendet, genau könne er das aber nicht sagen. Die Medien hätten die Sache unnötig aufgeheizt. Die Strafverfolgungsbehörde erachtet die Darstellung des Vorfalls in den Medien, es sei ein als Jude verkleideter Mann von den Luzerner Fans durch die Strassen getrieben worden, ebenfalls als offensichtlich falsch. Die Bezeichnung der St. Galler Fans als „Juden“ qualifiziert sie für sich allein nicht als diskriminierend. Der Sprechtext „Und sie werden fallen, die Juden aus St. Gallen“ solle insgesamt die Hoffnung, dass der FC Luzern den FC St. Gallen besiegen werde, ausdrücken. Der Begriff „Juden“ sei also als Synonym für St. Galler verwendet worden. Zweck der Aktion sei es nicht gewesen, den Juden die Qualität als Menschen abzusprechen. Die Grenze einer strafbaren Diskriminierung der Juden im Sinn von Art. 261bis StGB wurde damit gemäss der Strafverfolgungsbehörde nicht erreicht.
In St. Gallen fand ein Spiel zwischen dem FC Luzern und dem FC St. Gallen statt. Da dieser Match in die Fasnachtszeit fiel, reisten viele FCL-Fans verkleidet an (vorwiegend mit blau-weissen Perücken). So auch der Beschuldigte, welcher ein altes Trikot des FC Luzern trug und im Gesicht weiss-blau geschminkt war. Einer der Fans war als Jude verkleidet. Er trug ein Jackett, einen Hut mit Schläfenlocken, einen schwarzen Bart und eine Plastiknase mit Brille. Ebenfalls trug er um den Hals eine Kette mit einem Dollar-Zeichen sowie einen FCSG-Schal. Auf dem Weg vom Bahnhof bis zum Fussballstadion lief der als Jude verkleidete Mann der FCL-Fan-Truppe voraus und grüsste Passanten. Mehrmals löste sich von ihm unbemerkt ein FCL-Fan aus dem „Fanwalk“ heraus und deutete an, ihn mit einer Stange schlagen zu wollen. Der als Jude verkleidete Mann drehte sich jeweils um, woraufhin der Mann mit der Stange von seinem Tun abliess.
Der als Jude verkleidete Mann begann ausserdem zu tanzen, während die FCL-Fans hinter ihm, darunter auch der Beschuldigte, sangen: „Und sie werden fallen, die Juden aus St. Gallen“. Danach verbeugte sich der als Jude verkleidete Mann vor den Luzerner Fans und zeigte den St. Galler Fans seine Locken. Die FCL-Fans skandierten nun: „Scheiss-St. Gallen, Scheiss St. Gallen“.
In der polizeilichen Befragung gab der als Jude verkleidete Mann an, er habe das Kostüm schon am Vorabend an der Luzerner Fasnacht getragen. Weil die St. Galler-Fans schweizweit als Juden bezeichnet würden, habe er die Verkleidung vor dem Fussballspiel getragen, um das Klischee der St. Galler-Fans darzustellen. Er habe nicht damit gerechnet, dass die Aktion ein so grosses Medienecho hervorrufen würde.
Der Beschuldigte erklärte, er habe die Bedeutung des Mannes mit der Juden-Verkleidung nicht erkannt. Auch er habe gerufen: „Und sie werden fallen, die Juden aus St. Gallen.“ Mit „fallen“ sei verlieren gemeint gewesen; warum das Wort Jude mit St. Gallen in Verbindung gebracht werde, wisse er nicht. Er könne sich nicht erinnern, dass der als Jude verkleidete Mann geschlagen worden sei. Es habe sich definitiv nicht um eine geplante Aktion gehandelt (Diese Aussage erachtet die Strafverfolgungsbehörde als glaubhaft). Man habe die Rivalität zwischen Luzern und St. Gallen symbolisieren wollen, denn der Ausdruck „Juden aus St. Gallen“ werde seit mindestens 10 Jahren verwendet. Die Juden hätten damit nicht provoziert werden sollen. Möglicherweise werde das Wort Jude im Sinne von „Unterlegenheit“ verwendet, genau könne er das aber nicht sagen. Die Medien hätten die Sache unnötig aufgeheizt. Die Strafverfolgungsbehörde erachtet die Darstellung des Vorfalls in den Medien, es sei ein als Jude verkleideter Mann von den Luzerner Fans durch die Strassen getrieben worden, ebenfalls als offensichtlich falsch.
Die Strafverfolgungsbehörde prüft, ob die Bezeichnung der St. Galler Fans als „Juden“ für sich allein diskriminierend ist und kommt zum Schluss, dass dies nicht nachgewiesen werden könne. Der Beschuldigte erklärt, die Aktion des als Jude verkleideten Mannes sei nicht mit den Fans abgesprochen gewesen. Er selbst habe sich denn auch nicht direkt daran beteiligt. Das Verhalten des als Jude verkleideten Mannes und des Stockschlägers kann also dem Beschuldigten, so die Strafverfolgungsbehörde, nicht zugerechnet werden.
Die Strafverfolgungsbehörde prüft weiter, ob das Absingen des Textes „Und sie werden fallen, die Juden aus St. Gallen“ unter den Tatbestand der Rassendiskriminierung fällt. Da sich das Schmählied primär an die St. Galler Fans und nicht an die Juden richtete und beabsichtigt war, die Fans und nicht die Juden zu provozieren, liegt keine unmittelbare Diskriminierung vor. Eine mittelbare Diskriminierung erkennt die Strafverfolgungsbehörde in dem Sprechtext auch nicht. Zwar sei für den Durchschnittspassanten erschreckend, wenn skandiert werde, Juden würden fallen. Es könne aber nicht unterstellt werden, dass der Beschuldigte damit explizit gemeint habe, die St. Galler müssten fallen, wie die Juden während des zweiten Weltkrieges gefallen seien, weil ihnen die Existenzberechtigung abzusprechen sei. Die Strafverfolgungsbehörde kommt zum Schluss, der Begriff „Juden“ sei als Synonym für St. Galler verwendet worden und der Sprechtext solle insgesamt die Hoffnung, dass der FC Luzern den FC St. Gallen besiegen werde, ausdrücken. Die Grenze einer strafbaren Diskriminierung der Juden im Sinn von Art. 261bis StGB sei damit nicht erreicht. Der einzige offensichtliche und beabsichtigte Bezug zwischen dem gesungenen Lied und der Aktion des Beschuldigten sei die Verwendung des Begriffs „Juden“ als Synonym für die St. Galler-Fans. Auch im Gesamtkontext könne nicht behauptet werden, die ganze Aktion habe sich mittelbar auch gegen die Juden gerichtet und ihnen die Existenzberechtigung abgesprochen; erst recht sei der Nachweis nicht zu erbringen, dass dies dem Beschuldigten klar gewesen wäre und dass er einen solchen Sinn der Aktion gebilligt hätte. Insgesamt kommt die Strafverfolgungsbehörde also zum Schluss, dass das Verhalten des Beschuldigten den Tatbestand der Rassendiskriminierung nicht erfüllte.
Die zuständige Strafverfolgungsbehörde tritt auf die Strafsache nicht ein (Nichtanhandnahmeverfügung). Die Kosten des Ermittlungsverfahrens in Höhe von CHF 300.00 trägt der Beschuldigte, die Entscheidgebühr geht zu Lasten des Staates.