Fall 1999-054N

Veröffentlichen eines Interviews mit rassistischer Äusserung

Zürich

Verfahrensgeschichte
1999 1999-054N Das Verfahren wird bezüglich beider Beschuldigten eingestellt.
Juristische Suchbegriffe
Tathandlung / Objektiver Tatbestand Verbreiten von Ideologien (Abs. 2)
Schutzobjekt Ethnie;
Religion
Spezialfragen zum Tatbestand Subjektiver Tatbestand
Stichwörter
Tätergruppen Medienschaffende / Verleger
Opfergruppen Juden
Tatmittel Schrift;
Verbreiten von rassistischem Material
Gesellschaftliches Umfeld Medien (inkl. Internet)
Ideologie Antisemitismus

Kurzfassung

Es stellt sich die Frage, ob sich ein Journalist und ein Redaktor der Verbreitung von rassistischen Äusserungen nach Art. 261bis Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem sie ein Interview, das antisemitische Äusserungen enthielt, in einer Zeitschrift publiziert hatten. Die zuständige Strafverfolgungsbehörde kam zum Schluss, dass dies nicht der Fall sei, denn die fragliche Ausgabe der Zeitschrift kritisierte und distanzierte sich klar von diesen antisemitischen Äusserungen. Deshalb handle es sich nicht um ein „werbendes“ Verbreiten im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB.

Sachverhalt

Ein Repräsentant der Kirche Y vertrat in einem Interview für eine Zeitschrift die Meinung, die Juden hätten wegen „ihrer satanischen Geldgier […] den zweiten Weltkrieg angezettelt“. Für dieses Verhalten wurde er wegen Rassendiskriminierung zu einer Busse verurteilt (vgl. EKR-Urteile Nr. 1997-007N und Nr. 1997-028N). Weiter bat das Obergericht die zuständige Strafverfolgungsbehörde zu prüfen, ob auch dem Journalisten, der das Interview geführt hatte, und dem Redaktor, der dieses publiziert hatte, einen strafrechtlichen Vorwurf nach Art. 261bis Abs. 2 StGB zu machen sei, weil sie die oben genannte rassendiskriminierende Äusserung veröffentlicht hatten. Denn das Obergericht hatte erwogen, dass die Weiterverbreitung einer an sich rechtswidrigen Äusserung nicht schlichtweg durch die Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit als blosse Wiedergabe abgedeckt werden dürfe. Häufig verschaffe die Weiterverbreitung durch die Medien erst jene Öffentlichkeit, die die Äusserung zum gesellschaftlichen Problem werden lasse. Die Interviewtechnik, die offensichtlich darauf abziele, eine gewünschte Antwort zu erhalten, sei gängig. Dann aber, wenn mit der Publikation der Straftatbestand der Anti-Rassismusnorm verletzt werde, dürfe sie nicht statthaft sein.

Rechtliche Erwägungen

Die Strafverfolgungsbehörde hält fest, dass sich jemand in einem Interview vorerst einmal mündlich äussern dürfe, ohne dass er sich strafbar mache, soweit er sich die Autorisierung vorbehalte und bei der Autorisierung die entsprechenden rassendiskriminierenden Passagen streichen lasse. Vorliegend stand dem Interviewte diese Möglichkeit zur Verfügung. Die Strafverfolgungsbehörde stellt weiter fest, dass „verbreiten“ im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB, gemäss der herrschenden Lehre als werbend bzw. als Propagandaaktion zu verstehen sei.
Verstehe man den Begriff „verbreiten“ in diesem Sinne, so werde klar, dass die Angeschuldigten durch ihre Handlungsweisen bereits aus objektiven Gründen Art. 261bis Abs. 2 StGB eben nicht erfüllt hätten. Die Ausgabe der Zeitschrift trägt den Titel: „Judenhetze: Universale Kirche empfängt Hasstiraden aus dem Jenseits“. Bereits hier werde klar, dass sich die fragliche Ausgabe der Zeitschrift kritisch mit der Kirche Y und deren Äusserungen auseinander setze und sich auch klar von der inkriminierten Aussage nicht nur distanziere, sondern diese auch verurteile. Damit hätten sich weder der Journalist noch der Redaktor der antisemitischen Propaganda hingegeben, sondern diese kritisch hinterleuchtet. Die wörtliche Wiedergabe des umstrittenen Zitates erscheine deshalb im gewählten Rahmen angemessen und der journalistischen Sorgfaltspflicht entsprechend.Weder Journalist noch Redaktor machen sich somit nach Art. 261bis Abs. 2 StGB strafbar.

Entscheid

Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt das Verfahren bezüglich beider Angeschuldigten ein.