Fall 2014-004N

«Hitlergruss» auf dem Rütli

Uri

Verfahrensgeschichte
2014 2014-004N Das Bundesgericht heisst die Berufung des Angeklagten gut und weist die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
2014 2014-006N Die 2. Instanz heisst die Berufung des Angeklagten gut und spricht den Angeklagten frei.
Juristische Suchbegriffe
Tathandlung / Objektiver Tatbestand Verbreiten von Ideologien (Abs. 2)
Schutzobjekt keine Ausführungen zum Schutzobjekt
Spezialfragen zum Tatbestand keine
Stichwörter
Tätergruppen Privatpersonen
Opfergruppen Keine Angaben zur Opfergruppe
Tatmittel Gesten / Gebärden
Gesellschaftliches Umfeld Öffentliche Orte
Ideologie Rechtsextremismus

Kurzfassung

Der Angeklagte nahm am 8. August 2010 an einer Veranstaltung auf dem Rütli teil. Beim gemeinsamen Aufsagen des Rütlischwurs aus Friedrich Schillers „Willhelm Tell“ streckte er während ca. 20 Sekunden seinen rechten Arm mit flacher Hand auf Augenhöhe schräg nach oben zum sogenannten „Hitlergruss“. Ausser den rund 150 Veranstaltungsteilnehmern und dem Polizeibeamten waren zur fraglichen Zeit auch einige unbeteiligte Dritte als Wanderer und Spaziergänger auf der Rütliwiese zugegen, welche die Veranstaltung wahrnehmen konnten.

Die 1. Instanz verurteilte den Angeklagten wegen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 50.00, mit bedingtem Strafvollzug, unter Auflegung einer Probezeit von 3 Jahren, sowie einer Busse von CHF 300.00.

Der Angeklagte reichte gegen diesen Entscheid Berufung beim Obergericht ein. Dieses wies die Berufung ab und bestätigt den Entscheid der 1. Instanz. Gegen den Entscheid der 2. Instanz erhob der Angeklagte beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut und wies die Sache zur neuen Entscheidung an die 2. Instanz zurück.

Das Bundesgerichte führte aus, dass die öffentliche Verwendung des sogenannten „Hitlergrusses“ unter Umständen den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB erfüllen kann, wonach unter anderem bestraft werde, wer öffentlich durch Gebärden eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetze. Solche Umstände lagen laut Bundesgericht im vorliegenden Fall nicht vor.

Die 2. Instanz hebt das Urteil der 1. Instanz in Gutheissung der Berufung auf und spricht den Angeklagten frei.

Sachverhalt

Der Angeklagte nahm am 8. August 2010 an einer Veranstaltung auf dem Rütli teil. Beim gemeinsamen Aufsagen des Rütlischwurs aus Friedrich Schillers „Willhelm Tell“ streckte er während ca. 20 Sekunden seinen rechten Arm mit flacher Hand auf Augenhöhe schräg nach oben zum sogenannten „Hitlergruss“. Ausser den rund 150 Veranstaltungsteilnehmern und dem Polizeibeamten waren zur fraglichen Zeit auch einige unbeteiligte Dritte als Wanderer und Spaziergänger auf der Rütliwiese zugegen, welche die Veranstaltung wahrnehmen konnten.


Entscheid 2014-004N

Das Bundesgericht heisst die Berufung des Angeklagten gut und weist die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Rechtliche Erwägungen

· Art. 261bis Abs. 2 StGB
Das Bundesgericht führt aus, dass der sog. „Hitlergruss“ ein Kennzeichen des Nationalsozialismus ist, dessen Gedankengut im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB eine Ideologie darstellt, die auf Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion ist. Wer den Arm zum „Hitlergruss“ hebt, bringt dadurch – soweit die Gebärde nicht als simple Provokation oder als Akt im Rahmen der Kunst erkennbar ist – gemäss Bundesgericht zum Ausdruck, dass er sich zum nationalsozialistischen Gedankengut zumindest in Teilen bekennt.
Allein die öffentliche Bekennung zum Nationalsozialismus erfüllt den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 2 StGB jedoch nicht, da ein „Verbreiten“ der rassendiskriminierenden Ideologie vorausgesetzt wird. Laut Bundesgericht bedeutet das Tatbestandsmerkmal „Verbreiten, dass der „Hitlergruss“ mit dem Willen an die Öffentlichkeit gerichtet wird, diese werbend zu beeinflussen. Die herrschende Lehre nimmt an, dass der „Hitlergruss“ selbst bereits ein werbendes Verhalten darstellen kann, wenn er sich nach aussen, an eine unbeteiligte Öffentlichkeit richtet. Gemäss Bundesgericht war das Erheben zum „Hitlergruss“ unter den gegebenen Umstände bei objektiver Betrachtung nicht dazu bestimmt, über das dadurch allenfalls bekundete eigene Bekenntnis zur nationalsozialistischen Ideologie hinaus werbend unbeteiligte Dritte für diese Ideologie zu gewinnen.
Folglich ist der Tatbestand von Art. 261bis Abs. 2 StGB gemäss Bundesgericht nicht erfüllt.
· Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB
Unter Umständen kann die öffentliche Verwendung des „Hitlergrusses“, je nach örtlichen Gegebenheiten und/oder Adressatenkreis, den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB erfüllen, wonach unter anderem bestraft wird, wer öffentlich durch Gebärden eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt. Gemäss Bundesgericht lagen solche Umstände jedoch nicht vor, sodass der Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB ebenfalls nicht erfüllt war.

Entscheid

Das Bundesgericht heisst die die Beschwerde des Angeklagten gut, hebt das Urteil der 2. Instanz auf und weist die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.


Entscheid 2014-006N

Die 2. Instanz heisst die Berufung des Angeklagten gut und spricht den Angeklagten frei.

Entscheid

Die 2. Instanz spricht den Angeklagten in Nachahmung des Bundesgerichtsurteils frei.