Fall 2016-002N
St. Gallen
Verfahrensgeschichte | ||
---|---|---|
2016 | 2016-002N | Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt das Verfahren ein. |
Juristische Suchbegriffe | |
---|---|
Tathandlung / Objektiver Tatbestand | Verbreiten von Ideologien (Abs. 2); Herabsetzung oder Diskriminierung (Abs. 4 Hälfte 1); Leugnung von Völkermord (Abs. 4 Hälfte 2) |
Schutzobjekt | Schutzobjekt allgemein |
Spezialfragen zum Tatbestand | keine |
Stichwörter | |
---|---|
Tätergruppen | Privatpersonen |
Opfergruppen | Juden; Ausländer und Angehörige verschiedener Ethnien |
Tatmittel | Schrift; Elektronische Kommunikation |
Gesellschaftliches Umfeld | Soziale Medien |
Ideologie | Antisemitismus; Rassismus (Nationalität / Herkunft) |
Nachdem der Beschuldigte im Ausgang von einem „balkanstämmigen Ausländertypen“ belästigt und geohrfeigt worden war, postete er in stark alkoholisiertem und aggressivem Zustand antisemitische und fremdenfeindliche Texte, wie „dä moment went aif alli untermensche und unwürdige lüüt wo meinet sie deged babo do ich üsem gheiligte land ane wand stelle willsh oder mol schön go dusche schikke willsh!!!! 848 HEIL DIR HELVETIA 848 […]“ auf sein Facebook-Profil. Am nächsten Tag realisierte er, was für einen „Scheiss“ er gepostet hatte und löschte die Beiträge wieder. Die zuständige Strafverfolgungsbehörde prüft die Anwendung von Art. 261bis Abs. 2 StGB. Sie sieht es als eindeutig an, dass der Beschuldigte mit seinen Äusserungen auf das nationalsozialistische Regime zur Zeit des zweiten Weltkrieges und dessen Taten Bezug nimmt. Die nationalsozialistische Ideologie ist von Art. 261bis Abs. 2 StGB erfasst. Obwohl die zuständige Strafverfolgungsbehörde die Aussagen als sehr grenzwertig einstuft, erachtet sie den Straftatbestand vorliegend nicht als erfüllt, da es sich trotz der Verwerflichkeit der Äusserungen um ein strafloses Bekenntnis und nicht um Propaganda handle. Sie betont, dass es sich um einen Grenzfall handle und nicht von vornherein festgestanden sei, dass der Sachverhalt den Straftatbestand der Rassendiskriminierung nicht erfülle. Wäre der Beitrag etwas präziser formuliert gewesen, hätte auch Art. 261bis Abs. 4 StGB erfüllt sein können, fährt sie fort. Da es sich jedoch bei den Beitragen nicht um direkte Angriffe gegen eine betroffene Person oder bestimmte Personengruppe gehandelt habe, sei die Bestimmung nicht anwendbar.
Der Beschuldigte veröffentlichte in einer Samstagnacht auf seinem Facebook-Profil folgende Beiträge: „dä moment went aif alli untermensche und unwürdige lüüt wo meinet sie deged babo do ich üsem gheiligte land ane wand stelle willsh oder mol schön go dusche schikke willsh!!!!
848 HEIL DIR HELVETIA 848
EIDGENOSS BIS IN DEN TOD
mini chnoche chönder bräche, aber mini liebi und min wille zu mim gliebte land werded er nie bräched chöne!!!
Auf nach wahlhalla kameraden!!“
„es het scho nebis schöns gha amene gwüsse system! Mensche wo em lebe nöd würdig gsi sind auf entsorgt worde!
Wiso cha da nöd ez no so sii. meh het eh bruni uniform ah und alli lueget aim nöd ah und sind ruhig. aber da traum isch scho lang zumene albtraum worde! und meh het aif kai chance meh als eidgenoss sich ich däre unreine welt z behaupte!!!!!!“
„verrecke sölled alli zeme mitenand ah zyklon b und ihri iinerei use chotze und shisse sowies die untermensche verfient hend!
alli zeme ad wand stelle und exekutiere und es exempel stauiere!!!!!
heil dir helvetia!!!“
Der Beschuldigte sagte dazu aus, er sei in dieser Nacht im Ausgang gewesen und habe mit seinem Kollegen eine Zigarette geraucht, als sechs balkanstämmige Ausländertypen auf sie zugekommen seien und sie immer wieder „angezündet“ hätten. Er und sein Kollege hätten dies ignoriert. Einer der Typen sei auf ihn zugekommen und ca. 10 cm vor ihn hin gestanden. Der Beschuldigte habe ihm daraufhin gesagt, er solle bitte zwei Schritte zurückgehen. Anstatt dies zu tun, habe ihm dieser Typ eine Ohrfeige verpasst, woraufhin es zu einem kleinen Handgemenge gekommen sei. Nachdem die Freundin des Beschuldigten mit dem Typen geredet habe, habe sich jener „halbbatzig“ bei ihm entschuldigt. Danach sei er nach Hause gegangen und habe diesen Text auf seinem Facebook-Profil gepostet. Der Beschuldigte sagte weiter aus, dass er stark alkoholisiert gewesen sei. Am nächsten Morgen sei er von seiner Mutter auf seinen Facebook-Eintrag angesprochen worden, woraufhin er gemerkt habe, was für einen „Scheiss“ er gepostet habe und es wieder gelöscht habe. Er sei aufgrund des Vorfalls im Ausgang „hässig“ und aggressiv gewesen, deshalb habe er das geschrieben, er habe einen Riesenfehler gemacht.
Strafrechtlich kommt für den vorliegenden Sachverhalt gemäss der zuständigen Strafverfolgungsbehörde der Straftatbestand der Rassendiskriminierung in Frage. Konkret eine Verletzung von Art. 261bis Abs. 2 StGB, welcher die Verbreitung von Ideologien, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind, unter Strafe stellt. Die nationalsozialistische Ideologie fällt darunter. Die zuständige Strafverfolgungsbehörde sieht es als eindeutig an, dass der Beschuldigte mit seinen Äusserungen auf das nationalsozialistische Regime zur Zeit des zweiten Weltkrieges und dessen Taten Bezug nimmt. Er habe sich dahingehend geäussert, dass es seiner Meinung nach an diesem System schon etwas Schönes gehabt habe, dass Menschen, die dem Leben nicht würdig waren, einfach entsorgt wurden. Er habe mit Duschen und Zyklon B zudem Bezug auf das Töten in den Konzentrationslagern genommen.
Der Tatbestand von Art. 261bis Abs. 2 StGB verlangt eine Propagandahandlung. Äusserungen, welche die Öffentlichkeit nicht bewusst werbend beeinflussen wollen, sind nicht erfasst. Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt fest, dass der Beschuldigte die Äusserungen offenbar aufgrund des davor geschehenen Vorfalls in einem emotional sehr aufgebrachten und alkoholisierten Zustand gemacht habe, was die Hemmschwelle für die Veröffentlichung der Aussagen offenbar reduziert habe. Dies zeige sich darin, dass er die Beiträge wieder gelöscht habe, nachdem er realisiert habe, was er geschrieben hatte. Zudem hätten die Beiträge einige Flüchtigkeits- bzw. Tippfehler aufgewiesen, was ebenfalls darauf hinweise, dass sie unüberlegt geschrieben worden seien. Obwohl die zuständige Strafverfolgungsbehörde die Aussagen als sehr grenzwertig einstuft, erachtet sie den Straftatbestand vorliegend nicht als erfüllt, da es sich trotz der Verwerflichkeit der Äusserungen um ein strafloses Bekenntnis und nicht um Propaganda handle.
Die zuständige Strafverfolgungsbehörde betont erneut, dass es sich um einen Grenzfall handle und nicht von vornherein festgestanden sei, dass der Sachverhalt den Straftatbestand der Rassendiskriminierung nicht erfülle. Wäre der Beitrag etwas präziser formuliert gewesen, hätte auch Art. 261bis Abs. 4 StGB erfüllt sein können, fährt sie fort. Da es sich jedoch bei den Beitragen nicht um direkte Angriffe gegen eine betroffene Person oder bestimmte Personengruppe gehandelt habe, sei die Bestimmung nicht anwendbar.
Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt das Verfahren wegen Rassendiskriminierung ein (Art. 319 Abs. 1 Bst. B StPO). Die Verfahrenskosten von CHF 300.00 werden dem Beschuldigten auferlegt (Art. 426 Abs. 2 StPO). Dieser erhält im Weiteren keine Entschädigung oder Genugtuung. Sollten neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, welche für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschuldigten sprechen, jedoch aus den bis heute vorhandenen Akten nicht ersichtlich sind, kann die Staatsanwaltschaft die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügen (Art. 323 StPO), erklärt die zuständige Strafverfolgungsbehörde schliesslich.