Fall 1998-038N

Brandstiftung auf Asylbewerberheime, Verbreitung von rassistischen Flugblättern

Aargau

Verfahrensgeschichte
1998 1998-038N 1. Instanz verurteilt den Angeklagten.
2000 2000-029N 2. Instanz heisst die Berufung teilweise gut. Reduzierung der Strafe.
Juristische Suchbegriffe
Tathandlung / Objektiver Tatbestand Herabsetzung oder Diskriminierung (Abs. 4 Hälfte 1)
Schutzobjekt keine Ausführungen zum Schutzobjekt
Spezialfragen zum Tatbestand keine
Stichwörter
Tätergruppen Privatpersonen
Opfergruppen Asyl Suchende
Tatmittel Schrift;
Verbreiten von rassistischem Material;
Weitere Tatmittel
Gesellschaftliches Umfeld Öffentliche Orte;
Weiteres gesellschaftliches Umfeld
Ideologie Rassismus (Nationalität / Herkunft)

Kurzfassung

Ein Student verübte im Zeitraum von 1995 bis 1997 drei Brandanschläge auf Asylbewerberunterkünfte im Kanton Aargau. Zur Tatzeit befanden sich jeweils zahlreiche Personen in den Unterkünften. Zudem verteilte er im Jahre 1995 rassistische Flugblätter und schüchterte eine Leserbriefschreiberin mit einem Drohbrief ein.

Die 1. Instanz verurteilt ihn u.a. wegen mehrfacher Brandstiftung und Rassendiskriminierung zu 3 Jahren Zuchthaus unbedingt und einer Busse von Fr. 1'000.--. Gegen dieses Urteil erhob der Verurteilte Berufung.

Die 2. Instanz reduziert die vorinstanzliche Strafe wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots durch die Vorinstanz von 3 Jahren Zuchthaus auf 2 1/2 Jahre. Die Busse von Fr. 1'000.-- war nicht Gegenstand der Berufung und bleibt somit unverändert bestehen.

Sachverhalt

Der Angeklagte verübte in einer Nacht im Jahre 1997 einen Brandanschlag auf die Asylbewerberunterkunft. Mit einem Stein schlug er das Fenster zum Wohn-/Esszimmer im Parterre ein und warf durch die Öffnung eine mit Benzin gefüllte Glasflasche mit brennender Stofflunte hinein. Einen weiteren solchen Brandsatz warf er gegen die Eingangstüre des Wohncontainers. Die dritte Flasche warf er ebenfalls in diese Richtung; sie entzündete sich auf dem Vorplatz. Danach begab er sich nach Hause. Im Wohncontainer schliefen zur Zeit des Brandanschlages 19 Personen. Ein Bewohner hörte einen Knall, bemerkte den Brand in der Küche und konnte das Feuer löschen.

Bereits in einer Nacht im Jahre 1995 verübte der Angeklagte auf die gleiche Asylbewerberunterkunft einen Brandanschlag und in einer Nacht im Jahre 1996 verübte er ebenfalls einen Brandanschlag auf das Kant. Durchgangszentrum für Asylbewerber.

Der Angeklagte ist zudem angeschuldigt, anfangs 1995 ein Flugblatt mit dem Text "Überfremdung und Verniggerung nein danke - für eine saubere Schweiz!" hergestellt und diese an verschiedenen Orten in der Stadt aufgehängt zu haben.

Schliesslich hat der Angeklagte der Schreiberin eines Leserbriefs in der Aargauer Zeitung mit dem Titel «Latenter Rassismus» folgende Zeilen geschrieben: «Passen Sie in Zukunft auf, wenn Sie das Wort Rassist verwenden. Sie sind eine Schande für unser Land und werden, wenn Sie sich noch einmal exponieren, Ihr braunes Wunder erleben."


Entscheid 1998-038N

1. Instanz verurteilt den Angeklagten.

Rechtliche Erwägungen

Es liegen keine rechtlichen Erwägungen des Gerichts vor.

Entscheid

Verurteilung wegen mehrfachen vollendeten Versuchs der Brandstiftung (Art. 221 Abs.2 StGB), unvollendeten Versuch der Brandstiftung (Art. 221 Abs. 1 StGB), mehrfacher Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 [Hälfte 1] StGB, versuchter Nötigung (Art. 181 StGB) und geringfügiger Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 StGB) zu einer Gefängnisstrafe von 3 Jahren Zuchthaus unbedingt, abzüglich 22 Tagen Untersuchungshaft, sowie einer Busse von Fr. 1'000.--. Die beschlagnahmten Brandstiftungsutensilien und Flugblätter werden gestützt auf Art. 58 Abs. 1 StGB eingezogen.


Entscheid 2000-029N

2. Instanz heisst die Berufung teilweise gut. Reduzierung der Strafe.

Rechtliche Erwägungen

Die rechtliche Würdigung der 1. Instanz blieb im Berufungsverfahren unangefochten und somit ist die vorinstanzliche Urteilsformel im Schuldpunkt in Rechtskraft erwachsen. Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet alleine die Strafzumessung. Mit der Berufung verlangt der Angeklagte eine Herabsetzung auf 18 Monate Gefängnis unter gleichzeitiger Gewährung des bedingten Strafvollzugs. Die Busse von Fr. 1'000.-- blieb unangefochten. (E.1)

Die 2. Instanz ist bezüglich der Tatkomponente der Meinung, dass das Verschulden des Angeklagten, u.a. wegen der politischen Motivation, als schwer zu bezeichnen ist. Sie führte zu diesem Beschwerdepunkt aus: "Der politisch motivierte Angeklagte erklärte von Anbeginn, er habe als Einzeltäter gehandelt. Sein Ziel bestand darin, "bei der Regierung etwas zu bewegen", da deren Flüchtlingspolitik nach seiner Auffassung verfehlt sei. Es war zwar das Recht des Angeklagten, die politischen Organe zu kritisieren, aber der von ihm gewählte Weg mit kriminellen Handlungen unter Gefährdung von Leib und Leben war völlig abwegig und zeugt von einer damals bestehenden und durch nichts zu entschuldigenden, menschenverachtenden Einstellung." (E.2.g)

Schliesslich reduziert die 2. Instanz, wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots durch die Vorinstanz, die vorinstanzliche Strafe von 3 Jahren Zuchthaus auf 2 1/2 Jahre.

Entscheid

Teilweise Gutheissung der Berufung; Reduzierung der Strafe von 3 Jahren Zuchthaus auf 2 1/2 Jahren Zuchthaus, abzüglich 22 Tage Untersuchungshaft. Die Busse von Fr. 1'000.-- bleibt bestehen.