Fall 1999-024N

Verbreitung von revisionistischen Büchern und einer Zeitschrift Y

Aargau

Verfahrensgeschichte
1998 1998-024N 1. Instanz verurteilt den Angeklagten.
1999 1999-024N 2. Instanz weist die Berufung des Angeklagten ab.
2000 2000-011N Das Schweizerische Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ab.
Juristische Suchbegriffe
Tathandlung / Objektiver Tatbestand Verbreiten von Ideologien (Abs. 2);
Leugnung von Völkermord (Abs. 4 Hälfte 2)
Schutzobjekt keine Ausführungen zum Schutzobjekt
Spezialfragen zum Tatbestand Subjektiver Tatbestand
Stichwörter
Tätergruppen Medienschaffende / Verleger
Opfergruppen Juden
Tatmittel Schrift
Gesellschaftliches Umfeld Kunst und Wissenschaft
Ideologie Antisemitismus;
Revisionismus

Kurzfassung

X ist Verfasser von verschiedenen Büchern und Zeitschriftenbeiträgen, in denen er im Wesentlichen die unter der Herrschaft des nationalistischen Regimes planmässig durchgeführte Massenvernichtung von Millionen von Juden, insbesondere in eigens dafür eingerichteten Gaskammern, in Abrede stellt und behauptet, dabei handle es sich um eine Erfindung zur politischen und finanziellen Erpressung des deutschen Volkes.
X veröffentlichte ausserdem im Internet über Kanada bzw. Schweden eingespiesene, auch in der Schweiz abrufbare Texte. Er behauptet darin u.a., der Holocaust sei ein unbewiesener Mythos, der von den Juden dazu benützt werde, in Europa politisch und finanziell Druck auszuüben, und er weist auf seine verschiedenen Publikationen zum Thema sowie auf das gegen ihn hängige Strafverfahren hin.

Die 1. Instanz verurteilte X wegen mehrfacher Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 und 4 Hälfte 2 StGB zu einer Gefängnisstrafe von 15 Monaten sowie zu einer Busse von Fr. 8'000.-.
In Anwendung von Art. 58 StGB wurden die beschlagnahmten Exemplare verschiedener Bücher eingezogen.

Die 2. Instanz weist die von X erhobene Berufung ab. Anschliessend zieht X diesen letztinstanlichen kantonalen Entscheid ans Bundesgericht. Dieses weist die Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ab. Der Kassationshof hält im Entscheid insbesondere fest, dass die Bestreitung des Einsatzes von Gas bzw. von Gaskammern zur Vernichtung von Menschen durch das nationalsozialistische Regime – ohne den Völkermord an den Juden an sich zu leugnen - für sich allein schon eine gröbliche Verharmlosung des Holocausts sei. Er lässt offen, ob die (qualifizierte) Auschwitzleugnung schon als solche eine «Ideologie» im Sinne von Abs. 2 ist. Die vom Beschwerdeführer aufgeführte These von einer jüdischen bzw. «zionistischen» Verschwörung gegen das christliche Abendland jedoch, deren Symbol er in der angeblichen Erfindung des Holocausts und der Gaskammern sieht, stellt nach Bundesgericht eine «Ideologie» im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB dar.

Sachverhalt

Auschwitz – Tätergeständnisse und Augenzeugen des Holocaust
Der Angeklagte hat ab Januar 1995 bis April 1996 eine unbekannte Zahl des von ihm verfassten Buches „Auschwitz – Tätergeständnisse und Augenzeugen des Holocaust“ an unbekannte Empfänger zum Versand gebracht bzw. durch den Verlag versenden lassen.

Wieviele Menschen starben in Auschwitz (Aurora 7/8 1995)
Der Angeklagte hat, in der Zeitschrift „Aurora, Doppelnummer 7/8“, im Juli 1995 unter dem Titel „Wieviele Menschen starben in Auschwitz“ eine kurze Zusammenfassung des Buches „Auschwitz – Tätergeständnisse und Augenzeugen des Holocaust


Entscheid 1998-024N

1. Instanz verurteilt den Angeklagten.

Rechtliche Erwägungen

Auschwitz – Tätergeständnisse und Augenzeugen des Holocaust

Gemäss 1. Instanz hat der Angeklagte durch das Verfassen und Weiterverbreiten des Buches „Auschwitz – Tätergeständnisse und Augenzeugen des Holocaust“ die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale von Art. 261bis Abs. 2 und Abs. 4 Hälfte 2 StGB erfüllt.

Die 1. Instanz führt aus, dass mit der Aussage dieses Buches unterstellt wird, „[...] der Holocaust könne gar nicht im gemeinhin angenommenen Umfang stattgefunden haben. Im weiteren sei davon auszugehen, dass die wenigen Dokumente, welche sich zu den Gaskammern äussern würden, erst noch gefälscht wären. [...] Gerade auch in dieser schlichten Beweisführung und im absoluten Anspruch auf die Wahrheit betreffend der sehr subjektiven Beweiswürdigung muss das Tatbestandsmerkmal der Ideologie als verwirklicht gesehen werden.“ Weiter „Noch konziser kommt diese Ideologie zum Ausdruck, wenn auf S. 240 des fraglichen Buches simpel vom ‚Mythos vom Vernichtungslager Auschwitz’ die Rede ist. Gerade mittels dieser Vereinfachung wird dem Leser eine Allgemeingültigkeit vorgegaukelt. Unter ‚Mythos’ ist eine Überlieferung, eine überlieferte Dichtung oder Sage zu verstehen [...]. In dieser Gleichstellung des Holocaust auf die Stufe von Dichtung und Sage wird einmal mehr zum Ausdruck gebracht, dass der Angeklagte suggeriert, seine Abhandlung seien Ausfluss einer allgemeinen Suche nach Wahrheit.“ (E. V/B/1.1.1., S. 53)

Wieviele Menschen starben in Auschwitz (Aurora 7/8 1995)

Die 1. Instanz stellt fest, dass der Angeklagte durch die Publikation seines Aufsatzes „Wieviele Menschen starben in Auschwitz“ in der Zeitschrift „Aurora 7/8 1995“ sowohl den Tatbestand von 261bis Abs. 2 als auch Abs. 4 Hälfte 2 StGB erfüllt hat und diesbezüglich schuldig zu sprechen ist.

Die 1. Instanz führt dazu aus: „Auch in dem für die Publikation in der Aurora – Nummer 7/8 ?95 durch den Angeklagten verfassten Text ist die vorgetäuschte Suche nach Wahrheit und Allgemeingültigkeit aus mehreren Zitatstellen ersichtlich. Wenn der Angeklagte ausführt, bisher sei auch von anerkannten Historikern einzig der Nachweis darüber erbracht worden, dass in Auschwitz 170000 Menschen den Tod gefunden hätten und dass für allfällige weitere Toten oder gar für die Existenz von Gaskammern bisher noch keine Beweise vorgebracht worden seien [...], suggeriert er damit beim Leser, dass bis heute bezüglich der von der anerkannten Geschichtsschreibung ins Feld geführten weit höheren Opferzahl in Auschwitz jegliche Beweise fehlen würden.“ (E. V/B/2.1.1., S. 77)

Todesursache Zeitgeschichtsforschung

Gemäss 1. Instanz hat der Angeklagte durch das Verfassen des Buches „Todesursache Zeitgeschichtsforschung“ und den im Anschluss erfolgten Vertrieb der Verletzung von Art. 261bis Abs. 2 und Abs. 4 Hälfte 2 StGB schuldig gemacht.

Im Gegenteil hat die 1. Instanz festzuhalten, dass der Angeklagte mit der Zusendung ein Exemplar des Buches „Todesursache Zeitgeschichtsforschung“ mitsamt persönlicher Widmung an einen Basler Theologieprofessor weder den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 2 StGB noch denjenigen von Art. 261bis Abs. 4 StGB erfüllt hat: Vom Versand betroffen war einzig der Theologieprofessor, „ [...] Der Angeklagte hat anlässlich der Verhandlung ausgeführt, dass ihm bekannt gewesen sei, dass [der Professor] etliche Male mit [einem] Revisionisten [...] im Gespräch gewesen sei. Er habe gewusst, dass es sich um einen Theologen handle, der sich zum Antisemitismus der christlichen Kirche geäussert habe [...]. Es erscheint somit als glaubhaft, dass der Angeklagte keine Veranlassung zu haben brauchte, befürchten zu müssen, dass [der Professor] das Buch mit der persönlichen Widmung aus den Händen geben werde und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen würde.“ (E. V/E/1.1., S. 112 f.) Gemäss 1. Instanz erweist sich die Handlungsweise des Angeklagten somit nicht als öffentlich im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 und Abs. 4 Hälfte 2 StGB.

Der Holocaust-Schwindel

Gemäss 1. Instanz hat der Angeklagte durch den Vertrieb von 50 bis 70 Büchern „Der Holocaust- Schwindel“ nach Januar 1995 gegen Art. 261bis Abs. 2 und Abs. 4 Hälfte 2 StGB verstossen und hierfür zu bestrafen ist.

In der Tat ist hier die Voraussetzung der Öffentlichkeit erfüllt: „Öffentlichkeit liegt nach einer langjährigen Definition des Bundesgerichtes immer dann vor, wenn sich etwas an einen unbestimmten Personenkreis richtet [...]. Selbst wenn der Versand von ‚Der Holocaust- Schwindel’ nur an Besteller erfolgt sein soll, so bleibt bei einem Versand von 50 Exemplaren der Adressatenkreis unbestimmt im Sinne der Bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Wichtig ist zudem, dass ein Verfasser durch einen Versand seiner Schriften an ihn nicht bekannte Personen die Kontrolle über den Wirkungskreis aus den Händen gibt. [...] Damit ist die Öffentlichkeit gegeben.“ (E. V/B/4.1.1., S. 96)

Der Holocaust auf dem Prüfstand – Augenzeugenberichte versus Naturgesetze

Die 1. Instanz hat festzustellen, dass der Angeklagte durch eine nach dem Januar 1995 erfolgte Verbreitung seines Buches „Der Holocaust auf dem Prüfstand – Augenzeugenberichte versus Naturgesetze“ den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 2 und Abs. 4 Hälfte 2 StGB erfüllt hat.

Gleicherweise hat der Angeklagte mit dem Versand von zehn Büchern „Der Holocaust auf dem Prüfstand – Augenzeugenberichte versus Naturgesetze“ den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 2 und Abs. 4 Hälfte 2 StGB erfüllt. Die 1. Instanz führt dazu aus: „Die Tathandlung erfüllt [...] gleichsam zweifach das Erfordernis der Öffentlichkeit. Zum einen hat der Angeklagte zugestanden, die Bestellerin und nachgehende Empfängerin der Bücher nicht gekannt zu haben. Im weiteren schneidet sich der Angeklagte selbst, wenn er ausführen lässt, er sei davon ausgegangen, die Empfängerin werde die Bücher an einzelne Interessierte abgeben. Darin liegt eine zweite Begründung der Öffentlichkeit. Zwar wurde behauptet, der Angeklagte [...] hätte einen Einfluss auf den Wirkungskreis der Empfängerin. Dies hätte aber bedingt, dass er konkret um die Weitergabe und die davon betroffenen Personen eines jeden einzelnen Buches gewusst haben müsste. Dies hat der Angeklagte jedoch nicht einmal behauptet. [...] Unter diesen Voraussetzungen ist das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit [...] als erfüllt zu betrachten.“ (E. V/C/1.1.1., S. 107 f.)

Auschwitz – Tätergeständnisse und Augenzeugen des Holocaust (Aurora 11/12 1996)

Die 1. Instanz hält fest, dass das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit in diesem Fall nicht erfüllt wurde, weshalb eine Bestrafung ausgeschlossen ist und der Beklagte diesbezüglich freizusprechen ist: „Öffentlichkeit wird gemäss mehrfach angeführter Definition also angenommen, sobald ein Verfasser durch einen Versand seiner Schriften an ihn nicht bekannte Personen die Kontrolle über den Wirkungskreis aus den Händen gibt. Die vom Versand des hier angeklagten Sachverhaltes betroffenen Personen waren dem Angeklagten unbestrittenermassen bekannt. Der Untersuchungsbeamte [...] war dem Angeklagten [...] von der gegen ihn laufenden Untersuchung bekannt. Bei Rechtsanwalt [...] handelt es sich um diejenige Person, welche (als Vertreter) das Verhalten des Angeklagten [...] zur Anzeige gebracht hat [...]. Mit beiden Personen, welche von den Zusendungen betroffen waren, stand der Angeklagte in einem ‚Vertrauensverhältnis’ in dem Sinne, dass er davon ausgehen durfte, dass die ihnen zugesandten Schriften nicht weiterverbreitet würden. Beim Untersuchungsbeamten ist dies bereits durch das Amtsgeheimnis gewährleistet. Beim Vertreter der Anzeigerin durfte dies daraus geschlossen werden, dass sich dieser nicht einer von ihm selbst beanzeigten Straftat schuldig machen wird. Es ist somit nachgewiesen, dass der Angeklagte mit der Zusendung der Zeitschrift an die beiden Personen die Kontrolle über den Wirkungskreis nicht aus den Händen gegeben hat. Das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit wurde also [...] nicht erfüllt.“ (E. V/D/1.1., S. 111)

Auferlegung eines Schuldkomplexes

Am Anfang prüft die 1. Instanz, wo der Handlungsort bei einer Straftat liegt, welche mittels Internet begangen wird. Er unterscheidet zwischen Erfolgsdelikten und Tätigkeitsdelikten. „Es ist unbestritten, dass als Ausfluss der in Art. 7 Abs. 1 StGB statuierten Ubiquitätsprinzips der Handlungsort solcher Delikte [Erfolgsdelikte] sowohl am Ort ihrer Begehung als auch am Ort des eingetretenen Erfolges [...] gegeben ist. Wenn sich bei solchen Delikten der im Tatbestand umschriebene Erfolg in der Schweiz verwirklicht, gilt dieses auch in der Schweiz als begangen.“ (E. V/F/1.2., S. 115)

Gemäss 1. Instanz ist Art. 261bis damit aber klar, dass es sich um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt handeln und nicht um ein Erfolgsdelikt: „[Es] wurde ausgeführt, dass es sich bei Art. 261bis StGB infolge der Zuordnung der Menschenwürde als geschütztes Rechtsgut um ein Verletzungsdelikt handeln muss, da ein Absprechen des Rechts auf oder des Zugangs zu den Menschenrechten immer auch eine Verletzung der Menschenwürde darstellt. Da die von Art. 261bis StGB verpönten Äusserungen zur Begründung der Strafbarkeit einzig öffentlich zu geschehen haben, genügt es bereits, dass die Möglichkeit einer solchen Wahrnehmung durch ein unbestimmtes Publikum geschaffen wird [...].“ (E. V/F/1.3., S. 118)

Ist nun also davon auszugehen, dass es sich bei Art. 261bis StGB um ein Tätigkeitsdelikt handelt, „[...]so kann eine Bestrafung für eine Veröffentlichung im Internet einzig dann in Frage kommen,
* wenn die Tathandlung der Einspeisung durch den Täter in der Schweiz erfolgt,
* wenn die Einspeisung zwar vom Ausland aber effektiv auf einem Web-Server der Schweiz erfolgt oder
* wenn es sich beim Täter um einen Schweizer handelt und seine im Ausland begangene Tat auch dort unter Strafe gestellt ist (Art. 6 Ziff. 1 StGB).“ (E. V/F/1.3., S. 120)

Der Staatsanwalt erblickt die Strafbarkeit des Angeklagten in jenen Fällen darin, dass ein Anknüpfungspunkt über den Erfolgsort gegeben sei, nämlich mit dem Abruf dieser Texte in der Schweiz über Internet. Aber gemäss 1. Instanz kann diese Begründung nicht gefolgt werden: „Vielmehr hätte die Staatsanwaltschaft darlegen müssen, in welcher Form der Angeklagte beim zur Anklage erhobenen Sachverhalt mitgewirkt hat und wo diese Handlung effektiv vorgenommen worden sind. Der Angeklagte hat anlässlich der Verhandlung ausgeführt, der Text stamme von einem Vortrag den er [...] in Los Angeles auf Englisch gehalten habe. Er gehe davon aus, dass [ein Revisionist] sich mit einem der aufliegenden Abdrücke des Referates bedient habe, dieses im Anschluss auf deutsch übersetzt und schliesslich ins Internet eingespiesen habe [...]. Diese Begründung erscheint nicht a priori unglaubwürdig. Doch entscheidend ist, dass es Aufgabe der Staatsanwaltschaft gewesen wäre, die Schuld des Angeklagten darzulegen. Diese Nachweis hat sie nicht erbracht, nicht einmal zu führen versucht. Es bleibt unklar, womit die Täterschaft des Angeklagten für diesen Sachverhalt zu begründen wäre.“ (E. V/F/1.4., S. 121)

Gemäss 1. Instanz ist somit der Angeklagte freizusprechen.

Der Holocaust im Klassenzimmer (Internet)

Gemäss 1. Instanz hat der Angeklagte durch den Versand der Disketten mit dem Inhalt „Der Holocaust im Klassenzimmer“ zur späteren Publikation im Internet die Tatbestände von Art. 261bis Abs. 2 und Abs. 4 Hälfte 2 StGB erfüllt und er ist dafür zu bestrafen.

Die 1. Instanz führt dazu aus: „Das Gericht behaftet den Angeklagten auf seiner Aussage, wonach er die Disketten mit den rassistischen Inhalten in der Schweiz mit der Post nach Kanada verschickt habe, wo sie nach seinem Wissen durch [einen Revisionisten] ins Internet eingespiesen werden sollten. [...] Mit dem postalischen Versand hat der Angeklagte die Kontrolle über den Wirkungskreis seiner Äusserungen deshalb bereits aus den Händen gegeben, da die Einspeisung ins Internet derart bestimmt war, dass der Angeklagte keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, den Zugang der Öffentlichkeit zu verhindern. Wenn er aber keinen Einfluss auf den Wirkungskreis mehr gehabt hat, so ist per definitionem Öffentlichkeit anzunehmen.“ (E. V/F/2.1.1., S. 125)

Vom Untergang der Schweizerischen Freiheit

Die 1. Instanz hält fest, dass der Angeklagte durch die im Anschluss an den durch ihn vorgenommenen Versand von Disketten mit dem Text „Vom Untergang der Schweizerischen Freiheit“ erfolgte Veröffentlichung im Internet Art. 261bis Abs. 2 und Abs. 4 Hälfte 2 StGB erfüllt hat.

Gemäss der 1. Instanz hat der Angeklagte mit seiner Argumentationsweise, womit sämtliche Zeugenaussage betreffend der Existenz von Gaskammern als absurd betitelt werden und ihnen unterstellt wird, sie würden allesamt einer strengen Überprüfung nicht standhalten, die Juden in ihrer Menschenwürde angegriffen: „Es wird ihnen unterstellt, den ‚Mythos’ des Holocaust in die Welt gesetzt zu haben und damit die ganze restliche Welt getäuscht zu haben.“ (E. V/F/3.1.1.,S. 130)

Das Rotbuch – Vom Untergang der Schweizerischen Freiheit

Die 1. Instanz hält fest, dass sich der Angeklagte durch die Publikation und den Vertrieb des Buches „Das Rotbuch – Vom Untergang der Schweizerischen Freiheit“ der Verletzung von Art. 261bis Abs. 2 und Abs. 4 Hälfte 2 StGB schuldig gemacht hat.

Der Text des Buches ist zu 90 % bis 99 % identisch mit der Primarfassung „Vom Untergang der schweizerischen Freiheit“. In der Tat finden sich sämtliche Textstellen auch im Buch wieder. Wegen der Identität des Textes kann und soll sich die Begründung und das Urteil nicht unterscheiden.

Entscheid

Der Angeklagte ist schuldig:
* der mehrfachen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB
* der mehrfachen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 2 StGB
* der Beschimpfung im Sinne von Art. 177 StGBund bestraft mit 15 Monaten Gefängnis, unbedingt, und mit einer Busse von Fr. 8000.-.

In Anwendung von Art. 58 StGB wurden die beschlagnahmten Exemplare verschiedener Bücher eingezogen.


Entscheid 1999-024N

2. Instanz weist die Berufung des Angeklagten ab.

Rechtliche Erwägungen

Art. 261bis Abs. 2 StGB

Der Angeklagte wendet sich in der Berufung gegen die Ausführungen der Vorinstanz betreffend der Tatbestandsvoraussetzungen der Ideologie und der systematischen Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion.

Der Angeklagte geht davon aus, beim im Tatbestand von Art. 261bis Abs. 2 StGB verwendeten Begriff „Ideologie“ handle es sich um eine Gesamtheit von Danksystemen, um ein ganzes Denkgebäude, und ein sogenannter Revisionist vertrete keine Ideologie in diesem Sinne. Die 2. Instanz führt dazu aus: „Entgegen der Auffassung des Angeklagten besteht seine Ideologie resp. jene der Revisionisten [...] eben nicht allein in der Negierung der Existenz von Gaskammern als Massentötungsmittel, sondern in der damit implizierten Verneinung des Holocaust, verbunden mit dem Vorwurf an die Juden, diese Lügen gezielt für ihre Macht- und Geldansprüche einzusetzen. Angesichts der Offensichtlichkeit des Beweises für den umfassenden Holocaust [...] ist das wesentliche Element der Diskrepanz zwischen vorgegebener Wahrheit und effektiver Wirklichkeit erfüllt. Zudem kann das [...] Gedankengut der Revisionisten ohne weiteres als Denksystem oder zumindest als wesentlicher Teil eines Denksystems betrachtet werden.“ (E. 1b, S. 41)

Gemäss 2. Instanz ist richtig „[...], dass aus dem Gesamtkontext der zur Anklage stehenden Bücher unmissverständlich hervorgeht, dass der Holocaust damit seines schrecklichen Gehalts entleert und im Kern selbst bestritten werden soll sowie dass ihn die Juden als Propagandalüge verwenden würden [...]. Es kann dahingestellt bleiben, wie weit die Juden damit von Opfern zu Tätern gemacht werden. Jedenfalls wird ihnen vorgeworfen, durch bewusste massive Lügen und ‚Kriminalisierung eines Volkes’ wirtschaftlichen und damit machtmässigen Profit zu ziehen.“ (E. 1a, S. 40) Gemäss 2. Instanz ist also offenkundig, dass die vom Angeklagten erhobenen sowohl ausdrücklichen als auch impliziten Vorwürfe an die Juden eine krasse in ihrer Menschenwürde darstellen und sie somit im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB herabgesetzt werden. (E. 1c, S. 41)

Die 2. Instanz bestätigt somit zugrunde liegenden Dachverhalte die Anwendung von Art. 261bis Abs. 2 StGB auf die voristanzlichen Verurteilung und weist die Berufung in diesem Punkt ab.

Art. 261bis Abs. 4 StGB

Der Angeklagte verwahrt sich dagegen, er habe den Völkermord geleugnet, gerechtfertigt oder verharmlost. Er führt aus, er stelle den an den Juden begangenen Völkermord nicht in Abrede, sondern beschränkte sich ausschliesslich auf die Bestreitung der Existenz von Gaskammern und vertrete die Auffassung, dass die Zahl der Opfer wesentlich geringer sei, als dies allgemein angenommen werde. Aber die 2. Instanz führt dazu aus: „Dem ist unter zusätzlichem Hinweis auf die vorinstanzlichen Erwägungen entgegenzuhalten, dass bereits das Bundesgericht ausgeführt hat, dass angesichts der vorhandenen zahlreichen Beweise das Bestreiten der Gaskammern und damit der zur Vergasung der Juden speziell eingerichteten Vernichtungslager einen wesentlichen Teil des Holocaust überhaupt beschlage und damit das schwerwiegendste Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes, nämlich die systematische Vergasung von Juden in Gaskammern, bestritten werde (BGE 121 IV 85).“ (E. 2a, S. 43 f.)

Die 2. Instanz bestätigt somit die Anwendung von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 2 StGB auf die voristanzlichen Verurteilung und weist die Berufung in diesem Punkt ab.

Entscheid

Die 2. Instanz weist die Berufung ab.


Entscheid 2000-011N

Das Schweizerische Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ab.

Rechtliche Erwägungen

Der Beschwerdeführer wendet ein, er habe in keiner seiner Publikationen den Holocaust als solchen in Frage gestellt und nie den Völkermord an den Juden negiert. Er bestreite einzig den Einsatz von Gas bzw. von Gaskammern und stelle «die Anzahl von mehreren Millionen Opfern» in Frage. Er macht geltend, ihm könne auch nicht angelastet werden, dass er den Völkermord gröblich verharmlose, indem er die Opferzahlen in Frage stelle, und indem er seinerseits Zahlen nenne und zu belegen versuche. «Jeder Mord, jeder Völkermord» stelle «ein furchtbares Verbrechen dar, unabhängig von der Zahl der Opfer». Wenn Historiker derartige Opferzahlen zur Diskussion stellten, könne dies daher keinesfalls als Verharmlosung des Völkermords qualifiziert werden. Der Beschwerdeführer erklärt, er habe die Erkenntnisse der Wissenschaft kritisch überprüft und sei aufgrund seiner Forschungsarbeit zu anderen Erkenntnissen gelangt, von deren Richtigkeit er überzeugt sei. Unter diesen Umständen könne ihm nicht Leugnung, d.h. nicht ein Behaupten bzw. Bestreiten wider besseres Wissen, vorgeworfen werden, auch dann nicht, wenn seine Forschungsergebnisse falsch sein sollten. (E. 2b)

Das Bundesgericht prüft als erstes, ob die Tatbestandvariante von Art. 261bis Abs. 2 und 4 Hälfte 2 StGB verletzt ist. Es ruft in Erinnerung, dass gemäss den Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates «die als wissenschaftlich getarnten Werke der sog. Revisionisten» durch den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 2 und 4 Hälfte 2 StGB erfasst werden sollte; so die Behauptung, der Holocaust habe gar nicht stattgefunden; es habe keine Gaskammern gegeben; es seien nicht 6 Millionen Juden umgebracht worden, sondern viel weniger, und die Juden würden aus dem Holocaust wirtschaftliche Vorteile ziehen. (E. 2c) Der Kassationshof hält somit fest, dass die Bestreitung des Einsatzes von Gas bzw. von Gaskammern zur Vernichtung von Menschen durch das nationalsozialistische Regime für sich allein schon eine gröbliche Verharmlosung des Holocausts sei. Dies sei u.a. so, «weil gerade auch die (historisch einmalige) systematische Vergasung von Juden in Gaskammern das nationalsozialistische Regime von anderen Terror-Herrschaften unterscheidet und die Gaskammern nicht zuletzt aus diesem Grunde von gewissen Kreisen u.a. zum Zwecke der Beleidigung der Juden bestritten werden». (E. 2d aa)

Das Bundesgericht führt weiter aus, dass mit Äusserungen, mit denen bloss einige Hunderttausend Tote «anerkannt» werden, der Völkermord an den Juden im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 und 4 Hälfte 2 StGB geleugnet oder jedenfalls gröblich verharmlost werde. Es sei als wahr bewiesen, «dass unter der Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes mehrere Millionen Juden ermordet wurden, zu einem erheblichen Teil durch Vergasung». «Nach weit verbreiteten, durch zahllose Beweise fundierten Schätzungen sind rund 6 Millionen Juden ermordet worden, wovon auch der Gesetzgeber ausgeht. Der Kassationshof hat sich [...] nicht auf Diskussionen über die genauen Zahlen von Toten, Ermordeten und Vergasten im Einzelnen einzulassen, und er hat auch nicht, quasi im Sinne von «Grenzwerten», festzulegen, welche «Mindestzahlen» in Äusserungen über die Opferzahlen bei Strafe keinesfalls «unterschritten» werden dürfen.» Es hänge nicht allein vom Ausmass der Abweichung ab, sondern es sei aufgrund der gesamten Umstände zu entscheiden, wozu auch gehört, wer in welchem Zusammenhang, zu welchen Zwecken, mit welcher Begründung, in welcher Art und Weise vertritt, es seien weniger Juden ermordet worden, als allgemein angenommen werde. (E. 2d bb)

Das Bundesgericht stellt klar, dass nach den allgemeinen Regeln Eventualvorsatz in Bezug auf die inhaltliche Unrichtigkeit der Äusserung genügt, um eine «Leugnung» oder ein «gröbliches Verharmlosen» im Sinne von Art. 261bis 4 Hälfte 2 StGB tatbestandsmässig zu erklären. Der Beschwerdeführer habe mit Eventualvorsatz gehandelt. Es ändere sich daran nichts, dass er angeblich aufgrund seiner Forschungsarbeiten von der Richtigkeit seiner Thesen überzeugt sei. Ausserdem stelle diese Tatbestandsvariante auch ein Leugnen und ein gröbliches Verharmlosen von solchen Verbrechen dar, die weniger offenkundig bzw. allgemein bekannt sind als die Vernichtung der Juden durch das nationalsozialistische Regime. (E. 2e aa)

Als nächstes wirft der Beschwerdeführer der Vorinstanz vor, sie verletze Art. 261bis Abs. 2 StGB, indem sie den Revisionismus als Ideologie qualifiziere. Er wendet ein, dass eine Theorie nicht schon dann eine Ideologie sei, wenn sie von der Wirklichkeit abweiche. Der Ideologie-Begriff gehe zweifellos weiter und sei ein ganzes Denksystem, eine Weltanschauung, was keinesfalls vom ihm vertretenen so genannten Revisionismus der Fall sei.

Das Bundesgericht hält diesbezüglich fest, dass nicht geprüft werden muss, ob der Revisionismus eine Ideologie ist, was darunter in der Vergangenheit verstanden worden ist und darunter heute zu verstehen ist.

Strafrechtlich relevant sei allein, was unter dem Ideologie-Begriff im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB zu verstehen sei und ob die Äusserungen des Beschwerdeführers bzw. das damit zum Ausdruck gebrachte Gedankengut eine «Ideologie» in diesem strafrechtlichen Sinne seien. (E. 2c) Das Bundesgericht unternimmt zunächst eine grammatikalische Auslegung des Begriffes «Ideologie» und zieht verschiedene Wörterbücher und Enzyklopädien dafür bei. (E. 3d aa)

Danach konsultiert es die Ansicht verschiedener Kommentatoren des Antirassismusgesetzes und jene der Lehre. (E. 3d bb) Es stellt fest, dass es in der Lehre umstritten ist, ob erst ein eigentliches Gedankengebäude eine «Ideologie» im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB sei oder ob hiefür auch schon einige wenige Ideen ausreichen. Anschliessend analysiert der Kassationshof die Materialien zu dieser Tatbestandvariante und hält fest, dass in Absatz 1 das einfache Aufrufen zur Rassenhetze und in Absatz 2 eine subtilere Form dieser Hetze, nämlich die mit vermehrtem gedanklichen Aufwand verbunden ist, angesprochen wird.

Laut der Botschaft des Bundesrates soll mit «Ideologie» ausgedrückt werden, dass zur Erfüllung des Tatbestands ein planmässiges und gezieltes Handeln gehört. Nicht jede Unmutsäusserung gegenüber Fremden soll strafbar sein, sondern die systematische Herabsetzung und Verleumdung. Somit gehe die Botschaft von einem relativ weiten «Ideologie»-Begriff aus. (E. 3d bb)

Letztlich lässt das Bundesgericht jedoch offen, ob die (qualifizierte) Auschwitzleugnung schon als solche eine «Ideologie» im Sinne von Abs. 2 ist oder immerhin dann, wenn sie auf einer scheinwissenschaftlichen «Beweisführung» gründet, und ob somit die (qualifizierte) Auschwitzleugnung nicht allein durch Abs. 4 2. Halbsatz, sondern auch gemäss Abs. 2 des Antirassismusartikels strafbar ist. (E. 3d cc)

Allerdings kommt der Kassationshof in casu zum Schluss, dass die im Buch «Todesursache Zeitgeschichtsforschung» aufgeführte These von einer jüdischen bzw. «zionistischen» Verschwörung gegen das christliche Abendland, deren Symbol der Beschwerdeführer in der angeblichen Erfindung des Holocausts und der Gaskammern sieht, eine «Ideologie» im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB darstellt. Sie sei offensichtlich im Sinne dieser Bestimmung auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Juden gerichtet. (E. 3d dd)

Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, dass seine Verurteilung durch die Vorinstanz wegen des Verfassens des Buches «Auschwitz – Tätergeständnisse und Augenzeugen des Holocausts» vor dem Inkrafttreten des Antirassismusartikels am 1. Januar 1995, Bundesrecht verletzt. Seine Verurteilung gründe letztlich doch auf der Annahme einer Garantenpflicht, für die es im Gesetz aber keine Grundlage gäbe.

Das Bundesgericht weist diesen Einwand mit der gleichen Begründung wie die Vorinstanz ab: «Indem der Beschwerdeführer auch nach dem Inkrafttreten von Art. 261bis StGB mit der Verbreitung des von ihm vor dem Inkrafttreten dieser Strafbestimmung verfassten Buches einverstanden war, hat er mit Wissen und Willen an der Tatausführung mitgewirkt.» Ausserdem hätten verschiedene von ihm nach dem 1. Januar 1995 verfasste Bücher und Zeitschriftenbeiträge vergleichbare tatbestandsmässige Äusserungen enthalten, und er habe diese Bücher teilweise an Dritte versandt. (E. 4 b aa und bb)

Zuletzt wendet der Beschwerdeführer ein, dass die an den Basler Professor im Buch «Todesursache Zeitgeschichtsforschung» erfolgte Widmung, die als Beschimpfung im Sinne von Art. 177 StGB von der 1. Instanz qualifiziert wurde, kein Angriff auf dessen ethnischen Integrität sei. Die fragliche Äusserung beziehe sich ausschliesslich auf dessen beruflichen Tätigkeit. Das Bundesgericht weist diese Argumentation ab und bestätigt die Ansicht der 1. Instanz, nach welcher der Professor nicht nur in seiner Stellung als Berufsmann, sondern auch als Christ und Mensch verletzt sei. Gerade in diesem Bereich sei eine Trennung der beiden Sphären praktisch nicht möglich. (E. 5)

Der Theologieprofessor beantragte seinerseits die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde und nahm in seiner Vernehmlassung Stellung zur Verurteilung des Angeschuldigten wegen Rassendiskriminierung. Das Bundesgericht sprach ihm jedoch als (reformierten) Christen die Geschädigtenstellung im strafprozessrechtlichen Sinne ab, da er in seiner Stellung als christlicher Ordinarius weder Träger der durch Art. 261bis Abs. 2 und Abs. 4 Hälfte 2 StGB geschützten Rechtsgüter noch von den fraglichen Straftaten unmittelbar betroffen sei. Aufgrund der fehlenden Geschädigtenstellung, sei er nicht befugt, in seiner Vernehmlassung zur Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Rassendiskriminierung Stellung zu nehmen. (E. 7)

Entscheid

Das Bundesgericht weist die Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ab. Dem Beschwerdeführer wird eine Gerichtsgebühr von CHF 800.-- —auferlegt und wird verpflichtet der Bundesgerichtskasse CHF 500.--, die diese als Entschädigung an den Basler Theologie-Professor ausrichtet, Ersatz zu leisten.