Fall 2000-053N
Thurgau
Verfahrensgeschichte | ||
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2000 | 2000-053N | 1. Instanz verurteilt den ersten Angeklagten. Der zweite wird vom Vorwurf der Rassendiskriminierung freigesprochen. |
2001 | 2001-012N | 2. Instanz weist die Berufung des Angeklagten ab. |
Juristische Suchbegriffe | |
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Tathandlung / Objektiver Tatbestand | Herabsetzung oder Diskriminierung (Abs. 4 Hälfte 1) |
Schutzobjekt | Schutzobjekt allgemein |
Spezialfragen zum Tatbestand | keine |
Stichwörter | |
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Tätergruppen | Privatpersonen |
Opfergruppen | Schwarze Personen / PoC |
Tatmittel | Wort |
Gesellschaftliches Umfeld | Öffentliche Orte |
Ideologie | Rassismus (Hautfarbe); Rechtsextremismus |
Zwei Männer beschimpften auf offener Strasse zwei Personen schwarzer Hautfarbe mit Worten wie «Negersau», «Dreckneger» etc.
Die Vorinstanz konnte nur einem Angeklagten nachweisen, die inkriminierten Äusserungen ausgesprochen zu haben. Er wurde zu einer Busse von Fr. 2'000.-- verurteilt. Der Mitangeklagte wurde hingegen freigesprochen.
Die 2. Instanz hat die Beweiswürdigung der Vorinstanz zu überprüfen und kommt zum Schluss, dass diese korrekt erfolgt sei. Es bestätigt den Schuldspruch der Vorinstanz.
Die zwei Angeklagten, der eine zum damaligen Zeitpunkt Mitglied der rechtsextremen Szene, bedrohten und beschimpften auf offener Strasse zwei ihnen unbekannte Schwarze mit «Negersau, Dreckneger oder Scheissneger» und «Händ ihr Angscht, ihr feige, dreckige Negersaue».
Der zweite Angeklagte machte geltend, er habe lediglich seinen Kollegen zurückgehalten, als dieser mit dem Baseballschläger angreifen wollte. Er habe darauf die Faust gemacht und den beiden Schwarzen «Stellt Euch!" zugerufen.
Die 1. Instanz verurteilte den ersten Angeklagten wegen Rassendiskriminierung, Irreführung der Rechtspflege und einfachen Verletzungen von Verkehrsregeln zu einer Busse von Fr. 2'000.--. Der zweite Angeklagte wird vom Vorwurf der Rassendiskriminierung freigesprochen.
Der zu einer Busse verurteilte Angeklagte legte fristgerecht Berufung gegen dieses Urteil ein. Er ficht nur den Schuldspruch wegen Rassendiskriminierung an und rügt, dass bezüglich der Beweiswürdigung der Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» bei ihm auch zum Tragen kommen müsse. Es läge eine rechtsungleiche Behandlung im Verhältnis zum Mitangeklagten vor.
Entscheid 2000-053N
Der erste Angeklagte wird wegen rassendiskriminierenden Beschimpfungen von zwei Männern dunkler Hautfarbe im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 1 StGB verurteilt. Das Urteil enthält keine rechtlichen Ausführungen dazu.
Dem zweiten Angeklagten kann hingegen nicht nachgewiesen werden, dass er die oben genannten Beschimpfungen ebenfalls geäussert hatte. In der Folge hat das 1. Instanz abzuklären, ob allenfalls der Zuruf "Stellt Euch!" zusammen mit einer erhobenen Faust unter den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 1 StGB fällt.
Nach dieser Tatbestandsvariante macht sich strafbar, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert.
Damit eine Verletzung der Menschenwürde vorliegt, muss die Verletzung eine gewisse Intensität aufweisen, so dass es kaum möglich sein wird, eine Rassendiskriminierung nur mit Gebärden oder Tätlichkeiten zu verüben. Eine rassendiskriminierende Gebärde oder Tätlichkeit muss mindestens noch mit einem verbalen Kommentar kombiniert sein. (E.2.e) Die 1. Instanz führt dazu aus: "Der Zuruf ''Stellt Euch!' und eine dazu erhobene Faust stellen keine Herabsetzung der Menschenwürde im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 [Hälfte 1] StGB dar, da in keiner Art und Weise auf eine Rasse, Ethnie oder Religion Bezug genommen wird. Weiter wird dadurch auch niemand in seiner Menschenwürde herabgesetzt, da in der Aussage 'Stellt Euch!' gar keine Herabsetzung enthalten ist. Damit wird jemand zu einer Konfrontation, sei es verbal oder physisch, aufgefordert, aber nicht in "schwerer menschenverachtender Weise blossgestellt und erniedrigt" (SJZ 92 [1996], S.318).
Zwar gilt es - [...] - zu beachten, dass die ganze Situation (zwei Männer, die breitbeinig in Springerstiefeln das Trottoir versperrten) gewalttätig und bedrohlich wirkte. [...] Aus diesen Umständen kann aber nicht ein strafbares, rassendiskriminierendes Verhalten abgeleitet werden." (E.2.f)
Der zweite Angeklagte habe sich folglich nicht der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 1 StGB schuldig gemacht.
Verurteilung des ersten Angeklagten wegen Rassendiskriminierung, Irreführung der Rechtspflege und einfachen Verletzungen von Verkehrsregeln zu einer Busse von Fr. 2'000.--. Der Strafregistereintrag wird nach einer Probezeit von 2 Jahren gelöscht. Der zweite Angeklagte wird vom Vorwurf der Rassendiskriminierung freigesprochen.
Entscheid 2001-012N
Die 2. Instanz hat sich mit der Beweiswürdigung bezüglich des dem Berufungskläger vorgehaltenen Sachverhaltes auseinander zusetzen. Sie kommt zum Schluss, dass das Geständnis des Berufungsklägers eindeutig sei und die von ihm getätigten rassendiskriminierenden Äusserungen als erwiesen anzusehen seien. Darin unterscheide sich der Fall von dem des Mitangeklagten, welcher immer abgestritten habe, solche Äusserungen vorgenommen zu haben. Somit sei der Freispruch des Mitangeklagten und die Verurteilung des Berufungsklägers wegen Rassendiskriminierung durch die Vorinstanz rechtmässig erfolgt und die Berufung wird folglich abgewiesen.
Die Berufung wird abgewiesen. Der Entscheid der Vorinstanz wird bestätigt; d.h Verurteilung des Angeklagten zu einer Busse von Fr. 2'000.-- und Löschung des Strafregistereintrages nach einer Probezeit von 2 Jahren.