Fall 2003-027N

Beschimpfung von Stammtisch aus: «Scheissn*****»

Zürich

Verfahrensgeschichte
2003 2003-027N 1. Instanz spricht den Angeschuldigten frei.
Juristische Suchbegriffe
Tathandlung / Objektiver Tatbestand Herabsetzung oder Diskriminierung (Abs. 4 Hälfte 1)
Schutzobjekt Rasse
Spezialfragen zum Tatbestand Öffentlichkeit
Stichwörter
Tätergruppen Privatpersonen
Opfergruppen Schwarze Personen / PoC
Tatmittel Wort
Gesellschaftliches Umfeld Öffentliche Orte
Ideologie Rassismus (Hautfarbe);
Rechtsextremismus

Kurzfassung

Der Angeschuldigte X sass an einem Abend im September 2003 mit Kollegen in einem Restaurant an seinem Stammtisch, als der dunkelhäutige Y mit einem Begleiter das Restaurant betrat und sich an einen Nebentisch setzte. Schon durch diesen Umstand fühlte sich X nach eigenen Angaben provoziert. An beiden Tischen wurde über die andere Gruppe gesprochen und gelacht. In diesem Zusammenhang hat nach Aussage des Geschädigten der Beschuldigte ihn mit «Nigger» und «Scheissnigger» beschimpft. X bestreitet dies. Nach seinen Aussagen sei es zu keinen Beleidigungen gekommen.

Aufgrund dieser strittigen Aussagen wurde ein Strafverfahren gegen X wegen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 1 StGB eingeleitet. Eine weitere Strafanzeige, die im Laufe des Strafverfahrens eingegangen ist, wurde in demselben Verfahren beurteilt. Der Angeschuldigte hatte gemäss dieser zweiten Anzeige in einem Bahnhof verbotenerweise die Geleise überquert.

Nach rechtsgenügender Feststellung des Sachverhaltes hielt der Einzelrichter fest, dass es zu besagten Beleidigungen durch den Angeschuldigten dem Geschädigten gegenüber gekommen sei. Nach Meinung des Gerichtes handle es sich um herabwürdigende Äusserungen. Gemäss richterlichen Erwägungen fehlte es in casu jedoch an der Tatbestandsvoraussetzung der Öffentlichkeit. Der Beschuldigte habe die Äusserungen in erster Linie an den Geschädigten gerichtet, und nicht an weitere Gäste. Dementsprechend hatte er seine Stimme nur leicht angehoben gehabt und die Beleidigungen nicht viel lauter als durch normales Reden geäussert. Die Beschimpfungen seien daher für die anderen im Restaurant Anwesenden nicht hörbar gewesen, solange sie sich nicht darauf geachtet hätten. Zur Erfüllung des Tatbestandmerkmales der Öffentlichkeit sei notwendig, dass die Beleidigungen ohne weiteres für einen nicht durch persönliche Beziehungen zusammenhängenden Personenkreis hörbar sind. In casu sei dies nicht der Fall gewesen.

Der Angeschuldigte wurde von der Rassendiskriminierung nach Art. 261bis StGB freigesprochen. Ihm wurden die Verfahrenskosten von Fr. 1419.- trotz Freispruch wegen Einleitung einer Strafuntersuchung durch verwerfliches Benehmen auferlegt. Begründet wurde dies damit, dass die gemachten Äusserungen einen offenkundig ehrverletzenden Charakter hätten, was als verwerfliches Benehmen zu beurteilen sei. Aufgrund der zweiten Strafanzeige wurde er betreffender Übertretung für schuldig befunden und zu einer Busse von Fr. 100.- verurteilt.

Sachverhalt

Der Angeschuldigte X soll den Geschädigten Y an einem Abend im September 2002 in einem Restaurant mit «Nigger» und «Scheissnigger» betitelt haben. Der Beschuldigte sass an besagtem Abend mit Kollegen an seinem Stammtisch, als der dunkelhäutige Y mit einem Freund das Restaurant betrat und sich an einen Nebentisch setzte. Schon durch diesen Umstand fühlte sich X nach eigenen Angaben provoziert. An beiden Tischen wurde über die andere Gruppe gesprochen und gelacht. In diesem Zusammenhang hat nach Aussage von Y der Angeschuldigte ihn mit «Nigger» und «Scheissnigger» beschimpft. Der Beschuldigte bestreitet dies. Nach seinen Aussagen sei es zu keinen Beleidigungen gekommen. Ebenso gaben zwei seiner Kollegen sowie der Koch und die Wirtin an, keine an den Geschädigten gerichteten Beschimpfungen gehört zu haben. Zwei Begleiter des Geschädigten gaben demgegenüber übereinstimmend zu Protokoll, der Angeschuldigte habe Y mehrfach mit besagten Aussagen beleidigt. Nach Angaben des Geschädigten und der Belastungszeugen hatte der Beschuldigte die Beleidigungen ein paar Mal vom zwei bis drei Meter entfernten Stammtisch her und ein paar Mal am Tisch von Y ausgesprochen. Er habe dies lauter als normal getan, jedoch ohne zu schreien.

Aufgrund dieser strittigen Aussagen wurde ein Strafverfahren gegen den Angeschuldigten X wegen Verletzung der Rassendiskriminierungsnorm, Art. 261bis StGB, eingeleitet.

Die Strafanzeige wegen einer Übertretung die im Laufe dieses gerichtlichen Verfahrens stattgefunden hat, und die der Angeschuldigte nicht bestritt, wurde in demselben Strafverfahren beurteilt.

Rechtliche Erwägungen

  • Der Einzelrichter hielt fest, da keine anderen Beweismittel vorlägen, komme bei der Ermittlung des Sachverhalts den Aussagen der Beteiligten erhöhte Bedeutung zu. Der Angeschuldigte wie der Geschädigte hätten ein legitimes Interesse am Ausgang des Strafverfahrens und damit an einer für sie vorteilhaften Schilderung des Sachverhaltes, die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen sei daher unter diesem Aspekt zu betrachten. Besonders die Aussagen des Angeschuldigten seien mit Zurückhaltung zu würdigen. Der Geschädigte hingegen habe die Aussagen als Zeuge gemacht, stand also im Gegensatz zu X unter der Wahrheitspflicht gemäss Art. 307 StGB. Die generelle Glaubwürdigkeit seiner Aussagen sei dadurch erhöht. Die übrigen Beteiligten seien ebenfalls als Zeugen einvernommen worden und auch sie unterstanden damit der Wahrheitspflicht. Dabei sei zu beachten, dass sie teilweise Kollegen des Angeschuldigten bzw. des Geschädigten seien.
  • Das Gericht erwog, dass die den Angeschuldigten X belastenden Aussagen, sollten sie nicht wahr sein, einer perfiden Verschwörung gegen ihn entsprungen sein müssten. Da sowohl X wie Y nur von einer flüchtigen Bekanntschaft zwischen ihnen gesprochen haben, sei kein eindeutiges Motiv für einen solchen Lügenkomplott ersichtlich. Zudem hätte der Geschädigt, hätte er gelogen, kaum von Anfang an nebst seinen Kollegen noch aussenstehende Personen als Zeugen angegeben. Bei diesen hätte er damit rechnen müssen, dass sie seine Beschuldigungen überzeugend dementierten. Im Übrigen fehle es in den Aussagen des Geschädigten an konkreten Hinweisen darauf, dass sie nicht der Wahrheit entsprächen. Vielmehr wirkten sie ungekünstelt und authentisch. Laut zuständigem Richter spreche auch für den Wahrheitsgehalt der belastenden Aussagen, dass einer der Belastungszeugen sehr vorsichtig ausgesagt habe, obwohl er zur Gruppe des Geschädigten gehörte. Auch dieser Umstand spreche gegen eine im Restaurant geschmiedete Verschwörung.

    Bei den Aussagen des Beschuldigten falle hingegen auf, dass X die Ereignisse an besagtem Abend von Anfang an bagatellisiert habe. Zum Zeitpunkt des Verfahrens mochte er sich angeblich an überhaupt nichts mehr erinnern. Dazu komme, dass X zum fraglichen Zeitpunkt eine ausländerfeindliche und rechtsradikale Einstellung gehabt habe, wie er selber freimütig zugab. Die strittigen Äusserungen hätten also durchaus zu ihm gepasst, zumal er sich nach eigenen Angaben durch die Anwesenheit des Geschädigten provoziert gefühlt habe. Wenn weitere befragte Personen, namentlich die Zeugen aus der Gruppe des Angeschuldigten, angaben, die Beleidigungen nicht gehört zu haben, bedeute dies nicht, dass sie tatsächlich nicht gefallen seien. Dies bedeute nur, dass die Äusserungen an den benachbarten Tischen und im übrigen Bereich des Restaurants nicht gehört wurden.

    Durch all diese Erwägungen erachtetet das Gericht den Sachverhalt gemäss den Schilderungen des Geschädigten als rechtsgenügend erstellt.

  • Ob sich der Beschuldigte X einer Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 1 StGB schuldig gemacht habe sei unter den Tatbestandsvoraussetzungen der Herabsetzung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise und der nötigen Öffentlichkeit dieser Handlung zu prüfen.
  • Das Wort «Nigger» sei eindeutig: Ausgangspunkt bilde das lateinische «niger» für «schwarz». Schon das Wort «Neger» sei eher abwertend, hierzulande gelte der Ausdruck «Nigger» jedoch als weitaus noch abschätziger. Die Kombination mit einem Fäkalausdruck sei daher zweifellos eine äusserst verächtliche Bezeichnung und zeuge von einer besonders intensiven Geringschätzung der angesprochenen Person. Die Tatbestandsvoraussetzung der in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Herabsetzung des Betroffenen sei offenkundig erfüllt.
  • Diese Herabsetzung müsse auch öffentlich erfolgt sein. Das Gericht hielt fest, dass es dafür unwesentlich sei, ob die Handlung auch tatsächlich von einer grösseren Anzahl von Menschen wahrgenommen worden sei oder nicht, massgebend sei alleine die Wahrnehmbarkeit. In casu habe laut Aussage des Geschädigten – von Zeugen bestätigt – der Beschuldigte ihn von einem nur wenige Meter entfernt stehenden Tisch aus beleidigt, sowie erneut am Tisch von Y selber. Bei beiden Gelegenheiten wurden die Äusserungen demnach aus geringer Entfernung primär an Y und nicht an unbestimmt viele Personen gerichtet. Ob Öffentlichkeit gegeben sei hänge gemäss dem Bundesgerichtsentscheid BGE 126 IV 178 von den gesamten Umständen des Sachverhaltes ab, wie etwa Ort, Zahl der Adressaten und Beziehung des Urhebers der Äusserung zu diesen. Im vorliegenden Fall sei es unbestritten, dass der Ausdruck «Scheissnigger» für den Geschädigten und seine Begleiter, sowie höchstwahrscheinlich auch für die Kollegen des Angeschuldigten, zu hören gewesen war. Wenig wahrscheinlich sei es aber, dass sich X mit der Äusserung auch an die übrigen Gäste habe wenden wollen. Er hätte dazu seine Stimme nicht nur anheben, sondern zumindest deutlich lauter sprechen oder gar rufen müssen, was er gemäss mehr oder weniger übereinstimmender Aussagen der Belastungszeugen nicht gemacht hat. Vor allem nach Aussagen des Geschädigten selber habe der Angeklagte lauter als normal geredet, aber nicht geschrien. Um das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit zu erfüllen hätten die Beleidigungen an den umliegenden Tischen hörbar sein müssen, auch ohne dass die Gäste sich speziell darauf geachtet hätten. Der Beschuldigte hätte sich dazu an die anderen Gäste wenden oder so laut sprechen müssen, dass die Beleidigung von diesen ohne weiteres zu hören gewesen wäre. Aufgrund der obigen Ausführungen sei davon aber nicht auszugehen, weshalb auch weder die Wirtin noch der Koch etwas wahrgenommen haben.
  • Der Angeschuldigte sei nach Gesagtem mangels Öffentlichkeit von der Rassendiskriminierung freizusprechen. Die Verfahrenskosten sollen ihm trotz Freispruch auferlegt werden, da er die Einleitung einer Strafuntersuchung durch verwerfliches Benehmen verursacht habe. Laut Gericht haben die Äusserungen einen offenkundig ehrverletzenden Charakter, was als verwerfliches Benehmen zu beurteilen sei.
  • Gemäss einer anderen Strafanzeige, die im Laufe dieses Strafverfahrens ergangen ist, hat der Angeschuldigte X in einem Bahnhof verbotenerweise die Geleise überquert. Wegen dieser Übertretung, die der Beschuldigte nicht bestreitet, werde er zu einer Busse von Fr. 100.- verurteilt.
  • Entscheid

    Der Beschuldigte ist von der Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 1 StGB freizusprechen. Ihm werden die Verfahrenskosten von Fr. 1419.- trotz Freispruch wegen Einleitung einer Strafuntersuchung durch verwerfliches Benehmen auferlegt. Der Angeschuldigte ist schuldig der Übertretung gemäss Art. 8 i.V.m. Art 1 Abs. 1 BG betreffend Handhabung der Bahnpolizei. Er wird bestraft mit einer Busse von Fr. 100.-.