Fall 2007-053N

Kühnegruss auf dem Rütli

Uri

Verfahrensgeschichte
2007 2007-053N Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt das Strafverfahren ein.
Juristische Suchbegriffe
Tathandlung / Objektiver Tatbestand Verbreiten von Ideologien (Abs. 2)
Schutzobjekt keine Ausführungen zum Schutzobjekt
Spezialfragen zum Tatbestand Subjektiver Tatbestand
Stichwörter
Tätergruppen Privatpersonen
Opfergruppen Keine Angaben zur Opfergruppe
Tatmittel Gesten / Gebärden
Gesellschaftliches Umfeld Öffentliche Orte
Ideologie Rechtsextremismus

Kurzfassung

Der Angeklagte machte anlässlich der 1. August Feier auf der Rütliwiese während der Nationalhymne angeblich den Kühnengruss. Er wies keine anderen äusserlichen Merkmale auf, die in Kombination miteinander auf einen Vertreter einer nationalsozialistischen Ideologie schliessen liessen.

Beim Kühnengruss handelt es sich um eine Abwandlung des Hitlergrusses. Dabei wird der rechte Arm gestreckt und der Daumen, der Zeigefinger und der Mittelfinger werden abgespreizt. Die anderen Finger bleiben angewinkelt. Der Name geht auf den ehemaligen Neonazi-Führer Michael Kühne zurück. Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt fest, dass sich die dahinterstehende Ideologie mit derjenigen des Hitlergrusses decken dürfte, weshalb dieses Hand-/Armzeichen bei der Beurteilung der Rassendiskriminierung nach Art. 261bis StGB gleich zu behandeln sei.

Die zuständige Strafverfolgung prüft, ob sich der Angeklagte im Sinn von Art. 261bis Abs. 2 StGB strafbar gemacht hat.Dabei legt sie insbesondere Wert auf den Begriff des Verbreitens.
Als Verbreiten sei jede Handlung oder Äusserung zu verstehen, die sich an ein – in der Zahl bestimmtes oder unbestimmtes – Publikum richtet, wobei die Tathandlung darauf ausgerichtet ist, den Empfängern einen bestimmten Inhalt, einen Sachverhalt oder eine Wertung zur Kenntnis zu bringen und damit implizit dafür zu werben (Marcel Alexander Niggli, Rassendiskriminierung, Ein Kommentar zu Art. 261bis StGB und Art. 171c MStG, Zürich, 1996, N 795). Gemäss Niggli (a.a.O., N 815) steht ausser Frage, dass nationalsozialistische, faschistische und faschistoide Ideologien bei einem durchschnittlichen Publikum untrennbar mit der entsprechenden Behauptung eingeschränkter bzw. nicht-vorhandener Menschenrechte für alle andern Gruppen verknüpft seien.
Gemäss den Ausführungen der zuständigen Strafverfolgungsbehörde könne der Hitlergruss selbst bereits ein werbendes Verbreiten darstellen. Dies allerdings nur dann, wenn die Person, die so gegrüsst wird, selbst nicht diese Ideologie teile. Werde die Geste dagegen unter Gleichgesinnten verwendet, so dürfte darin jedenfalls kein Verbreiten im Sinn von Art. 261bis Abs. 2 StGB zu erkennen sein, und zwar selbst dann nicht, wenn es in der Öffentlichkeit geschieht. Der Hitlergruss werde also nur als Verbreiten zu qualifizieren sein, wenn er sich nach aussen, an eine unbeteiligte Öffentlichkeit richtet.
Aus den polizeilichen Akten lasse sich entnehmen, dass der Angeschuldigte bisher nie in Zusammenhang mit nationalistischen Bewegungen in Erscheinung getreten sei. Gestützt auf den Grundsatz in dubio pro reo geht die zuständige Strafverfolgungsbehörde davon aus, dass der Beschuldigte anlässlich der 1. August-Feier auf das Rütli und damit auf die symbolische Gründung der Eidgenossenschaft schwur und nicht einen Kühnengruss machte.

Die zuständige Strafverfolgungsbehörde ist der Auffassung, dass unter den erwähnten Umständen das Tatbestandsmerkmal des werbenden Verbreitens nicht erfüllt sei. Ebenfalls verneint sie das Vorliegen des subjektiven Tatbestands, da dem Angeschuldigten kein Vorsatz bezüglich der werbenden Verbreitung von Ideologien zum einen und bezüglich des systematisch herabsetzenden oder verleumderischen Charakters der verbreiteten Ideologie zum andern nachgewiesen werden konnte.

Aus diesen Gründen stellt die zuständige Strafverfolgungsbehörde das Strafverfahren ein.

Entscheid

Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt das Strafverfahren ein.