Fall 2007-065N

Politwerbung mit «Schäfchenplakat» 2

Zürich

Verfahrensgeschichte
2007 2007-065N Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt das Strafverfahren ein.
Juristische Suchbegriffe
Tathandlung / Objektiver Tatbestand Aufruf zu Hass und Diskriminierung (Abs. 1);
Herabsetzung oder Diskriminierung (Abs. 4 Hälfte 1)
Schutzobjekt keine Ausführungen zum Schutzobjekt
Spezialfragen zum Tatbestand Geschütztes Rechtsgut
Stichwörter
Tätergruppen Politische Akteure
Opfergruppen Schwarze Personen / PoC;
Ausländer und Angehörige verschiedener Ethnien
Tatmittel Schrift
Gesellschaftliches Umfeld Öffentliche Orte;
Medien (inkl. Internet)
Ideologie Rassismus (Nationalität / Herkunft);
Rassismus (Hautfarbe)

Kurzfassung

Das Komitee für eine sichere Schweiz lancierte zusammen mit einer politische Partei in Zürich (siehe EKR-Datenbank 2007-64) die eidgenössische Volksinitiative «Für die Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)». Diese wurde unter anderem mit einem Inserat/Plakat beworben. Unter dem Titel «Sicherheit schaffen» ist in einer diagonal aufgeteilten rechteckigen Fläche die obere linke Hälfte rot eingefärbt und mit einem Schweizerkreuz versehen. Auf dieser roten Fläche werden drei weisse Schafe dargestellt, von denen eines mit seinen Hinterläufen ein schwarzes Schaf aus der die Schweiz stilisierenden roten Fläche stösst. Zudem schaltete das Komitee anfangs Juli 2007 die Webseite «www.ausschaffungsinitiative.ch» auf, auf welcher unter anderem ein Argumentarium sowie Unterschriftenbogen abrufbar waren.

Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt das Strafverfahren ein, da die in dieser Volksinitiative angegriffene Gruppe der «Ausländer» vom Schutzbereich des Art. 261bis StGB gar nicht erfasst werde. Zudem rechne das Publikum bei politischen Auseinandersetzungen mit Übertreibungen und pointierten Positionsbezügen und pflege nicht jede Äusserung auf die Goldwaage zu legen.

Sachverhalt

Das Komitee für eine sichere Schweiz lancierte zusammen mit einer politische Partei aus Zürich (siehe EKR-Datenbank 2007-64) die eidgenössische Volksinitiative «Für die Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)». Die Initiative strebte eine Änderung des 9. Abschnittes (Aufenthalt und Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländern) der Schweizerischen Bundesverfassung (BV) durch eine Ergänzung von Art. 121 BV sowie Art. 197 BV an. So sollten Ausländerinnen und Ausländer unabhängig von ihrem ausländerrechtlichen Status ihr Aufenthaltsrecht sowie alle Rechtsansprüche auf Aufenthalt in der Schweiz verlieren, wenn sie wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts, wegen einer Vergewaltigung oder eines anderen schweren Sexualdelikts, wegen eines anderen Gewaltdelikts wie Raub, wegen Menschenhandels, wegen Drogenhandels oder Einbruchsdelikts rechtskräftig verurteilt worden sind oder missbräuchlich Leistungen der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe bezogen haben. Sie sollten aus der Schweiz ausgewiesen und mit einem Einreiseverbot von 5 bis 15 Jahren, im Wiederholungsfall bis 20 Jahren belegt werden.

Beworben wurde diese Volksinitiative vor allem mit einem Inserat/Plakat: Unter dem Titel «Sicherheit schaffen» ist in einer diagonal aufgeteilten rechteckigen Fläche die obere linke Hälfte rot eingefärbt und mit einem Schweizerkreuz versehen. Auf dieser roten Fläche werden drei weisse Schafe dargestellt, von denen eines mit seinen Hinterläufen ein schwarzes Schaf aus der die Schweiz stilisierenden roten Fläche stösst. Zudem schaltete das Komitee anfangs Juli 2007 die Website «www.ausschaffungsinitiative.ch» auf, auf welcher unter anderem ein Argumentarium sowie Unterschriftenbogen abrufbar waren.

Rechtliche Erwägungen

Die zuständige Strafverfolgung führt zunächst aus, dass geschütztes Rechtsgut von Art. 261bis StGB die Menschenwürde, also der soziale Wert- und Achtungsanspruch der Menschen sei. Die Würde des Menschen werde verletzt, wenn einer Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Person in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als minderwertiges Wesen behandelt werde. Der Angriff müsse sich gegen den Kern der Persönlichkeit richten. Sie hält fest, dass man Art. 261bis StGB im vorliegenden Fall im Lichte der Meinungsäusserungsfreiheit auslegen müsse und kommt zum Schluss, dass nur krasse, geradezu menschenverachtende und verabscheuungswürdige Äusserungen und Formen der Diskriminierung unter die Strafbestimmung fallen.

Das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit sieht die Strafverfolgungsbehörde als unstrittig, wurde das Inserat/Plakat doch schweizweit in verschiedenen Tageszeitungen und anderen Medien publiziert und war damit einer unbestimmten grossen Vielzahl von Personen zugänglich.
Die Staatsanwaltschaft führt aus, dass Art. 261bis StGB einen abgeschlossenen Katalog von Gruppen bzw. Personen, die diesen Gruppen angehören, namentlich rassische, ethnische und religiöse Gruppen schütze. Thema der Ausschaffungsinitiative sei die Ausländerkriminalität und verlangt werde eine Verschärfung der Ausländergesetzgebung dahingehend, dass ausländische Staatsangehörige, die eine bestimmte Katalogtat begehen, ihr Anwesenheitsrecht in der Schweiz verlieren. Die Gruppe der «Ausländer» werde aber vom Schutzbereich von Art. 261bis StGB gar nicht erfasst. Hinsichtlich des objektiven Tatbestandes hält die zuständige Strafverfolgungsbehörde fest, dass im Inserat auf keine der Personen oder Gruppen Bezug genommen werde, denen Art. 261bis StGB besonderen Schutz biete. Sie anerkennt durchaus, dass die plakativ dargestellte Entfernung des schwarzen Schafes aus der Schweiz von der Tendenz her als fremdenfeindlich empfunden werde, stellt aber umgehend fest, dass man diesen Vorwurf grundsätzlich jeder Bestrebung, das Ausländerstrafrecht zu verschärfen, vorwerfen könne. Zumal sei der Staat berechtigt, Unterscheidungen zwischen eigenen und fremden Staatsangehörigen insoweit vorzunehmen, als ihr Ziel und ihre Folge keine rassendiskriminierenden Elemente enthalten.

Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt fest, dass sich die Strafbarkeit von schriftlichen Äusserungen bzw. bildlichen Darstellungen nach dem Sinn beurteile, den der unbefangene Durchschnittsleser bzw. Betrachter den jeweiligen Umständen gibt. Sie gibt zu bedenken, dass Äusserungen und Darstellungen, die im Rahmen der politischen Auseinandersetzung publiziert werden, nicht strikt an ihrem Wortlaut bzw. der konkreten Bildaussage zu messen seien. Das Publikum rechne mit Übertreibungen, Vereinfachungen und pointierten Positionsbezügen und pflege nicht jede Äusserung auf die Goldwaage zu legen.

Die zuständige Strafverfolgungsbehörde unterstreicht, dass es sich um Politwerbung handle, die zu einer Sachfrage eine Parole enthalte und diese bildlich «umsetze». Wie bei normaler Werbung versuche das fragliche Inserat die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu lenken. Die Kernaussage des Initiativbegehrens werde versinnbildlicht mit der Darstellung des in der Schweiz unerwünschten schwarzen Schafes.

Die urteilende Instanz erwähnt weiter, dass die Redewendung vom «schwarzen Schaf» angeblich auf eine Bibelstelle zurückgehe und damit erklärt werde, dass die schwarzen Schafe weniger erwünscht waren, weil man vornehmlich weisse Wolle gewinnen wollte. Auf die heutige Realität angewandt erklärt die Strafverfolgungsbehörde, dass diese idiomatische Wendung jemanden bezeichne, dem wegen seiner von der herrschenden Norm abweichende Lebensweise oder Anschauung die übrigen Mitglieder einer Gemeinschaft negativ gegenüber stehen bzw. umschreibe sie Personen, die sich nicht einordnen, die unangenehm auffallen, deren Lebensweise sich unvorteilhaft von der anderer abhebt oder bezeichne jemanden, der innerhalb einer Gruppe durch «sein ungebührliches Benehmen heraus sticht und bei den anderen Missbilligung hervorruft…». Sie stellt klar, dass dem Inhalt dieser Redewendung in keinerlei Hinsicht irgendein rassistischer Unterton zukomme, das Adjektiv «schwarz» habe wohl eine negative Note, es fehle aber das aufwieglerische, Hass generierende, auf offene Feindschaft oder ähnlich starke Ablehnung zielende Element. Mit diesem Inserat/Plakat gehe es einzig um eine Verschärfung der Ausländerpolitik. Die von der Verschärfung betroffenen «kriminellen Ausländer» werden im Sinne der erwähnten Redewendung allegorisch als Schwarze Schafe dargestellt, die das Land verlassen müssen. Dies sei im Sinn von Art. 261bis StGB nicht zu beanstanden, weshalb die zuständige Strafverfolgungsbehörde das Strafverfahren einstellt.

Entscheid

Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt das Strafverfahren ein.