Fall 2007-078N
Basel-Stadt
Verfahrensgeschichte | ||
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2007 | 2007-078N | Die 1. Instanz verurteilt den Angeklagten. |
Juristische Suchbegriffe | |
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Tathandlung / Objektiver Tatbestand | Leugnung von Völkermord (Abs. 4 Hälfte 2) |
Schutzobjekt | keine Ausführungen zum Schutzobjekt |
Spezialfragen zum Tatbestand | keine |
Stichwörter | |
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Tätergruppen | Privatpersonen |
Opfergruppen | Juden; Ausländer und Angehörige verschiedener Ethnien |
Tatmittel | Schrift |
Gesellschaftliches Umfeld | Internet (ohne Soziale Medien) |
Ideologie | Antisemitismus; Rassismus (Nationalität / Herkunft) |
Der Angeklagte veröffentlichte vorsätzlich und wiederholt Textbeiträge im Internet, in welchen er den Holocaust aus rassistischen Motiven gröblich verharmloste. Er wird u.a. der mehrfachen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB schuldig erklärt und zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu CHF 30.00 verurteilt.
Der Angeklagte veröffentlichte auf seiner Homepage, die er bei der Provider-Firma X angemeldet hatte und die damit für jeden Internet-Nutzer frei aufrufbar war, einen Beitrag, der zum einen die staatlich angeordnete systematische Ermordung von sechs Millionen Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Zweifel zog, und zum anderen die offenkundige geschichtliche Tatsache des Massenmordes mit Zyklon B in den Gaskammern in Abrede stellte, wodurch er den Holocaust gröblich verharmloste. Die Homepage wurde später vom Provider X gesperrt. Völlig unbekümmert um diese Vorgeschichte und darum, dass er im vorliegenden Strafverfahren bereits zum Vorwurf der Rassendiskriminierung vernommen wurde, meldete sich der Angeklagte bei einem neuen Provider an und fuhr damit fort, für jedermann zugängliche rassendiskriminierende Themen zu veröffentlichen.
Nach Art. 261bis Abs. 4 StGB macht sich strafbar, wer öffentlich und aus rassistischen, ethnischen oder religiösen Motiven Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht. Die Bestimmung zielt hauptsächlich auf das Bestreiten oder Verharmlosen des Holocausts. Als Beispiele werden in der Lehre Äusserungen angeführt, wonach es im Dritten Reich keine Gaskammern zur Vernichtung menschlichen Lebens oder überhaupt keinen Holocaust gegeben habe, wonach diesem wesentlich weniger Menschen als bisher angenommen zum Opfer gefallen seien, etc.
Der Angeklagte hat auf seine als Ergebnisse historischer Studien präsentierten Aussagen zum Holocaust auf seiner Webseite ins Internet gestellt und damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Er tat dies wiederholt, indem er seine Homepage nach deren Sperrung durch den einen Provider über einen anderen Anbieter weiterbetrieb. Gegenstand seiner Veröffentlichung ist der Holocaust und damit ein Völkermord im Sinne der Strafbestimmung. Der Angeklagte bestreitet dabei, dass die nationalsozialistischen Machthaber den Tod von rund sechs Millionen Juden zu vertreten haben und beziffert die Anzahl der in ihren Verantwortungsbereich fallenden jüdischen Opfer mit 2.5 bis 3 Millionen . Zum anderen sollen die in diesen Grössenordnung zu beklagenden jüdischen Opfer nicht in Gaskammern, sondern auf zahlreiche andere Arten und nebst weiteren Formen des Massentodes in besonders hoher Zahl beo der Zwangsarbeit zur Errichtung von Bunkeranlagen umgekommen sein. Berücksichtigt man die behaupteten weiteren (insbesondere Massen-) Todesarten, so wären die genannten Zahlen zur Bezifferung der jüdischen Holocaust-Opfer somit nochmals deutlich nach unten zu korrigieren.
Die Reduktion der Anzahl jüdischer Holocaust-Opfer um mehrere Millionen auf rund die Hälfte stellt eine massive Verharmlosung des Holocausts dar. Eine weitere grobe qualitative Verharmlosung des Holocausts ist darüber hinaus darin zu sehen, dass der Angeklagte die gezielte Vernichtung menschlichen Lebens zu einer blossen Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft abschwächt, die sich überdies als kriegsbedingte Zwangsmassnahme zum Zweck des militärischen Überlebens darstellen und insoweit idealisieren lässt. Selbst wenn mit dem Einsatz im Bunkerbau auch die Dezimierung der betroffenen Häftlinge beabsichtigt gewesen sein sollte, wie der Angeklagte geltend macht, so diente die Ermordung mehrheitlich jüdischer KZ-Häftlinge in Gaskammern diesem Zwecke ausschliesslich und unmittelbar. Der Tod im Bunkerbau stellt sich damit welches Ausmass er auch immer angenommen haben mag von grundlegend anderer Qualität dar als jener in der Gaskammer des Dritten Reiches. Kommt der Leugnung nicht bereits einer Negierung des Holocausts als solchem gleich (was davon abhängt, ob man die Vernichtung menschlichen Lebens in Gaskammern als Begriffsmerkmal des Holocausts ansehen will), so stellt sie daher zumindest eine gröbliche Verharmlosung im Sinne der Strafbestimmung dar.
Schliesslich kann auch an der vorsätzlichen Tatbegehung des Angeklagten kein Zweifel bestehen. Insbesondere musste er sich bewusst gewesen sein, den Holocaust allein durch die Halbierung der Opferzahl massiv verharmlost darzustellen. Indem der Angeklagte vorsätzlich und wiederholt Textbeiträge im Internet veröffentlichte, in welchen er den Holocaust aus rassistischen Motiven gröblich verharmloste, erfüllte er den Straftatbestand der Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 4 StGB in mehrfacher Tatbegehung.
Der Angeklagte wird nebst weiteren Delikten der mehrfachen Rassendiskriminierung schuldig erklärt und zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu CHF 30.00 verurteilt.