Fall 2010-017N

Massenmail mit rassistischem Inhalt

Aargau

Verfahrensgeschichte
2010 2010-017N Die zuständige Strafverfolgungsbehörde verurteilt den Angeklagten.
2010 2010-033N Die 1. Instanz verurteilt den Angeklagten.
2011 2011-004N Die 2. Instanz verurteilt den Angeklagten.
2011 2011-034N Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
Juristische Suchbegriffe
Tathandlung / Objektiver Tatbestand Herabsetzung oder Diskriminierung (Abs. 4 Hälfte 1)
Schutzobjekt Schutzobjekt allgemein
Spezialfragen zum Tatbestand Öffentlichkeit
Stichwörter
Tätergruppen Privatpersonen
Opfergruppen Ausländer und Angehörige verschiedener Ethnien
Tatmittel Elektronische Kommunikation
Gesellschaftliches Umfeld Internet (ohne Soziale Medien)
Ideologie Rassismus (Nationalität / Herkunft)

Kurzfassung

Wegen eines E-Mails, in dem bestimmte Personengruppen als Waren bezeichnet werden, die für den Abfall- und Mistkübel bestimmt sind, wurde der Angeklagte von der zuständigen Strafverfolgungsbehörde der Rassendiskriminierung schuldig gesprochen. Gegen diesen Strafbefehl erhob der Angeklagte Einsprache. Das kantonale Gericht 1. Instanz erklärte den Angeklagten ebenfalls der Rassendiskriminierung schuldig, reduzierte jedoch die Geldstrafe und sprach zusätzlich noch eine Busse aus.

Gegen das Urteil der 1. Instanz reichte der Angeklagte Berufung ein, unter anderem mit der Begründung, er sei freizusprechen, da ihm der Kreis der Empfänger hinreichend bekannt gewesen sei und somit die Erfordernis der Öffentlichkeit nicht gegeben sei. Eine Verurteilung verletze zudem die Meinungsäusserungsfreiheit. Das kantonale Gericht 2. Instanz hiess die Berufung teilweise gut und reduzierte den Tagesssatz der Geldstrafe auf CHF 70.- und die Busse auf CHF 100.-.

Sachverhalt

Der Angeklagte versandte an 43 Personen, welche auf einer Liste mit Mitgliedern oder Sympathisanten der Partei X aufgeführt waren, eine Email mit folgendem Inhalt:

„Heute war ich in Zürich. Da kamen mir in gewissen Strassen mehr Neger, Tamilen, Inder, Bangladeshi, Eritreer, Somalier, Eskimos, Südamerikaner, Araber entgegen als Schweizer. Eine Katastrophe. Die Schweiz ist von staatstragenden Parteien X, Y und Z zum Gemischtwarenladen sowie Abfall- und Mistkübel verkommen.“


Entscheid 2010-017N

Die zuständige Strafverfolgungsbehörde verurteilt den Angeklagten.

Entscheid

Die zuständige Strafverfolgungsbehörde erklärt den Angeklagten der Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 4 StGB für schuldig und verurteilt ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 220.00.


Entscheid 2010-033N

Die 1. Instanz verurteilt den Angeklagten.

Entscheid

Die 1. Instanz verurteilt den Angeklagten zu einer bedingten Geldstrafe von 5 Tagessätzen zu je CHF 100.- und zu einer Busse von CHF 200.-.


Entscheid 2011-004N

Die 2. Instanz verurteilt den Angeklagten.

Rechtliche Erwägungen

Der Angeklagte macht geltend, dass er die E-Mail nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht habe, es an einem Angriffsobjekt und an einer Herabsetzung wegen Rasse, Ethnie oder Religion fehle und er auch nicht vorsätzlich gehandelt habe.

In Bezug auf den Begriff der Öffentlichkeit hält das Gericht fest, dass eine Äusserung immer dann öffentlich sei, wenn sie von unbestimmt vielen Personen oder von einem grösseren, nicht durch persönliche Beziehungen zusammenhängenden Personenkreis wahrgenommen werden könne. Da der Angeklagte über den Wirkungskreis der E-Mail nur in etwa Bescheid gewusst habe und die Empfänger nicht alle durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden gewesen seien, kommt das Gericht zum Schluss, dass die Äusserung durchaus als öffentlich gemäss Art. 261 bis Abs. 4 StGB zu bezeichnen sei.

Hinsichtlich des Angriffsobjekts bestätigt das Gericht die Einschätzung der Vorinstanz, welche die Bezeichnung „Neger“ dem Begriff der Rasse zugeordnet hatte und „Inder“, „Bangladeshi“, „Eritreer“, „Somalier“, „Tamilen“, „Eskimos“ und „Araber“ zum Begriff der Ethnie. Das Gericht führt aus, dass die Anmerkung des Angeklagten, er habe die „Ausländer“ und nicht die „Nationalitäten“ gemeint, nicht von Bedeutung sei, da diese Begriffe ebenfalls von Art. 261 bis StGB erfasst seien, sofern sie als Synonym für bestimmte „Rassen“ oder Ethnien verwendet würden. Das erforderliche Angriffsobjekt der rassischen und ethnischen Gruppe gemäss Art. 261 bis StGB sei somit gegeben.

Bezüglich des Tatbestandsmerkmals der Herabsetzung wegen Rasse, Ethnie oder Religion gemäss Art. 261 bis Abs. 4 StGB, verweist das Gericht auf das vorinstanzliche Urteil. Die Behauptung des Angeklagten, er habe nicht die von ihm bezeichneten Gruppierungen als Mist bezeichnet, sondern die Unordnung, der eingeschlagene Weg, die Politik und die Entwicklung in der Schweiz anprangern wollen, wertet das Gericht als Schutzbehauptung. Das Gericht hält fest, dass: „Die Verbindung zwischen einem negativen Werturteil („Gemischtwaren“, „Abfallkübel“ und „Mistkübel“) und der untrennbaren Gruppenzugehörigkeit („Neger“, „Inder“, „Bangladeshi“ etc.) enthält die Behauptung einer grundsätzlichen Minderwertigkeit und ist damit herabsetzend.“ (DORRIT SCHLEIMINGER METTLER, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 2. Aufl., 2007, N. 54 f. zu Art. 261bis StGB; MARCEL ALEXANDER NIGGLI , Rassendiskriminierung, 2. Aufl., 2007, N.1297).

Das Gericht fasst zusammen, dass der objektive Tatbestand gemäss Art. 261bis Abs. 4 StGB erfüllt sei.

Den subjektiven Tatbestand, d.h. das vorsätzliche Handeln aus rassendiskriminierenden Beweggründen, sieht das Gericht erfüllt, da der Angeklagte mit dem Versand der E-Mail vorsätzlich, d.h. mit Wissen und Willen handelte.

Das Gericht bestätigt die vorinstanzliche Verurteilung wegen Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 4 StGB.

Das Gericht nimmt lediglich eine Reduzierung der Geldstrafe und der Busse vor.

Entscheid

Das kantonale Gericht 2. Instanz heisst die Berufung teilweise gut und verurteilt den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 5 Tagessätzen zu CHF 70.- und zu einer Busse von CHF 100.-.


Entscheid 2011-034N

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

Entscheid

Der Beschwerdeführer hat den angefochtenen Entscheid am 9. März 2011 in Empfang genommen. Die Beschwerde musste deshalb bis spätestens 8. April 2011 dem Bundesgericht eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 BGG). Die zusätzlichen Eingaben vom 10. und 26. April 2011 sind verspätet. Darauf ist nicht einzutreten.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.