Fall 2012-011N
Zürich
Verfahrensgeschichte | ||
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2012 | 2012-011N | Die 1. Instanz verurteilt den Beschuldigten. |
Juristische Suchbegriffe | |
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Tathandlung / Objektiver Tatbestand | Herabsetzung oder Diskriminierung (Abs. 4 Hälfte 1); Leugnung von Völkermord (Abs. 4 Hälfte 2) |
Schutzobjekt | Schutzobjekt allgemein |
Spezialfragen zum Tatbestand | Subjektiver Tatbestand |
Stichwörter | |
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Tätergruppen | Privatpersonen |
Opfergruppen | Juden |
Tatmittel | Schrift; Elektronische Kommunikation; Verbreiten von rassistischem Material |
Gesellschaftliches Umfeld | Internet (ohne Soziale Medien) |
Ideologie | Antisemitismus |
Der Beschuldigte stellte auf seiner Homepage verschiedene Bücher und Texte, welche den Holocaust leugnen, antisemitische Stereotypen verbreiten, Juden verleumden und diskriminieren zur Verfügung. Sämtliche Medien auf seiner Homepage konnten unter dem öffentlich zugänglichen Link unentgeltlich und ohne Einschränkung heruntergeladen werden. Der Beschuldigte hat zugegeben, die Texte auf seiner Website veröffentlicht zu haben, machte allerdings geltend, der rassendiskriminierende Inhalt sei ihm nicht bewusst gewesen. Er habe die Texte vor der Veröffentlichung nicht gelesen. Er habe mit der Publikation dieser Texte nicht bezwecket, die Existenz des Holocaust anzuzweifeln. Sein Ziel sei es vielmehr, nach den richtigen Informationen zu suchen, um die seit Jahrhunderten sich fortsetzende Weltverschwörung der Mächtigen aufzudecken. Das Judentum werde von den Verschwörern für ihre Zwecke missbraucht; die Juden seien sowohl Opfer als auch Täter. Die zuständige Strafverfolgungsbehörde erhob beim zuständigen Bezirksgericht Anklage und beantragte die Schuldigsprechung wegen Rassendiskriminierung zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu CHF 100.00, unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren, sowie einer Busse von CHF 1000.00. Zudem sollten die strafrechtlich relevanten Inhalte von der Homepage dauernd und wirksam entfernt werden. Das Bezirksgericht verurteilte den Beschuldigten zwar wegen Rassendiskriminierung jedoch zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 300.00, unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.
Der Beschuldigte verbreitete auf seiner Homepage verschiedene nachfolgend ausschnittweise zitierte Bücher und Texte, welche den Holocaust leugnen, antisemitische Stereotypen verbreiten, Juden verleumden und sie diskriminieren. Sämtliche Medien auf seiner Homepage konnten unter dem öffentlich zugänglichen Link unentgeltlich und ohne Einschränkung heruntergeladen werden.
Namentlich publizierte er:
1. Vorsatz
Der Beschuldigte hat zwar wiederholt behauptet, die in der Anklageschrift beanstandeten Texte vorher nicht gelesen zu haben. Allerdings hatte sich der Beschuldigte bereits Jahre vorher beim Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband erkundigt, ob es eine Liste zensurierter Bücher gebe. Daraus lässt sich schliessen, dass es dem Beschuldigten bewusst war, dass damit gerechnet werden muss, dass der Vertrieb gewisser Werke der von ihm als Verschwörungsliteratur bezeichneten Literaturgattung, verboten sein könnte. Man kann im Übrigen ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Beschuldigte den Inhalt der publizierten Texte zumindest in groben Zügen kannte. Ansonsten hätte er gar nicht beurteilen können, ob eine Veröffentlichung überhaupt in seinem Sinne war.
2. Rechtfertigungs- und Schuldausschlussgründe
Dem Beschuldigten verwies in der Einleitung zur Literaturliste auf seiner Homepage, welche die beanstandeten Werke enthielt, selbst darauf, sich dem von der Politik oktroyierten Recht beugen zu müssen, ansonsten er mit rechtlichen Schritten zu rechnen habe. Anscheinend ging er unrichtigerweise davon aus, dass die Weiterverbreitung von Texten, welche vor der Einführung von Art. 261bis StGB entstanden sind, nicht strafbar sei. Indessen bemühte er sich nicht darum, diese irrige und schwer verständliche Annahme auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Anscheinend begnügte er sich mit einer drei Jahre zuvor eingeholten Auskunft, es gebe keine Liste mit verbotenen Büchern, ohne die Rechtslage genauer abzuklären. Hätte er sich bei einer juristisch fachkundigen Stelle erkundigt, was ihm angesichts seiner Bedenken ohne weiteres zumutbar und auch möglich gewesen wäre, hätte er sofort Kenntnis von der Strafbarkeit seines Tuns erhalten.
3. Strafzumessung
Die Straftat des Beschuldigten wiegt objektiv eher leicht. Derartige antisemitische Texte sind leider verbreitet. Sie können im Internet mit den entsprechenden Suchbegriffen sehr rasch gefunden werden. Es kommt hinzu, dass derart plumpe antisemitische Äusserungen und Verschwörungstheorien in der Öffentlichkeit kaum mehr ernst genommen werden. Der Beschuldigte hat sich der blossen Weitergaben von Texten, welche bereits vorliegen und Interessierten durchaus zugänglich sind, schuldig gemacht. Man kann davon ausgehen, dass er dabei kein grosses Publikum hatte. Man muss ihm glauben, dass er nicht aus einer antisemitischen Motivation handelte. Sein Ziel bestand nicht in der Herabsetzung der Juden, ihres Glaubens oder ihrer Kultur. Aber er baute doch auf antisemitischen Klischees auf, er nahm die Herabsetzung der Juden zumindest im Sinne eines Kollateralschadens in Kauf, und er beteiligte sich daran, grob antisemitische Klischees und Holocaust-Bestreitungen zu verbreiten. Vorstrafen weist der Beschuldigte keine auf. Wenige Tage vor seiner Einvernahme durch die zuständige Strafverfolgungsbehörde hat der Beschuldigte die beanstandeten Texte von seiner Webseite entfernt. Man kann daraus schliessen, dass er die Rechtslage anerkennt und er gewillt ist, die Gesetze zu respektieren. Einzig das wird als strafmindernd berücksichtigt.
Das Gericht erachtet deshalb den Beschuldigten der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB für schuldig und verurteilt ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 300.00, unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.