Fall 2021-045N
Thurgau
Verfahrensgeschichte | ||
---|---|---|
2021 | 2021-045N | Die zuständige Strafverfolgungsbehörde verfügt eine Nichtanhandnahme. |
Juristische Suchbegriffe | |
---|---|
Tathandlung / Objektiver Tatbestand | Art. 261bis StGB / 171c MStG (keine Spezifizierung des Tatbestandes) |
Schutzobjekt | Rasse; Religion |
Spezialfragen zum Tatbestand | keine |
Stichwörter | |
---|---|
Tätergruppen | Privatpersonen |
Opfergruppen | Juden |
Tatmittel | Schrift |
Gesellschaftliches Umfeld | Öffentliche Orte |
Ideologie | Antisemitismus |
A, der Angeklagte, soll mehrere antisemitische Briefe an X, Y und Z geschickt haben. Das erwähnte Schreiben trägt den Titel "Synagogenvorbeter X. Der Schächter und Kinderschänder von Talmässing".
Die zuständige Strafverfolgungsbehörde verfügt eine Nichtanhandnahme.
X teilte der Kantonspolizei per E-Mail mit, dass er, sowie drei weitere ihm bekannte Personen, ein rassistisches Schreiben im Briefkasten vorgefunden hätten.
Die Ermittlungen der Kantonspolizei ergaben, dass Y ebenfalls ein solches Schreiben erhalten hat und um ca. 19:15 Uhr eine Person mit einem Fahrrad beobachten konnte. Er habe jedoch weder die Person, noch das Fahrrad im Dunkeln genauer erkennen können. Anlässlich der Fotowahlkonfrontation konnte Y keinen der aufgeführten männlichen Personen als Täter wiederkennen.
Das erwähnte Schreiben trägt den Titel "Synagogenvorbeter X. Der Schächter und Kinderschänder von Talmässing". Darin werden Personen jüdischen Glaubens diskriminiert und es enthält unter anderem diverse Links von Internetseiten, welche Bezug auf das Judentum nehmen.
Das Schreiben, welches X in seinem Briefkasten vorfand, wurde unter Spurenschutz sichergestellt und dem kriminaltechnischen Dienst (KTD) zwecks Spurenauswertung übergeben. Diese Auswertung ergab jedoch keine weiterführenden Spurenergebnisse, insb. keine Übereinstimmung des sichergestellten Hauptprofils mit dem DNA-Profil des Beschuldigten.
Gemäss Polizeirapport handle es sich bei der unbekannten Täterschaft vermutlich um A. Es sei bekannt, dass dieser in der Vergangenheit bereits ähnliche Schreiben und Flugblätter verteilt habe. Beispielsweise konnten durch Polizeikontrollen bei A ähnliche Schreiben sichergestellt werden.
Auch Z erstattete Anzeige bei der Kantonspolizei, da sie einen maschinell geschriebenen Brief ohne Absender mit rassistischem, gegen die jüdische Gemeinschaft gerichteten Inhalt in ihrem Briefkasten vorgefunden habe. Erscheinungsbild und Inhalt sind nahezu identisch mit dem Schreiben, welches X in seinem Briefkasten vorgefunden hatte.
W erstattete Anzeige bei der Kantonspolizei, da sie einen maschinell geschriebenen Brief ohne Absender mit rassistischem, gegen die jüdische Gemeinschaft gerichteten Inhalt in ihrem Briefkasten vorgefunden habe. Es handelt sich bei dem Schreiben um denselben Inhalt und das gleiche Erscheinungsbild wie beim Schreiben, welches Z in ihrem Briefkasten vorgefunden hatte.
Der Sicherheitsdienst eines Einkaufszentrums meldete der Kantonspolizei weiter, dass A Schreiben an die Ladenkundschaft verteile. Der Beschuldigte hatte sich jedoch bereits vor Eintreffen der Polizei mit seinem Fahrrad entfernt. Welche Schreiben verteilt worden sind, konnte nicht ermittelt werden, da keine Kunden mehr vor Ort waren, welche ein solches erhalten hatten. Der Sicherheitsdienst hatte ein Foto erstellt, auf welchem A zu erkennen sei, wie er Flugblätter verteile.
Anlässlich der polizeilichen Befragung des Beschuldigten bestreitet er, die Schreiben mit dem Titel "Synagogenvorbeter X. Schächter und Kinderschänder von Talmässing" verteilt zu haben. Auch mit den weiteren gleichgelagerten Fällen habe er nichts zu tun. Er habe keine Flugblätter verteilt. Es hätten noch viele solche Schriften. Er wisse nicht mehr, ob ein Schreiben mit dem Titel "Enthüllende Internetadressen" bei ihm gefunden worden sei. Ein solches sei aber nicht verboten. Es enthalte nur ein paar Internetadressen. Für ihn sahen die beiden Schreiben nicht gleich aus. Beim Vorlegen des Fotos, welches vom Sicherheitsdienst des Einkaufszentrums erstellt wurde und auf welchem der Beschuldigte einer Frau ein Schreiben anbieten soll, sagte der Beschuldigte aus, dass er sich nicht daran erinnern könne und fragt, ob überhaupt er das auf dem Foto sei. Der Beschuldigte bestreitet eine Tatbeteiligung und sagte aus, dass er zu den Vorfällen nichts sage, da er es nicht gewesen sei.
Gemäss Art. 310 Abs. 1 StPO verfügt die Staatsanwaltschaft die Nichtanhandnahme, sobald aufgrund der Strafanzeige oder des Polizeirapports feststeht, dass die zu beurteilenden Straftatbestände oder die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind, Verfahrenshindernisse bestehen oder aus den in Art. 8 StPO genannten Gründen auf eine Strafverfolgung zu verzichten ist. Besteht kein Anlass zur Eröffnung einer Untersuchung nach Art. 309 Abs. 1 StPO und müsste eine solche ohnehin zu einer Einstellung führen, ist das Verfahren ohne Weiterungen durch Nichtanhandnahme zu erledigen (SCHMJD/J0SITSCH, StPO Praxiskommentar, Art. 310 N 1).
Aus den Akten ergibt sich, dass A die Vorwürfe bestreitet, er an keinem der Tatorte wiedererkannt wurde und seine Tatbeteiligung nicht durch Spuren bewiesen werden kann. Dass er bereits früher ähnliche Schreiben auf sich getragen haben soll, genügt nicht für den Nachweis eines strafbaren Verhaltens in den aktuell zu beurteilenden Sachverhalten. Die vorliegend angezeigten Lebenssachverhalte können dem Beschuldigten somit nicht genügend nachgewiesen werden. Weitere verhältnismässige Ermittlungsansätze liegen nicht vor. Eine allfällig eröffnete Strafuntersuchung würde somit ohnehin zur Einstellung des Verfahrens führen. Der Sache ist somit keine weitere Folge zu geben.
Die zuständige Strafverfolgungsbehörde verfügt eine Nichtanhandnahme.